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Planung Heizungsersatz

Bund und Kantone ziehen die Schraube allmählich an: Altbauten müssen energieeffizienter werden, die Zahl der Vorschriften wächst – mit grossen kantonalen Unterschieden. Bevor man sich in den Gesetzes-Dschungel wagt, sollte man nie vergessen: Es geht ums eigene Haus. Und nur darum.

Text — Raphael Hegglin

 

Sanierung abgeschlossen, sämtliche gesetzlichen Vorschriften wurden erfüllt – Happy End. So einfach ist es leider nicht! Denn die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich 2014 (MuKEn 2014) setzen zwar Zielvorgaben punkto Energieeffizienz und definieren dazu Lösungswege. Welches für ein Haus die individuelle beste Lösung ist, lassen sie hingegen offen.

So kann der Wechsel auf eine neue Heizung mehr oder weniger zur Farce verkommen, bei der es hauptsächlich darum geht, dem Gesetz Genüge zu tun. Dazu ein Beispiel: Der Heizungsersatz verlangt nach einer der 11 Standardlösungen nach MuKEn 2014. Der Hauseigentümer entscheidet sich für die beliebte Standardlösung 3: den Einbau einer Wärmepumpe. Doch die mangelhafte Wärmedämmung seines Hauses bleibt bestehen – gesetzeskonform, denn mit dem Einbau der Wärmepumpe wurden die geltenden Auflagen erfüllt.

INFO

DAS VERLANGEN DIE MUKEN 2014

Die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich 2014 (MuKEn 2014) gelten sowohl für Neubauten als auch für Sanierungen und den Heizungsersatz. Die Kantone setzen sie allerdings unterschiedlich um: Mittlerweile gelten Teile der Vorschriften in 22 Kantonen, die Kantone Aargau, Uri und Wallis befinden sich in der Ausarbeitungsphase und der Kanton Solothurn hat die Vorlage abgewiesen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die MuKEn 2014 über kurz oder lang in allen Kantonen umgesetzt werden – zunehmend konsequenter.

Im Neubaubereich lassen sich die MuKEn 2014 einfach umsetzen, auch lohnen sich die damit verbundenen Mehrkosten immer. So definieren sie zum Beispiel den maximalen Heizwärmebedarf: Dieser ist heute etwa sechsmal kleiner als bei einem Gebäude aus den 1970er-Jahren. Bei bestehenden Gebäuden zielen die MuKEn 2014 hauptsächlich auf folgende Punkte:

  • Heizungsersatz: Befindet sich ein Haus in der Gebäudeklasse D oder schlechter, muss eine der 11 Standardlösungen gewählt werden.
  • Sanierungspflicht für Elektroheizungen: Der Einbau neuer Elektroheizungen ist bereits in den meisten Fällen verboten. In den MuKEn 2014 ist vorgesehen, ebenfalls deren Betrieb zu verbieten (siehe Beitrag «Verbot von Elektroheizungen»).
  • Die Warmwasseraufbereitung muss im Zuge einer Sanierungen oder beim Boiler-Ersatz grösstenteils durch erneuerbare Energien erfolgen (Verbot von Elektroboilern).
  • Allgemein: Umstellung auf erneuerbare Energien sowie die Gebäudehüllensanierung sind laut Zielen der MuKEn 2014 «verstärkt zu fördern». Ausformuliert ist dieser Teil allerdings noch nicht.


LABORWERT UND PRAXIS

Die erste Heizkostenabrechnung mit der neuen Wärmepumpe fällt dann ernüchternd aus: Der Stromverbrauch ist doppelt so hoch wie anhand der Gerätedaten berechnet. Sparen lässt sich so nichts und der positive Effekt für die Umwelt fällt bestenfalls bescheiden aus. Grund dafür sind die hohen Vorlauftemperaturen, welche das immer noch schlecht gedämmte Gebäude weiterhin benötigt. Denn Wärmepumpen arbeiten nur bis zu einer Vorlauftemperatur von etwa 55° C effizient. Danach sinkt ihr Wirkungsgrad markant und der Strombedarf schnellt nach oben.

Zwar gibt es neuerdings Wärmepumpen für hohe Vorlauftemperaturen. Doch auch sie können die Physik nicht überlisten. 

Solche Geräte erzielen Jahresarbeitszahlen um 2, während herkömmliche Wärmepumpen bei Vorlauftemperaturen zwischen 40 und 45° C Jahresarbeitszahlen von 3,3 bis 5 erbringen. Sie sind also gut und gerne doppelt so energieeffizient.

