Foto: Eigo (Heer Systeme AG)

Ergonomie in der Küche

Die schönsten Küchenfronten, die modernsten Geräte, das schnittigste Design: Alles gut und recht. In der Küche wird aber in erster Linie gearbeitet. Entsprechend wichtig ist die Ergonomie.

Text — Thomas Bürgisser

 

Ein ergonomischer Arbeitsplatz ist für viele ein Thema aus dem Berufsalltag. Aber auch zuhause wird gearbeitet. In der Küche zum Beispiel. Zwischen eineinhalb und rund drei Jahre unseres Lebens verbringen wir dort. Entsprechend wohl sollten wir uns fühlen, auch körperlich. So dankt es einem etwa der Rücken, wenn die Arbeitsplatte auf der richtigen Höhe ist. Bei einer Körpergrösse von 165 Zentimeter ist dies ungefähr auf 90 Zentimeter, bei 185 Zentimeter Körpergrösse auf 105 Zentimeter. Wobei: Entscheidend sind vor allem die Ellbogen. Bequem hinstellen, Hände auf eine imaginäre Arbeitsplatte legen – jetzt sollte zwischen Höhe Ellbogen und Arbeitsplatte ungefähr 20 Zentimeter Abstand sein. Die Spüle wiederum liegt 10-20 Zentimeter höher, da man dort ja nach unten greift, während der Kochherd rund 10-20 Zentimeter tiefer liegt, damit man gut in die Pfannen sieht. Hier gilt es gleichzeitig darauf zu achten, dass man seinen Kopf nicht ständig an der Dunstabzugshaube anstösst: Ideal sind höhenverstellbare oder schräg abfallende Modelle.

TIPP

DIE IDEALE HÖHE

Grundsätzlich sollten bei der Berechnung der Arbeitsflächenhöhe die Ellbogen ausschlaggebend sein (20 Zentimeter zwischen Höhe Ellbogen und Arbeitsplatte). Die Körpergrösse aber kann zumindest einen Anhaltspunkt geben.

KÖRPERGRÖSSE ARBEITSFLÄCHE
160 cm 85 cm
165 cm 90 cm
170 cm 90 cm
175 cm 95 cm
180 cm 100 cm
185 cm 105 cm

 


Es gibt auch Küchen, deren Arbeitsbereiche im Ganzen höhenverstellbar sind. Eine etwas grössere Investition, die sich aber bei sehr unterschiedlichen Körpergrössen im Haushalt lohnen kann. Eine Alternative dazu sind Sitzgelegenheiten zum Arbeiten. So oder so nicht schlecht, auch mit dem Hintergedanken, dass eine Küche bis zu dreissig Jahre Bestand haben soll – und wir alle älter werden. Spätestens dann ist man auch froh, wenn sich im Unterbau vor allem Schubladen finden. So kommt man ohne hinknien auch in den hintersten Winkel des Schrankes. Für Oberschränke wiederum gilt: Nicht höher als 35 Zentimeter über Körpergrösse. Und sonst braucht es zumindest eine trittsichere, kleine Leiter.
 

DER EXPERTE

Othmar Brügger,
Leiter Forschung Haus und Sport, Beratungsstelle für Unfallverhütung

SO WERDEN UNFÄLLE IN DER KÜCHE VERHINDERT


Othmar Brügger, wo in der Küche passieren am meisten Unfälle?
Grundsätzlich ist die Küche jetzt nicht der häufigste Unfallort im Haus. Aber es sind doch rund 40‘000 Unfälle pro Jahr in der Schweiz. Es kommt vor allem zu Verbrennungen und Schnittverletzungen. Aber auch Stürze sind nicht selten, sei es, weil man etwas aus einem hohen Küchenschrank holt, oder beim Herumgehen, weil es zum Beispiel rutschig ist.

