Eigenheim: Mit Belastung umgehen
Endlich unabhängig mit einem Eigenheim! Aber ist man das wirklich? Schliesslich hat man auch als Hausbesitzerin oder Hausbesitzer grosse Verantwortung, trägt diese nun sogar alleine. Für Arbeiten, die anfallen, aber auch die Finanzierung. Eine Belastung, die es ernst zu nehmen gilt, damit der Traum vom Eigenheim nicht zum Albtraum wird.
Text — Thomas Bürgisser
Für viele erfüllt sich mit dem Eigenheim ein Traum. Jetzt ist man unabhängig, kann machen, gestalten und verändern, was und wie man will. Nicht wenige aber unterschätzen Aufwand und Druck. Denn meist gehören die vier Wände vor allem der Bank. Und die Freiheit, alles selber zu bestimmen, ist auch eine Verantwortung. Ein Telefonat an die Immobilienverwaltung? Gibt’s nicht mehr. Entweder man hat selber technisches Geschick und Zeit. Oder man kämpft sich durch Offerten und koordiniert Termine von Handwerkern.
DEN ÜBERBLICK BEHALTEN
Ganz so schwarzweiss ist es nicht. Wer Lust am «Do it yourself», aber keine Erfahrung hat, sollte sich nicht scheuen, Nachbarn oder Freunde um Tipps zu bitten oder einen Kurs zu besuchen – kaum ein Hausbesitzer kam als solcher zur Welt. Gleichzeitig gibt es für alles auch Profis und manchmal lohnt es sich, diese selbst für Kleinstarbeiten zu beauftragen, anstatt sich noch mehr Druck zu machen. Denn zu tun gibt es genug. Fast wichtiger ist es, nicht den Überblick zu verlieren. Die einen fahren zwar mit Spontanität durchaus gut. Für viele aber ist weitsichtige Planung das Mittel, damit die Belastung aus dem Traum keinen Albtraum macht. Das beginnt bei den regelmässigen Unterhalts- und Wartungsarbeiten. Dachrinnen reinigen, Fugen im Bad kontrollieren, Heizung warten: Wer sich die regelmässigen Arbeiten terminiert, muss sie nicht ständig im Kopf haben. Auch Wartungsverträge können diesbezüglich eine Erleichterung sein.
CHECKLISTE
HIER SIND HAUSBESITZER IN DER VERANTWORTUNG
- Hecke schneiden: Werden die gesetzlich festgelegten Grenzabstände unterschritten, kann der Nachbar den Rückschnitt verlangen. Auch bei Gehwegen oder Strassen gibt es entsprechende Vorschriften zu beachten.
- Schnee räumen: Besitzer von Wegen sind haftbar, wenn darauf Unfälle passieren, das gilt auch für private Wege und Zufahrten.
- Sturzsicherung: Auch im Haus ist der Besitzer verantwortlich, dass Bekannte oder Handwerker sicher vor Gefahren sind, zum Beispiel, indem Geländer genug hoch oder Treppen sicher sind.
- Versicherung: Auch wenn zum Beispiel ein Dachziegel fremdes Eigentum beschädigt, kommt der Hauseigentümer für den Schaden auf. Bei einem selbst bewohnen Eigenheim ist dies meist die Privathaftpflicht, was jedoch im Voraus abgeklärt werden sollte. Ansonsten bietet sich eine Gebäudehaftpflichtversicherung an.
- Dienstbarkeiten: Im Grundbuch können gewissen Pflichten eingetragen sein, die man als Hausbesitzer beachten muss. Hat ein Nachbar beispielsweise das Wegrecht, muss der entsprechende Weg auch erhalten bleiben und nutzbar sein.
INVESTITIONEN PLANEN
Was im Kleinen gilt, gilt auch im Grossen: Wer den Wert seiner Liegenschaft nicht aufs Spiel setzen möchte, muss in regelmässigen Abständen renovieren. Um grössere Schäden zu vermeiden, ist es elementar, die Lebensdauer einzelner Bauteile im Blick zu haben. Orientierung schafft hier zum Beispiel die paritätische Lebensdauertabelle. Gleichzeitig nützt alles nichts, wenn nach 20 Jahren kein Geld für die Heizung vorhanden ist oder man sich nach 25 Jahren keine Fenstersanierung leisten kann. Eine langfristige Investitionsplanung hilft entsprechend, auch finanziell den Überblick zu behalten.
TIPP
FINANZIERUNG LANGFRISTIG SICHERN
In den letzten Jahren profitierten viele Eigenheimbesitzer von tiefen Hypothekarzinsen. Damit ein Eigenheim aber auch langfristig finanzierbar ist, sollten diese nicht als Richtwert dienen. Deshalb berechnen die meisten Banken die Tragbarkeit mit einem Zinssatz von 5 Prozent. Diese sollte auch ein Hausbesitzer immer im Hinterkopf haben. Wer die Zinsbelastung langfristig senken oder sich auf höhere Zinsen vorbereiten möchte, sollte ausserdem die Amortisation nicht vergessen. So oder so muss die Hypothek meist innerhalb von 15 Jahren oder bis zur Pensionierung auf 65 Prozent des Verkehrswertes reduziert werden. Wem diese 65 Prozent weiterhin zu viel Druck bedeuten, sollte monatlich zusätzlich Geld zur Seite legen, allenfalls auch indirekt über die 3. Säule.