 

DER MIX AUS MASSNAHMEN ENTSCHEIDET

Obiges Beispiel spricht keinesfalls gegen den Einbau einer Wärmepumpe – auch nicht gegen den eines Hochtemperatur-Modells. Doch lohnt es sich, vor einem Heizungsersatz sämtliche Varianten durchzuspielen und kühl zu rechnen. Denn die MuKEn 2014 sind in erster Linie Vorschriften. Sie zu erfüllen bedeutet nicht automatisch, eine langfristig sinnvolle Sanierungslösung gefunden zu haben.

Was gilt es zu beachten? Je mehr man die Energieeffizienz eines Gebäudes verbessert, desto freier ist man bei der Wahl des Heizsystems – und desto kleiner dimensioniert, günstiger und effizienter ist sie. Auf der anderen Seite wird es nüchtern rechnenden Eigentümern schnell auffallen, dass die Kosten für eine effiziente Wärmedämmung fast schon exponentiell steigen, je effektiver sie sein soll. Es gilt also, das individuell beste Kosten-Nutzen-Verhältnis der verschiedenen Massnahmen zu finden. Damit sich dieses realisieren lässt, ist frühzeitige Planung erforderlich. 

INFO

PRAXISBEISPIEL HEIZUNGSERSATZ

Das Einfamilienhaus im Tessin hat Baujahr 1964 und eine beheizte Wohnfläche von 109 m2. Durch ein klug gewähltes Zusammenspiel verschiedener Massnahmen gelang es, den Wärmebedarf um mehr als das Vierfache zu reduzieren und so die Gebäudeklasse von G in A zu verbessern:

Gebäudehülle
- Neue Fenster
- Dämmung des Daches mit 260 mm Mineralwolle
- Dämmung des Mauerwerks mit 200 mm Mineralwolle
- Dämmung des Bodens mit 260 mm Zellulose (Ausflockung)


Gebäudetechnik
- Ersatz Elektroboiler durch Warmwasserspeicher, der an Heizung angeschlossen ist.
- Ersatz der Ölheizung durch Luft-Wasser-Wärmepumpe.


Jährlicher Energiebedarf (berechnet)
- vorher: 27'500 kWh
- nachher: 6'400 kWh


Investitionskosten
- Kosten Erneuerung: 91'000 Fr.
- Fördergelder und Steuerabzüge: 30'000 Fr.
- Verbleibende Total: 61'000 Fr.


Eingesparte Kosten und Amortisation
- Energiekostenersparnis pro Jahr: ca. 6300 Fr. (bei 0,3 Fr./kWh)
​​​​​​​- Die Sanierungsmassnahmen amortisieren sich in diesem Beispiel innerhalb von 10 Jahren. 

Quelle: EnergieSchweiz


HEIZUNGSERSATZ: FRÜHZEITIG PLANEN STATT REAGIEREN

Wann sollte man mit der Planung beginnen? Eine Heizungsanlage hält gemäss Lebensdauertabelle etwa 15 bis 20 Jahre, in Realität sind es oft mehr. Spätestens wenn die Heizung 10 Jahre alt ist, sollte man sich jedoch über energetische Sanierungsmassnahmen und den Heizungsersatz Gedanken machen und einen Sanierungsplan zu erstellen. Nur so lässt sich für ein Gebäude das effizienteste Massnahmenpaket mit dem besten Kosten-Nutzenverhältnis definieren.

Dazu empfiehlt sich der GEAK Plus. GEAK steht für den Gebäudeausweis der Kantone im Energiebereich. Das amtliche Dokument bescheinigt, wie viel Energie ein Gebäude im Normbetrieb benötigt. Der Energiebedarf wird dazu mittels Energieetikette in die Klassen von A bis G eingeteilt. Der GEAK Plus erweitert den GEAK durch einen umfassenden Beratungsbericht mit zwei bis drei auf das Gebäude zugeschnittenen Varianten für die energetische Modernisierung. Er kostet für ein Einfamilienhaus um die 2000 Franken, wobei er vielerorts mit Fördergeldern unterstützt wird und dadurch deutlich günstiger ist. 

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WAS BIETET DER GEAK PLUS KONKRET?

