Natürliche Baustoffe
Auch bei Häusern zählen die inneren Werte: Natürliche Baustoffe sind umweltverträglich und sie sorgen für ein gesundes Wohnklima. Ein Überblick.
Text — Raphael Hegglin
Im internationalen Vergleich schneidet die Schweizer Bausubstanz hervorragend ab. Unsere Häuser sind in der Regel solide gebaut, gut verarbeitet und halten viele Jahrzehnte – teilweise Jahrhunderte. Trotzdem gib es einige Punkte, die aus heutiger Sicht anders gemacht werden müssen. Neben der schlechten Energieeffizienz von Altbauten gelangen zunehmend auch die Baubiologie und die graue Energie in den Fokus.
Die graue Energie eines durchschnittlichen Einfamilienhauses lässt sich mit etwa 200'000 kWh beziffern. Es ist jene Energiemenge, die für Herstellung und Transport der Baumaterialien, den Bau des Hauses und dessen späteren Abriss inklusive Entsorgung und Recycling erforderlich ist. Mit dieser Energiemenge lässt sich ein nach den heutigen Vorschriften erstelltes Einfamilienhaus 40 bis 50 Jahre lang beheizen. Das zeigt: In Bezug auf den Umweltschutz ist die graue Energie ein ebenso wichtiger Faktor wie die Energieeffizienz.
CO2-SCHLEUDER ZEMENT
Ein umweltverträgliches Haus ist daher nicht nur energieeffizient, sondern auch aus möglichst Schadstoff-, Energie- und CO2-armen Materialien erstellt. Negativ in die Schlagzeilen geraten ist diesbezüglich zum Beispiel Zement: Seine Produktion verursacht etwa 8 % des weltweiten CO2-Ausstosses – mehr als das Doppelte der Luftfahrt.
Der enorme CO2-Ausstoss der Zementindustrie liegt nicht nur am hohen Energieaufwand für die Produktion, sondern auch am Produkt selbst. Denn gebrannter Kalk, ein unverzichtbarer Hauptbestanteil von Zement, kann man nur unter Abspaltung von CO2 erzeugen. Zement, wie wir in heute kennen, lässt sich daher gar nicht CO2-neutral herstellen.
BAUEN OHNE SCHADSTOFFE
Zement ist nur ein Beispiel eines Baustoffs mit schlechter Umweltbilanz. Ebenfalls hohe Mengen an Energie benötigt es zum Beispiel, um Stahl, Aluminium oder Backstein herzustellen. Doch durch welche Produkte lassen sich diese bewährten und dauerhaften Materialien ersetzen? Es liegt auf der Hand, dass sich hier vor allem natürliche Rohstoffe sowie rezyklierte Baumaterialien anbieten.
Naturstoffe bieten einen weiteren Vorteil: Sie sind in der Regel frei von Schadstoffen. Auch das ist ein Punkt, der immer wichtiger wird. Denn in der Vergangenheit, insbesondere in den Jahren zwischen 1960 bis 1990, hat man zahlreiche Baustoffe verbaut, die gesundheitsgefährdende Verbindungen freisetzen können (siehe Infobox «Gefahr durch Altlasten»). Doch heute bieten sich für Sanierungen und Neubauten Alternativen an:
1 - FUNDAMENT
Als Fundament hat Stahlbeton seine unschlagbaren Vorteile: Er ist belastbar, dicht und weist eine lange Lebensdauer auf. Die Umweltbilanz von Stahlbeton lässt sich verbessern, indem man rezyklierten Stahl sowie Recyclingbeton einsetzt. Letzter besteht zu gewissen Teilen aus Gesteinskörnung, die aus Beton- und Mischabbruch hergestellt wurde. Damit sinkt der Anteil an neu abgebautem Sand und Kies. Recyclingbeton belastet die Umwelt daher um etwa 30 % weniger als herkömmlicher Beton (Methode der ökologischen Knappheit, UBP-Methode).
Alternativen zum Betonfundament gibt es im traditionellen Hausbau kaum. Zwar lassen sich Einfamilienhäuser auch auf Ressourcen-schonende Punktfundamente setzen, ebenfalls gibt es Häuser, die auf sogenannten Schraubfundamenten stehen. Es handelt sich dabei um schraubenförmige, ins Erdreich eingedrehte Stahlrohre, auf denen das Haus ruht. Eine Unterkellerung ist bei Punkt- und Schraubfundamenten allerdings nicht möglich, man findet sie hierzulande an Häusern daher kaum.
2 - TRAGENDE KONSTRUKTION
Sie besteht aus Stützen, tragenden Mauern und Geschossplatten. Im Leicht- bzw. Holzbau werden sie aus Massivholz oder Holzwerkstoffen hergestellt. Fachgerecht erstellt Holzhäuser weisen eine bessere Umweltbilanz als Massivbauten auf, punkto CO2-Bilanz schliessen sie besonders gut ab. Voraussetzung ist allerdings, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und nicht über lange Transportwege angeliefert werden musste. Holz aus der Schweiz oder dem nahen Ausland ist hier klar erste Wahl.
