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Fassaden: Inspirationen aus aller Welt

Fassaden repräsentieren und erzählen Geschichten. Sie halten aber auch warm, sie kühlen, sie schützen und sorgen für Licht. Je nach Region und Epoche. Ein Blick zurück, über die Grenzen und in die Zukunft.

Text — Thomas Bürgisser

 

In Portugal prägen bemalte Fliesen ihr Erscheinungsbild, in Schweden sind sie häufig rot und aus Holz, in Griechenland mit weisser Kalkfarbe geschützt. Die typischen Fassaden einzelner Länder bieten eine riesige Vielfalt – und das nicht nur in Europa. In Japan etwa gehören mancherorts angekohlte Holzfassaden zur Tradition, im Mittleren Osten oder in der Sahara-Region ist Lehm ein beliebtes Baumaterial und in Nordamerika, aber auch im europäischen Norden werden ganze Baumstämme zum Blockhaus verarbeitet.

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Fassaden erfüllen nicht nur die verschiedensten Zwecke, sie repräsentieren auch nach aussen, unter anderem mit Mustern und Farben.


Die weltweit unterschiedlichen Fassaden kommen nicht von ungefähr. Teilweise sind sie geschichtlich geprägt, wie etwa in Südamerika, wo sich mancherorts die ehemaligen Kolonialmächte in den Hausfassaden erkennen lassen. Oftmals aber stecken auch ganz praktische Überlegungen in den Unterschieden – und damit die eine oder andere Inspiration?

 

INFO

DIE LÖCHER IN DER FASSADE

Die Fenster sind für viele das wichtigste Element in der Fassade. In Wirklichkeit aber sind sie oftmals die Schwachstellen der Fassade. Um dem entgegenzuwirken, sind sie idealerweise dreifachverglast, für einen besseren Wärme- und Schallschutz. Sie sind gross genug für viel Licht und Weite, gleichzeitig aber geschützt vor der Sonne – ob mit Beschichtung oder Beschattung – gegen zu viel Hitze. Und nicht zuletzt sind sie gut gesichert, gegen unerwünschte Einblicke und Einbrecher.

 

DIE HÄUFIGSTEN FASSADEN DER SCHWEIZ

In der Schweiz werden die meisten neuen Bauten aus Backstein oder Beton gefertigt, anschliessend gedämmt und oft mit einem Putz geschützt, zum Beispiel einem Kalk-Zement-Gemisch. Häufig als Kompaktfassade, bei der alle Schichten aufeinander kommen, während die hinterlüftete Fassade mittels Unterkonstruktion vom Mauerwerk getrennt wird. Letztere wiederum werden auch mit Faserzement (Eternit), Schiefer, Metall oder Glas gestaltet. Der dritte, wieder häufigere Baustoff ist Holz, das durchaus auch gleich als tragende Schicht zum Einsatz kommt, teilweise in Kombination mit Beton etwa für den Sockel.


MATERIALIEN AUS DER REGION

Während in der Schweiz heute vor allem verputzte Fassaden das Landschaftsbild prägen, gibt es durchaus auch hierzulande Fassadentraditionen, sogar lokal unterschiedliche. In einem grossen Teil der Deutschschweiz dominiert etwa Holz das Fassadenbild alter Häuser, teilweise gemischt mit Lehm, wie im Riegelbau. Das typische Tessiner Rustico wiederum ist aus Stein, während im Jura der Jurakalk als Baumaterial im Vordergrund stand. Der Grund dafür ist einfach: Der lokal vorhandene Baustoff. Ein Credo, auf das man sich inzwischen wieder öfters zurückbesinnt. So sind Holzbauten, sogar als Hochhäuser, nicht nur in Skandinavien oder Nordamerika, sondern auch in der Schweiz wieder stark im Kommen.

Das heisst nicht, dass es immer die reine Holzoptik sein muss. Wieso nicht einmal in Schwedenrot? Das typische «Falu Rödfärg», das als Nebenprodukt aus einer Kupfermine der Stadt Falun entstand, kam ursprünglich zum Einsatz, weil es an die Backsteinhäuser der reichen Mitteleuropäer erinnerte. Später wurde es zum Exportschlager – auch dank der schützenden Wirkung vor Witterungseinflüssen. Einen ähnlichen Effekt verheisst die Yakisugi-Methode aus Japan, die für die typischen schwarzen Holfassaden verantwortlich ist. Dabei wird das Holz quasi verkohlt und so konserviert.

