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Energetische Sanierung in Etappen

Wir leben in Energieschleudern: Rund 1,5 Millionen Gebäude in der Schweiz weisen eine schlechte Energieeffizienz aus und sind sanierungsbedürftig. Sie verbrauchen etwa fünf- bis siebenmal mehr Heizenergie als ein Haus auf dem heutigen Stand der Technik. 

Text — Raphael Hegglin

 

So benötigt ein Einfamilienhaus aus den 1970er-Jahren im Originalzustand etwa 22 Liter Heizöläquivalente pro Quadratmeter und Jahr. Zum Vergleich: Ein nach den Mustervorschriften 2014 (MuKEn 2014) gebautes Haus verbraucht knapp vier Liter pro Quadratmeter und Jahr. Und es gibt bereits Häuser, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen.

 

HEIZKOSTENERSPARNIS VS. SANIERUNGSKOSTEN

Eine Milchbüchleinrechnung: Nehmen wir ein Einfamilienhaus mit 160 Quadratmetern beheizter Fläche (Energiebezugsfläche). Mit Baujahr 1970 und seither unverändert, benötigt es jährlich etwa 3500 Liter Heizöl zu einem Preis von rund 3500 Franken (Heizölpreis 1 Fr./l). Dasselbe Haus, jedoch umfassend saniert, verbraucht nur etwa 850 Liter Heizöl. Das ergibt eine jährliche Heizkostenersparnis von rund 2600 Franken.

Demgegenüber steht die hohe Investition für eine umfassende energetische Sanierung: Eine solche kostet für ein Einfamilienhaus schnell 150'000 Franken und mehr. Mit anderen Worten: Es bräuchte über 50 Jahre, bis sich die energetische Sanierung des vorher beschriebenen Hauses über die Heizkostenersparnis amortisiert hätte. Zwar ist davon auszugehen, dass sich Energie in den nächsten Jahren massiv verteuern wird. Doch auch dann: Eine energetische Sanierung nur über die Heizkosten zu amortisieren, dauert Jahrzehnte.

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Wer vorgängig die Gebäudehülle dämmen lässt, hat mehr Auswahl beim Heizungsersatz.

DARUM LOHNT SICH DIE SANIERUNG TROTZDEM

Die energetische Sanierung des Eigenheims ist trotzdem sinnvoll – aus mehreren Gründen: Sie hebt ein Gebäude auf den heutigen technischen Stand und wirkt dadurch werterhaltend oder gar wertsteigernd. Das Geld für eine energetische Sanierung ist also nicht verloren, sondern in den meisten Fällen gut investiert. Auch knallhart Kalkulierende müssen einräumen: Im heutigen Tiefzins-Umfeld lohnt es sich meist, Geld in ein Haus zu investieren. 

Auch verbessert sich der Wohnkomfort in einem umfassend sanierten Gebäude spürbar. So bilden sich im Winter keine Kältebereiche an den Aussenwänden und Fenstern, und im Sommer sind die Innentemperaturen ausgeglichener, da Wärmedämmung und neue Fenster vor Überhitzung schützen.

 

AGIEREN STATT REAGIEREN!

Weitere Gründe, welche für die energetische Sanierung eines alten Hauses sprechen, sind die strenger werdenden Umwelt- und Energie-Gesetze. Wer ihnen vorgreift, kann agieren und ist nicht zum Reagieren gezwungen. Nur so lässt sich die individuell beste Lösung verwirklichen. Denn wer zum Beispiel bei einem Heizungsersatz keine Ölheizung mehr einbauen darf, wegen mangelnder Wärmedämmung aber weiterhin auf hohe Vorlauftemperaturen der Heizung angewiesen ist, hat kaum Handlungsspielraum. Zwar lässt sich auch in diesem Fall eine technisch einwandfreie Heizungslösung finden. Sie wird aber nie ideal sein und auf längere Frist kommt sie teuer.