Der Baustoff Holz hat gegenüber Beton und Mauersteinen auch Nachteile: Er ist brennbar und bietet keinen guten Schallschutz, ebenso schirmt er kaum vor elektromagnetischer Strahlung ab. Diese Nachteile lassen sich durch konstruktive und bauliche Massnahmen beheben. Moderne Holzbauten können die Anforderungen an den Brand- und Schallschutz problemlos erfüllen – allerdings setzt das Spezialwissen und Erfahrung seitens der Architekten und Planer voraus. In Billig-Fertighäusern und nicht fachgerecht erstellten An- und Erweiterungsbauten aus Holz kommt es immer wieder zu Problemen mit dem Schallschutz.
Bauen mit Lehm liegt ebenfalls im Trend, die Ökobilanz dieses Rohstoffes ist besonders gut. Neuerdings wird an Häusern geforscht, deren tragende Konstruktion aus Lehm gefertigt ist. Ein Beispiel dafür ist das Haus Rauch der österreichischen Architekten Roger Boltshauser und Martin Rauch, welches sie aus Lehmziegeln erbaut haben. Noch weiter geht Architekt Mario Cucinella mit seinen TECLA-Häusern: Sie werden mit einem 3-D-Drucker komplett aus Lehm erstellt, in ihnen steckt nur ein Bruchteil jener grauen Energie, welche für den traditionellen Hausbau erforderlich ist.
INFO
MINERGIE-ECO
Minergie-ECO ist der Schweizer Gebäudestandard für gesundes, kreislauffähiges und ökologisches Bauen. Mit dem Label werden nicht nur Gebäude zertifiziert, sondern auch Bauteile und Baustoffe ausgezeichnet. Zur vereinfachten Auswahl geeigneter Produkte hat der Verein eco-bau das eco-Produkteverzeichnis geschaffen: www.ecobau.ch
3 - FASSADENVERKLEIDUNG
Fassadenmaterialien sind Feuchtigkeit, UV-Strahlung, hohen und tiefen Temperaturen, Winddruck, Hagel und vielen weiteren Belastungen ausgesetzt. In Frage kommen daher nur robuste, dauerhafte Materialien. Entscheidend für ihre Umweltverträglichkeit ist nicht nur das Material, sondern auch die Lebensdauer einer Fassade. Ob zum Beispiel Holz die umweltfreundlichere Materialwahl ist als Faserzement, hängt massgeblich von der Konstruktionsweise des Hauses ab: Ist die Holzfassade ständig Regen und Feuchtigkeit ausgesetzt, wird sie deutlich weniger lange halten, als wenn sie durch ein auskragendes Dach geschützt wird. Punkto Wetterbeständigkeit gibt es zudem grosse Unterschiede beim Holz: Während Lärchen- oder Douglasienholz selbst naturbelassen witterungsbeständig sind, kommt zum Beispiel das Holz der Papel oder Fichte kaum ohne Wetterschutz-Anstrich aus.
Neben Holz ist Naturstein ein weiterer natürlicher Baustoff, der sich als Fassadenverkleidung eignet. Um ihn zu gewinnen und zu transportieren, ist vergleichsweise viel Energie erforderlich. Auf der anderen Seite sind Steinfassaden ausgesprochen langlebig, was den Energieaufwand rechtfertigt und seine Umweltbilanz verbessert. Kommt das Gestein aus der Schweiz oder dem nahegelegenen Ausland, sind Steinfassaden daher nicht nur schön anzusehen, sondern auch nachhaltig.
4 - DÄMMMATERIALIEN
Als Dämmstoffe eignen sich Materialien, die grosse Mengen Luft speichern. Denn Luft hat eine hohe Isolationsfähigkeit, sie leitet Wärme nur schlecht. Dank der eingeschlossenen Luft halten Dämmstoffe Wärme etwa zehnmal besser zurück als Mauerziegel – und etwa 50-mal besser als nackter Stahlbeton. Nach demselben Prinzip funktioniert übrigens unsere Winterbekleidung: 100 g hochwertige Daunen speichern zum Beispiel etwa 40 Liter Luft.
Die gebräuchlichsten Dämmstoffe sind EPS und XPS aus Polystyrol (im Volksmund als Styropor bezeichnet) sowie Mineralwolle. Polystyrol ist ein Erdölerzeugnis, Mineralwolle ist ein aus Stein oder Glas hergestelltes Naturprodukt. Punkto Umweltbilanz schliessen alle in etwa gleich gut ab. Neuerdings stellt die Firma Flumroc ihre Steinwolle allerdings in einem Elektroofen her, der mit Strom aus Wasserkraft betrieben wird. Die Umweltbilanz liess sich dadurch markant verbessern.