Ergänzend zum Basis-GEAK bietet der   GEAK Plus folgende Zusatzleistungen:

  • eine konkrete und individuelle Massnahmenliste, die aufzeigt, wie sich die Energieeffizienz verbessern lässt
  • Vorschläge zur Etappierung der Sanierung (inklusive Heizungsersatz)
  • Priorisierung der Massnahmen, angepasst an die individuelle Situation – die Vorschläge können von einer einfachen Sanierung bis hin zu einer Sanierung nach Minergie-P-Standard reichen.
  • zwei bis drei konkrete Varianten für eine energetische Sanierung (Sanierungsplan)
  • mögliche Gebäudeerweiterungen und dazugehörige Berechnungen
  • eine Abschätzung der notwendigen Investitions- und Unterhaltskosten sowie Betriebskosteneinsparungen 
  • die Auflistung der in Frage kommenden Förderbeiträge und Steuerabzüge
  • neutrale Beratung und fachliche Unterstützung bei der Auswahl der Sanierungsmassnahmen


Wichtig: Der Leistungsumfang einer Energieberatung ist nicht klar definiert, und nicht alle Energieberaterinnen und -berater sind unabhängig. So können persönliche Präferenzen oder wirtschaftliche Verflechtungen eine Beratung wertlos machen.

GEAK-Fachleute sind hingegen spezialisiert auf Energieanalysen und -beratungen. Sie wurden aufgrund ihrer bauspezifischen Ausbildung und Berufserfahrung zertifiziert und bringen das notwendige Fachwissen mit sich. Doch auch hier gilt: Die Chemie muss stimmen. Es empfiehlt sich daher immer ein unverbindliches Vorgespräch.

Hier finden Sie weitere Informationen: Musterberatungsbericht - GEAK


DIE 11 STANDARDLÖSUNGEN

Befindet sich ein Haus in der Gebäudeklasse D oder schlechter, so schreiben die MuKEn 2014 für einen Heizungsersatz eine der folgenden Standardlösungen vor:

  • Standardlösung 1: Solaranlage als Ergänzung: Eine Solaranlage liefert künftig mindestens 10 Prozent erneuerbare Energie und erwärmt damit Wasser.
  • Standardlösung 2: Holzfeuerung: Holzfeuerung (üblicherweise eine Pelletheizung) für Heizung und Warmwasser. Vorteil: Sie arbeitet auch mit hohen Vorlauftemperaturen effizient (z.B. 1:1-Ersatz einer Öl- oder Gasheizung).
  • Standardlösung 3: Wärmepumpe: Umstieg auf eine Wärmepumpe für Heizung und Warmwasser. Wichtig: Niedrige Vorlauftemperaturen sind von Vorteil oder gar Voraussetzung für einen guten Wirkungsgrad. In vielen Fällen empfiehlt es sich daher, vorgängig die Energieeffizienz der Gebäudehülle zu verbessern.
  • Standardlösung 4: Gas-Wärmepumpe: Hier heizt man noch mit einem fossilen Brennstoffen, allerdings mit gesteigerter Effizienz und reduziertem CO2-Ausstoss. Mit Biogas lässt sich das System sogar zu 100 % durch erneuerbare Energie betreiben.
  • Standardlösung 5: Fernwärme: Ein Anschluss ans Fernwärme-Netz ersetzt die alte Heizung.
  • Standardlösung 6: Wärmekraftkopplung: Die Wärmekraftkoppelung muss mindestens 60 Prozent des Wärmebedarfs für Raumwärme und Warmwasser decken und der elektrische Wirkungsgrad muss 25 Prozent oder mehr betragen.
  • Standardlösung 7: Wärmepumpenboiler mit Photovoltaik: Die Umweltfreundlichkeit der Wassererwärmung wird durch Solarstrom aus eigener Photovoltaikanlage erhöht.
  • Standardlösung 8: Neue Fenster: Alte Fenster werden durch neue mit einem U-Wert (Verglasung) von maximal 0,7 W/m2K ersetzt.
  • Standardlösung 9: Wärmedämmung: Die Fassade und/oder das Dach sowie der Kellerboden werden mit einer Wärmedämmung versehen.
  • Standardlösung 10: Bivalente Wärmeerzeugung: Dies beinhaltet eine Hybridheizung, welche die Grundlast mit erneuerbarer Energie (z.B. Wärmepumpe) und die Spitzenlast an wenigen Kältetagen durch einen fossilen Brennstoff deckt.
  • Standardlösung 11: Mechanische Wohnungslüftung: Die Lüftung muss dabei mindestens 70 % der Wärme in der Abluft zurückgewinnen.