Und dann ist da noch der Umweltschutz: Er ist längst nicht mehr nur moralische Pflicht, sondern wird von Volk und Politik gleichermassen eingefordert. Energieeffiziente Gebäude sind dadurch attraktiver und gefragter geworden, was ihren Marktwert deutlich beeinflusst.
 

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Bei einer Dacherneuerung sollte unbedingt auch aufgedämmt werden.

DER REGELFALL: ETAPPENWEISE SANIERUNG

Trotz aller Argumenten, die für eine umfassende Sanierung sprechen: Geld spielt eine Rolle! Denn wer kann schon einfach 150'000 Franken in die Gesamtsanierung seines Eigenheims
stecken? Glücklicherweise ist dies auch nicht notwendig – im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit aller Gebäude wird in Etappen saniert. So lassen sich die Investitionen auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilen – und ideal portioniert von den Steuern absetzen. Erfolgsentscheidend bei einer etappenweisen Sanierung ist die Planung. Sie muss sowohl technisch wie auch zeitlich auf das jeweilige Gebäude abgestimmt sein und zum Budget passen. Doch so banal dies klingt: Leider wird viel zu oft einfach drauflos saniert oder etwas aufgrund einer Notsituation, wie zum Beispiel ein dringender Heizungsersatz, erneuert.

Der ideale Weg verläuft andersrum: Zuerst sollte man die Energieeffizienz eines Gebäudes verbessern und erst danach das neue Heizsystem wählen. Nur so kann man technisch wie auch finanziell die beste Lösung finden. Es lohnt sich daher – egal, in welchem Zustand sich ein Haus befindet – zuerst einmal Geld in eine fachgerechte, langfristige Planung zu stecken.
Denn nur wer sämtliche Sanierungsschritte durchgeplant hat, kann sein Geld effizient einsetzen (siehe Info «Sanierung: So gelangen Sie schrittweise zum Ziel»).

 

STÄNDIGER ERNEUERUNGS-ZYKLUS

Egal, wie alt ein Gebäude also ist: Es befindet sich in einem steten Erneuerungs-Zyklus. Aus finanzieller Sicht lohnt sich eine energetische Sanierung dann am meisten, wenn ein Bauteil ohnehin ersetzt werden muss. Zum Beispiel die Fassade: Muss diese erneuert werden, dann darf man die Gelegenheit nicht verpassen, sie gleichzeitig dämmen zu lassen. Denn viele kostspielige Arbeiten wie das Aufstellen der Gerüste sind zu diesem Zeitpunkt ohnehin notwendig. Der Mehrpreis für die Dämmung fällt somit weniger ins Gewicht und macht sich, langfristig betrachtet, am stärksten bezahlt.

Herausfordernd ist hingegen der Heizungsersatz: Er sollte nach Dämmung der Aussenhülle oder einem Fensterersatz erfolgen. In Realität ist dies selten umsetzbar, weil die Heizung das Ende ihrer Lebensdauer nicht gleichzeitig mit jenem der Fassade oder der Fenster erreicht. Technisch und finanziell ein guter Kompromiss ist es, vor der Heizung die Fenster zu ersetzen bzw. zu sanieren. Damit lässt sich die Energieeffizienz des Gebäudes oft schon so weit verbessern, dass man auf ein effizientes Heizsystem wechseln kann, während die Kosten überschaubar bleiben. Die Beispiele zeigen: Eine etappenweise Sanierung lässt sich realisieren. Grundlage dazu ist eine fachgerechte und auf lange Zeit ausgelegte Sanierungsstrategie.
 

INFO

SANIERUNG: SO GELANGEN SIE SCHRITTWEISE ZUM ZIEL

SCHRITT 1: ZUSTANDSANALYSE
Jedes Gebäude hat seine eigenen technischen Merkmale und befindet sich in einem anderen Zustand. Eine individuelle Zustandsanalyse zum Beispiel durch einen Energieberater zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht. Wichtig: Der Begriff «Energieberatung» ist nicht geschützt, und es gibt viele Gratisangebote, die mehr Verkaufsgespräch als neutrale Beratung sind. Wer sicher gehen möchte, lässt einen GEAK Plus durch eine lizenzierte Energieberaterin bzw. einen lizenzierten Energieberater erstellen.

