Kühlen ist das neue Heizen
Unsere Sommer sind spürbar wärmer geworden. Dies soll sich künftig noch verstärken. Beim Bauen und Sanieren ist ein Umdenken gefragt.
Text — Raphael Hegglin
Mit Klimaanlagen ist es ähnlich wie mit Hamsterrädern: Je intensiver man sie nutzt, desto mehr gerät man in die Bredouille. Beim Hamsterrad ist dies einfach etwas offensichtlicher zu erkennen als bei Klimaanlagen. Doch Kühlen benötigt grosse Mengen Energie – was den CO2-Ausstoss zusätzlich erhöht, die Klimaerwärmung befeuert und wiederum noch intensiveres Kühlen notwendig macht.
In der Studie «ClimaBau – Planen angesichts des Klimawandels» gelangen das Bundesamt für Energie und die Hochschule Luzern zum Schluss: Aufgrund des Klimawandels könnte sich der Heizwärmebedarf von Altbauten um etwa 20 Prozent und der von Neubauten etwa um 30 Prozent reduzieren.
Die höheren Temperaturen werden jedoch das Kühlen der Gebäude notwendig machen: Der berechnete Energieaufwand dafür beträgt in Altbauten etwa 30 bis 40 Prozent der Heizleistung, in Neubauten sogar 50 Prozent. Mit anderen Worten: Müssen Gebäude in der Schweiz künftig nicht nur beheizt, sondern im Sommer zusätzlich gekühlt werden, dann wird sich der Energiebedarf eines Hauses im schlimmsten Fall fast verdoppeln!
Moderne Technologien eignen sich zum umweltfreundlichen Heizen und zum Kühlen. Zum Beispiel mittels Freecooling oder Solarstrom betriebenen Klimaanlagen.
Bild: Hoval AG
HITZETAGE VERDOPPELN SICH
Welche Annahmen liegen der Studie zugrunde? Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass sich das Klima in den nächsten 100 Jahren spürbar ändern wird. Die Mitteltemperaturen werden laut Studie sehr wahrscheinlich in allen Regionen und Jahreszeiten ansteigen. Je nach Szenario und Region geht man von einer Temperaturerhöhung zwischen drei und fünf Grad Celsius aus. Das mag auf den ersten Blick als nicht dramatisch erscheinen. Doch hätte ein solcher Anstieg zur Folge, dass sich die Anzahl Sommertage und auch die der Tropennächte verdoppeln wird.
In den Städten und im urbanen Raum wird es zudem zu einem sogenannten Wärmeinseleffekt kommen, weil es dort zu wenig kühlende Vegetation, dafür aber umso mehr Mauerwerk und Strassen hat, die sich mit der Sonnenwärme erhitzen. Bis ins Jahr 2060 könnten die Überhitzungsstunden – das sind Temperaturen im Innenbereich von über 33 Grad Celsius – auf durchschnittlich 1200 pro Jahr erhöhen.
Im schlimmsten Fall bedeuten die Szenarien der Studie, dass Häuser, Wohnungen und Arbeitsplätze während dreier Monate pro Jahr überhitzt sein werden. Untersuchungen zeigen, dass die Arbeitsleistung im Büro wie auch im Haushalt darunter leidet: Während man bei 23 Grad Celsius noch volle Leistung bringt, ist diese bereits bei 30 Grad um 30 bis 50 Prozent reduziert. Während Überhitzungsstunden (über 33 Grad im Innenbereich) fällt die Leistung sogar deutlich unter 50 Prozent ab. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) sieht in Hitzewellen zudem eine der grössten Bedrohungen für die Gesundheit in der Schweiz. So stiegt die Sterblichkeit im Hitzesommer 2003 um sieben Prozent, wobei insbesondere Personen über 65 Jahren durch Hitzetage gefährdet sind.
KÜHLEN OHNE TECHNIK
Damit ein Haus im Sommer kühl bleibt, ist nicht immer der Einsatz von Technik erforderlich. Oft reichen folgende Massnahmen:
SONNENSCHUTZ IMMER NUTZEN: An heissen Tagen sollten alle Fenster konsequent durch heruntergelassene Storen oder Rollläden verdeckt sein, zudem sollten Fenster tagsüber immer geschlossen sein.
RICHTIG LÜFTEN: In der Nacht – auch in Tropennächten – ist Lüften angesagt. Denn schon einige Grad Temperaturunterschied zwischen drinnen und draussen reichen, damit ein Sog entsteht, der für Lüftung sorgt und Hitze abführt. Damit dies Wirkung zeigt, muss es regelmässig, möglichst jede Nacht und durch alle Fenster geschehen.
VENTILATOREN: Mit Ventilatoren lässt sich nachts die Lüftung verstärken. Diese an den Fenstern, in den Raum gerichtet, positionieren. Sie saugen dann kühle Luft von draussen an.
KEINE WÄRME PRODUZIEREN: Elektrogeräte sollten nur laufen, wenn sie wirklich gebraucht werden. Computer und Co. also wenn immer möglich auszuschalten. Besonders starke Wärmequellen sind Herd, Backofen und Kühlschrank. Letzter produziert übrigens umso mehr Wärme, je öfter er geöffnet wird (was im Sommer vermehrt der Fall ist).