Lassen sich Gefahrenherde bereits beim Bau einer Küche minimieren?
Zentral ist sicher die Gleitfestigkeit des Bodens. Plant man rechts und links von Herd und Spüle ausserdem genügend Manövrierfläche ein, mindert das später die Gefahr vom Verschütten heisser Flüssigkeiten. Küchenoberschränke sollten nicht zu hoch, also immer gut erreichbar sein. Oder es muss zumindest eine stabile Aufstiegshilfe griffbereit sein. Ich habe zum Beispiel in der Fussleiste eine
dreistuftige Aufstiegshilfe untergebracht, die ich jederzeit rausnehmen kann. Vor allem für ältere Leute können auch hervorstehende Griffe, an denen man hängen bleibt, oder halb geschlossene Schubladen zur Stolperfalle werden. Und nicht zuletzt ist eine gute Beleuchtung elementar.

Und was gilt es im Alltag zu beachten?
Dass es nicht zu hektisch wird in der Küche, dann passieren die meisten Unfälle. Oft noch in Kombination mit Alkohol. Kinder wiederum müssen immer begleitet werden. Ein Herdschutz gehört dazu. Gleichzeitig soll man Kinder aber auch mithelfen lassen in der Küche, schliesslich sollen sie auch die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln können.


ARBEITSBEREICHE RICHTIG ORGANISIEREN

Auch Backofen, Kühlschrank und andere Geräte sollten nicht tiefer als 55 Zentimeter ab Boden eingebaut sein. Am angenehmsten zu bedienen sind sie aber schlicht in aufrechter Haltung. Das gleiche gilt für den Geschirrspüler, den es inzwischen mit schwenkbarem Unterkorb für ein einfacheres Ausräumen gibt. Wer Geschirr, Gläser, Besteck usw. gleich in der Nähe des Geschirrspülers lagert, spart sich ausserdem so manchen Laufmeter. Allgemein geht es bei der Ergonomie nicht nur um die optimale Höhe, sondern auch um richtige Arbeitsabläufe. Dabei stehen vor allem die Bereiche Vorbereiten, Kochen und Spülen im Zentrum. Diese sind am praktischsten im Dreieck angeordnet.
 

CHECKLISTE

ZEHN FRAGEN, DIE ES ZU KLÄREN GILT:

  • Wer im Haushalt arbeitet am häufigsten in der Küche? Auf diese Person sollte das meiste
  • abgestimmt sein.
  • Wie sieht ein Tagesablauf aus? Wird häufig nur aufgewärmt, ist man nur zum Morgenessen zuhause usw.?
  • Welche Tätigkeiten werden in der Küche am häufigsten gemacht? Geschirrspüler ausräumen, von Hand abwaschen, Gemüse rüsten?
  • Inwieweit sollen auch Kinder in der Küche mithelfen können?
  • Ist Barrierefreiheit ein wichtiger Aspekt? Oder gibt es andere Beeinträchtigungen zu berücksichtigen?
  • Gibt es Linkshänder unter den häufigen Küchennutzern?
  • Was soll/muss wirklich alles in der Küche Platz finden? Gibt es zum Beispiel auch einen separaten Vorratsraum?
  • Wie lange beziehungsweise bis zu welchem Alter der Hausbewohner soll die Küche mindestens halten?
  • Welche Küchengeräte sind so oder so unabdingbar und können fix eingebaut werden, anstatt dass sie freistehend Platz von der Arbeitsfläche nehmen?
  • Wie viel natürliches Licht gibt es, wie viel künstliches braucht es?


In diesem Arbeitsdreieck sollte man möglichst frei herumwirbeln können. Das heisst auch, dass der Boden nicht rutschig ist und keine Teppiche als Stolperfallen herumliegen. Ansonsten besteht höchste Unfallgefahr, vor allem für ältere Personen (siehe Experteninterview unten). Allgemein sollte dem Altersaspekt grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden. So schafft man für Kinder am besten Bereiche ausserhalb dieser Arbeitszone. Ältere Personen wiederum kämpfen nicht selten mit Touch-Bedienungen am Backofen oder vor allem am Kochherd. Hier können Drehknöpfe manchmal doch sinnvoller sein. Wobei um diese herum schwieriger zu reinigen ist. Und auch die einfache Reinigung Teil eines ergonomischen Arbeitsplatzes ist.
 

Foto: Sanitas Trösch
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