SCHRITT 2: SANIERUNGSSTRATEGIE ENTWICKELN
Nun wird es konkret: Basierend auf der Energieberatung, werden die einzelnen Sanierungs-Etappen definiert und zeitlich geplant. Eine Sanierungs-Strategie kann auch über einen Zeithorizont von 15 Jahren und mehr hinausgehen. Hauptsache, man fängt genug früh mit den ersten Massnahmen an.

SCHRITT 3: FINANZIERUNG SICHERN
Steht die Sanierungs-Strategie, lassen sich die einzelnen Etappen finanzieren. Dabei wichtig: Die in Frage kommenden Fördergelder nicht vergessen, sie decken einen Teil der Sanierungskosten. Baufachleute vergessen diesen Punkt leider nur zu oft. Daher lohnt es sich, sich auch selbst zu den Förderprogrammen zu informieren. Einen umfassenden Überblick bekommt man auf www. energiefranken.ch

SCHRITT 4: DÄMMUNG DER FASSADE
Die Dämmung der Fassade ist punkto Energieeffizienz der wirksamste Schritt, jedoch auch der aufwendigste – insbesondere, was die Kosten betrifft. Doch: 25 % und teilweise noch mehr Wärmeenergie lassen sich mit einer gut gedämmten Fassade sparen. Aus konstruktiven Gründen sollte die Fassadendämmung als erstes erfolgen. So lassen sich die Anschlüsse an Fenster, Dach und andere Bauteile optimal gestalten und Wärmebrücken am effektivsten ausschalten. In Realität erfolgt die Dämmung der Fassade jedoch oft nicht als erstes. Mit einer fachgerechten Planung – und Vorbereitung anderer Bauteile – lässt sich die Fassade auch später dämmen.

SCHRITT 5: DÄMMUNG VON DACH UND WAND
Diese Massnahmen sind – verglichen mit anderen Sanierungspaketen – einfach umsetzbar und moderat im Preis. Doch der Effekt ist deutlich spürbar: Bei einem nicht sanierten Altbau gehen etwa 17 % der Heizwärme übers Dach und etwa 9 % der Heizwärme über den Boden verloren. Wer auf die Kosten achten muss, kann anstelle des Dachs den Estrichboden
dämmen. Der Spar-Effekt ist etwa derselbe. Allerdings bleibt so der Estrich im Winter weiterhin kalt und im Sommer heiss, lässt sich also nur eingeschränkt nutzen.

SCHRITT 6: ERSATZ DER FENSTER
Der Ersatz oder die Sanierung alter Fenster ist eine beliebte Energiesparmassnahme, da ihr Kosten-Nutzen- Verhältnis besonders gut ist. Denn ein altes Haus kann über 20 % seiner Energie über die Fenster verlieren. Und neue Fenster bringen zusätzliche Vorteile: Mit ihnen lässt sich der Einbruch- und Schallschutz verbessern, oft bewirken sie auch bessere Lichtverhältnisse.

SCHRITT 7: HEIZUNGSERSATZ
Je tiefer der Heizwärmebedarf eines Gebäudes ist, desto kleiner und effizienter fällt die Heizung aus. In Realität beginnt die energetische Sanierung eines Hauses jedoch oft mit der Heizung, da diese ersetzt werden muss. In diesem Fall ist clevere und vorausschauende Planung besonders wichtig. Mittlerweile gibt es Heizsysteme wie Hybridheizungen, die für eine langjährige, etappierte energetische Sanierung optimiert sind.

ANMERKUNG
Die einzelnen Sanierungs-Schritte (4 bis 7) werden idealerweise in der angegebenen Reihenfolge durchgeführt. So lassen sich maximale Energieeffizienz und die technisch beste Lösung realisieren. Mit fachgerechter Planung lassen sich die Etappen auch in anderer Reihenfolge verwirklichen