 

DER EXPERTE

Wolfram Kübler,
WaltGalmarini AG

FASSADEN IN DER ZUKUNFT


Wolfram Kübler, die WaltGalmarini AG forscht zusammen mit anderen Unternehmen bei der Empa unter anderem an Fassaden der Zukunft. Welche Herausforderungen stehen an?
Heute erfüllen Fassaden bei uns vor allem den Zweck des Warmhaltens. In Zukunft aber wird das Kühlen wohl gleich wichtig sein. Eine besondere Herausforderung, auch bei den immer grösser werdenden Fensterflächen. Hinzu kommt, dass wir das Potenzial zur Stromgewinnung anfangen zu nutzen.

Was gibt es hier für Lösungen?
Photovoltaik-Anlagen werden auch als Fassade an Bedeutung gewinnen. Diese sind inzwischen in verschiedensten Farben möglich, so dass sie kaum mehr auffallen. Gleichzeitig gilt es, Fensterflächen so anzuordnen und zu wählen, dass sie im Winter zum Wärmegewinn beitragen, im Sommer aber nicht zu sehr aufheizen. Auch spezielle Beschichtungen beim Sonnenschutz helfen. Die graue Energie und der Stromverbrauch sprechen langfristig ausserdem gegen aufwendige Lüftungs- und Kühlanlagen, so dass ich mir zukünftig auch automatisierte Fassadenöffnungen zur Belüftung und Nachtauskühlung vorstellen könnte. Auch in Anbetracht der wieder verbesserten Aussenluftqualität in den letzten Jahren und der wohl sinkenden Lärmbelastung dank e-Mobilität.

Von welchem Zeithorizont sprechen wir da?

Man geht davon aus, dass wir im Mittelland bereits in zirka 20 Jahren gleich viele Stunden pro Jahr kühlen wie heizen werden, also deutlich weniger heizen, dafür exponentiell mehr kühlen als heute. Es lohnt sich also, schon heute weiter zu denken. Und die technischen Entwicklungen schreiten enorm schnell voran.

Mehr Informationen: Empa - Step 2

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KÜHLEN WIE IM SÜDEN

Nicht nur, was das Erscheinungsbild anbelangt, auch bezüglich Nutzen lohnt sich also ein Fassadenblick über die Grenzen. So ist die Lehmbauweise nicht nur auf die Verfügbarkeit des Baustoffes zurückzuführen. Vielmehr hält Lehm die Häuser in der Nacht warm und tagsüber kühl. Eine Frage des Klimas also, die auch in der Schweiz in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen dürfte (siehe Experteninterview). Auch in den südeuropäischen Ländern lässt sich dazu der eine oder andere Fassadentipp abholen. So haben Studien gezeigt, dass sich eine Stadt, in der es nur weisse Fassaden gibt, wie man es oft in Griechenland sieht, um einiges weniger erwärmt als Städte mit dunklen Fassaden. Gleichzeitig soll der Kalkanstrich der kykladischen Architektur gegen Ungeziefer helfen. Wie das portugiesische Beispiel zeigt, heisst hell ausserdem nicht gleichzeitig langweilig. Denn auch die typischen Azulejos, die weiss-blauen Fliesen, schmücken die Häuser in Portugal dekorativ und halten sie kühl. Der Fantasie sind also keine Landesgrenzen gesetzt.

CHECKLISTE

ZEHNFACHES FASSADENWISSEN:

  1. Über die Fassade geht am meisten Heizenergie verloren: Mit einer Fassadendämmung können rund 30 Prozent eingespart werden.
  2.  Zur Fassade gehören auch Fenster und Türen: Wer das nicht als Einheit betrachtet, riskiert Wärmebrücken beim Dämmen.
  3. Das Wort «Fassade» entstammt dem gleichbedeutenden französischen «façade» oder dem italienischen «facciata» und ist abgeleitet von «faccia» für Gesicht, Vorderseite, Aussehen (lateinisch «facies»).
  4. Schwarze Flecken an der Fassade über dem Fenster kann die Folge von falschem Lüften sein: Dreimal täglich kurz Stosslüften ist am besten.
  5. Ein hervorstehendes Dach schützt die Fassade vor Wettereinflüssen.
  6. Im Frühling und im Herbst sollte die Fassade auf Schäden und Pilzbefall kontrolliert werden.
  7. Je nach Fassadenmaterial gilt: Achtung vor dem Hochdruckreiniger! Bei Unsicherheit besser den Profi fragen.
  8. Helle Farben wirken kühl, warme einladend. Das gilt auch für die Fassade.
  9. Aber Achtung: Nicht überall ist alles erlaubt. Teilweise brauchen grosse Farbveränderungen eine Baugenehmigung.
  10. Gemäss Lebensdauertabelle geht man bei Fassadenverkleidungen von einer Lebensdauer zwischen 30 bis 50 Jahren aus.