RESERVEN BEREITHALTEN
Allgemein ist das Finanzielle elementar. Ein super Deal bei der Hypothek bedeutet nicht, dass man nun mehr Ferien machen oder sich ein teures Hobby suchen kann. Denn anders als in einer Miete, sind im Zins für die Hypothek weder Nebenkosten noch Rückstellungen für Investitionen oder Unvorhergesehenes eingerechnet. Als Faustregel kann man von einem Prozent des Verkehrswertes ausgehen, das jährlich zusätzlich zu Zins und Amortisation anfällt. Am besten, man richtet sich dafür direkt einen Dauerauftrag auf ein separates Hauskonto ein – analog einer Miete. Oder wieso nicht die bisherige Miete weiter zur Seite legen und vorsorgen für Renovationen wie auch steigende Hypothekarzinsen (siehe Tipp oben)?
DEN EIGENEN MÖGLICHKEITEN ANPASSEN
Die langfristige Freude am Eigenheim hängt aber auch von einer guten Selbsteinschätzung ab. Nicht für alle ist das Eigenheim das Richtige. Und nicht für alle sieht das richtige Eigenheim gleich aus. Das beginnt bei der Grösse und dem Alter des Hauses: Je grösser und älter, desto mehr Arbeit fällt an. Auch mit der Wahl von Materialien oder allgemein dem Innenausbau lässt sich der Aufwand etwas steuern, angefangen beim pflegeaufwendigen Wellnessbad, das man vielleicht gar nicht braucht, über den eleganten Glastisch, auf dem sich jeder Fingerabdruck wohlfühlt, bis hin zu den besonders anspruchsvollen Pflanzen im Garten und der Tatsache, dass Gärtnern nicht bei allen Glücksgefühle auslöst.
DIE EXPERTIN
Tiziana Perini
Dr. phil. Eidg. anerkannte Psychotherapeutin und Co-Präsidentin ZüPP (Kantonalverband der Zürcher Psychologinnen und Psychologen)
«DIE SELBSTFÜRSORGE DARF NICHT LEIDEN»
Tiziana Perini, inwiefern kann Hauseigentum auch Druck bedeuten?
Primär kann es einmal Sicherheit bieten. Finanziell als gute Geldanlage, oder auch, weil man nicht mehr einfach gekündigt werden kann. Vor allem direkt nach einem Kauf kann das Finanzielle aber auch Angst einjagen, mit einer hohen Hypothek und allenfalls bezogenen Pensionskassengeldern. Auch kann man unter Druck kommen, wenn man plötzlich für alles verantwortlich ist.
Wie merke ich, dass der Druck zu viel wird?
Zum einen, wenn zum Beispiel tatsächlich finanzielle Engpässe entstehen oder wenn man Renovationen immer wieder aufschiebt, weil es gerade nicht passt. Daneben gibt es die psychischen Faktoren. Etwa wenn sich die Gedanken nur noch um dieses Thema drehen, man in der Nacht grübelnd wachliegt. Konzentrationsprobleme, Energielosigkeit und Reizbarkeit können auftreten, aber auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen bis hin zu Panikattacken und Depressionen.
Was kann man dagegen tun?
Manchmal hilft es bereits, sich die eingangs erwähnten Sicherheiten vor Augen zu führen. Ganz wichtig ist zudem, dass die Selbstfürsorge nicht leidet. Dass man also trotzdem Sport macht und versucht, genügend zu schlafen. Ich empfehle auch oft, die Zeit für Sorgen zeitlich und örtlich einzugrenzen. Anstatt in der Nacht, wenn man eh nichts ändern kann, nimmt man sich zum Beispiel immer um 13 Uhr im Büro eine halbe Stunde Zeit dafür. Nicht zuletzt sollte man wieder das Gefühl bekommen, etwas ändern zu können. Wer sich eingeengt fühlt, kann sich durchaus einmal den Immobilienmarkt, Mietinserate oder Haustauschplattformen anschauen. Das heisst noch nicht, dass man es dann auch umsetzt. Oder wer finanziellen Druck verspürt, kann Sparpotenzial eruieren oder mit der Bank das Gespräch suchen.
Wie wichtig ist das Gespräch allgemein?
Man sollte auf keinen Fall zu stolz sein, den Druck zuzugeben, sondern den Austausch suchen. Mit Familie und Freunden, mit anderen Hausbesitzern Erfahrungen austauschen. Zudem ist spätestens bei körperlichen Symptomen auch professionelle Unterstützung gefragt. Je früher, desto besser.
WEITERFÜHRENDE LINKS
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Lebensdauer von Bauteilen: Eine gute Basis, um zukünftige Renovationen und damit Investitionen zu planen.
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Tragbarkeitsberechnung: Zahlreiche Banken und andere Anbieter bieten online Tragbarkeitsrechner. Zum Beispiel auch Comparis