In den letzten Jahren konnten sich zunehmend Dämmstoffe aus nachwachsenden Ressourcen etablieren – unter anderem Zellulosefasern aus Holz oder Papier, Schafwolle, Kork und Hanf. Dämmstoffe aus Holzfasern oder Hanf erreichen heute fast die Dämmwerte von EPS und Mineralwolle: Sie sind noch etwa 15 % geringer, dafür verursacht ihre Produktion vergleichsweise wenig CO2, wodurch sie mit einer guten Umweltverträglichkeit punkten. Sie bieten jedoch nur einen mittelmässigen Brandschutz, in diesem Punkt ist Mineralwolle klar im Vorteil. Andere natürliche Dämmstoffe wie Kork und Schafwolle sind nach wie vor Nischenprodukte. Sie erreichen nicht die Dämmwerte herkömmlicher Dämmstoffe, überzeugen dafür durch ihre besonders hohe Umweltverträglichkeit.
INFO
GEFAHR DURCH ALTLASTEN
In Altbauten können zahlreiche Schadstoffe vorhanden sein. Besonders gefährlich ist Asbest: Er kann in allen Gebäuden mit Baujahr bis 1990 vorkommen. Solange asbesthaltige Bauteile unbeschädigt sind, besteht kaum Gefahr. Werden sie hingegen zerbrochen, angeschliffen oder durchbohrt, entsteht äusserst gefährlicher Asbest-Feinstaub. Dieser kann Tumore im Brust- oder Bauchfell sowie Lungenkrebs verursachen. Materialien, die Asbest enthalten, dürfen daher nur von Fachpersonen unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorschriften entfernt und entsorgt werden.
Enthalten ist Asbest unter anderem in Boden, Wand- und Deckenbelägen, Faserzementplatten an Dach und Fassade, Elektrotableaus mit asbesthaltigen Platten, Brandschutz- und Haustechnikisolationen sowie alten Blumenkisten aus Eternit. Besonders häufig ist Asbest in Plattenklebern anzutreffen. Bevor man Küche, Bad oder WC sanieren kann, muss daher geprüft werden, ob hinter den Plättli Asbest vorhanden ist.
Zahlreiche Giftstoffe können zudem in Holz vorhanden sein: Dieses hat man vor allem zwischen 1960 und 1990 mit gesundheitsgefährdenden Holzschutzmitteln behandelt. Darunter krebserregendes PCP sowie das Insektizid Lindan. Diese Mittel bauen sich nur sehr langsam ab und können daher auch nach Jahrzehnten noch freigesetzt werden. Wer umbaut, sollte daher vorgängig abklären, ob im Gebäude Altlasten vorhanden sind und diese gegebenenfalls fachgerecht entsorgen lassen.
5 - INNENWÄNDE
Lehm zählt zu den ältesten Baustoffen überhaupt. Er ist fast überall natürlich vorhanden und lässt sich mit wenig Aufwand abbauen – entsprechend gut ist seine Ökobilanz. Doch nicht nur das: Mit Lehm verputzte Wände sorgen für einen hervorragenden Feuchtigkeitsaustausch, absorbieren Gerüche und schlucken Schall. Lehm in den Innenräumen sorgt daher für eine hohe Wohnqualität und liegt im Trend. Lehm ist allerdings nicht so tragfähig wie beispielsweise Gips. Es ist daher schwierig und teilweise nicht möglich, an Lehmwänden Bilder und Regale aufzuhängen.
Feuchtigkeitsregulierend und Schimmel-hemmend wirkt Kalkputz. Der eignet sich daher auch für Feuchträume.Naturbelassen ist er weiss, mit Farbstoffen lässt er sich auf Wunsch färben – die Auswahl an Farbvarianten ist riesig. Doch nicht jeder Kalkputz ist heute ein Naturprodukt: Vielen Produkten werden Zusatzstoffe wie Zement oder Fasern beigemischt. Kalkputz lässt sich so zwar leichter verarbeiten, verliert dadurch aber auch viele seiner positiven Eigenschaften. Soll Kalk für gute Wohnraumqualität sorgen, empfiehlt sich ein reines, naturbelassenes Produkt.
6 - BÖDEN
Ob Holz, Naturstein, Teppich oder Linoleum: Bei den Bodenbelägen haben sich Naturprodukte längst durchgesetzt. Doch welche davon sind umweltfreundlich? Für Parket und Co sollte das Holz mit dem FSC-Label gekennzeichnet sein (Forest Stewardship Council). Für Naturstein gibt es unter anderem das Fair-Stone-Label. Es zielt vor allem auf den sozialverträglichen Abbau von Gestein, sagt aber kaum etwas über die graue Energie aus, die in einem Produkt steckt. Wer sicher gehen möchte, wählt regional erzeugte Produkte. Für Linoleum, Teppich und andere Bodenbeläge gibt es ebenfalls Umweltlabels wie der Blauer Engel und das PFC-Siegel für Nachhaltigkeit.