AUSSENPLÄTZE BESCHATTEN: Terrassen, Gartenplätze und mit Steinplatten belegte Wege sollten ebenfalls beschattet sein. Ansonsten laden sie sich mit der Sonne auf und verzögern nachts das Auskühlen der Umgebung.
BEWUCHS UMS HAUS FÖRDERN: Pflanzen sind eine natürliche Klimaanlage, die oft unterschätzt wird. So verdunstet ein Baum bis zu 500 Liter Wasser pro Tag, was um ihn herum die Temperatur senkt. Doch auch andere Pflanzen kühlen. Ein reicher Bewuchs wirkt daher doppelt: Durch Beschatten und durch Kühlen.
FEUCHTE TÜCHER AUFHÄNGEN: Ist ein Raum überhitzt, können feuchte Tücher für einen Kühleffekt sorgen. Denn das aus ihnen verdunstende Wasser entzieht der Luft Wärme.
NUTZUNGSFEHLER VERMEIDEN
Wie lässt es sich vermeiden, dass Häuser im Sommer überhitzen? Da Klimaanlagen viel Energie verbrauchen, sollten zuerst andere Massnahmen in Betracht gezogen werden. Denn oft reichen einfach umsetzbare Methoden, um die Hitze im Sommer draussen zu behalten. An erster Stelle nennen die Studienautorinnen und -autoren das persönliche Verhalten: Oft sei Überhitzung Folge von Nutzungsfehlern. Darunter fallen unzureichender – bzw. nicht heruntergefahrener – Sonnenschutz und an Hitzetagen geöffnete (oder gekippte) Fenster. Vorbeugen ist besser als heilen: Das gilt punkto Sonnenschutz ganz besonders, denn überhitzte Räume sind ohne Klimaanlage kaum mehr kühl zu bekommen. Oberstes Ziel muss daher sein, die Hitze von aussen abzuhalten. Erst wenn das nicht mehr funktioniert, sollten kühlende Massnahmen ergänzend hinzukommen.
KÜHLEN MIT TECHNIK
Not macht erfinderisch: Die Hitzesommer nehmen zu, weshalb die Industrie immer mehr neue Entwicklungen auf den Markt bringt. Das sind die wichtigsten:
AUTOMATISIERTER SONNENSCHUTZ: Scheint die Sonne, dann werden Storen und Rollläden automatisch heruntergelassen. Ist der Himmel bewölkt oder droht ein Gewitter, dann werden Sonnenstoren wieder hochgezogen. Die Automatisierung garantiert, dass der Sonnenschutz 100 Prozent effizient ist.
KONTROLLIERTES LÜFTEN DURCH FENSTER: Automatisierte Fenster lassen sich so steuern, dass sie sich immer dann öffnen, wenn es draussen kühler ist als drinnen. Die automatische Lüftung sollte an ein Sicherheitskonzept angepasst sein, sodass sich Fenster nicht öffnen, wenn niemand anwesend ist. Laut Autoren der Studie «ClimaBau – Planen angesichts des Klimawandels» haben Fenster eine Schlüsselrolle beim Thema Überhitzung: Durch sie kann viel Wärme in Form von Sonnenstrahlung ins Haus gelangen. Sie eignen sich aber auch, um Wärme unkompliziert abzuführen – mit automatisierten Fenstern besonders effizient.
INTELLIGENTES FENSTERGLAS: Elektrochrome Fenster lassen sich so programmieren, dass sie bei Sonneinstrahlung sofort verdunkeln. Solche Gläser sind im Handel bereits erhältlich. Sie eignen sich nicht nur als Hitze-, sondern auch als Sichtschutz.
FREECOOLING: Mittels Sole/Wasser-Wärmepumpen oder Grundwasser-Wärmepumpe lässt sich nicht nur heizen, sondern auch kühlen. Dieser Zusatznutzen wird Freecooling genannt. Dazu ist nur der Einbau eines zusätzlichen Plattenwärmetauschers und eines Umschaltventils notwendig. Besteht Kühlbedarf, so wird lediglich die Umwälzpumpe in Betrieb genommen, wodurch sich das in der Fussbodenheizung zirkulierende Heizungswasser auf etwa 18° C abgekühlt. Dazu muss nicht einmal die Wärmepumpe in Betrieb sein. Freecooling bedeutet also Kühlen mit höchster Energieeffizienz. Die Technologie erfordert keine aufwendigen Installationen, sofern eine Sole/Wasser- Wärmepumpe vorhanden ist.
SPLIT-KLIMAANLAGEN: Sie haben eine bessere Energieeffizienz als herkömmliche Kühlgeräte. Trotzdem benötigen sie noch immer erhebliche Mengen an Strom. Wird dieser Strom allerdings mit einer hauseigenen Photovoltaikanlage erzeugt, dann weisen Splitgeräte plötzlich eine gute Umweltbilanz auf. Und das beste daran: Je heisser der Sommer, desto mehr Photovoltaik- Strom fällt an – und desto intensiver lässt sich dadurch die Klimaanlage betreiben. Allgemein ist die Kombination einer Photovoltaikanlage mit technischem Überhitzungsschutz sinnvoll!