Grundriss, Innenausbau und Altlasten
Grundrisse in Altbauten entsprechen oft nicht dem Lebensgefühl von heute. Als zu eng, kleinteilig oder beengend wird die Zimmereinteilung empfunden. Doch wie weit lässt sich der Grundriss überhaupt ändern? Und wie geht man am besten vor?
Text — Raphael Hegglin
Früher waren Familien oft kinderreich. Wichtigstes Anliegen war es damals, möglichst viele Zimmer zu haben, um ausreichend Rückzugsorte zu schaffen. In zahlreichen Altbauten ist der Grundriss daher heute noch kleinteilig. Mit einer Innensanierung lässt sich das ändern – zumindest teilweise: Limitierende Faktoren sind in der Regel die statischen und bauphysikalischen Gegebenheiten. Sie geben vor, was überhaupt mit vernünftigem Aufwand realisierbar ist.
So lassen sich zum Beispiel tragende Wände nicht ohne weiteres entfernen, und Küche, Bad sowie WC müssen sich dort befinden, wo Wasser- und Abwasserleitungen vorhanden sind. Zwar lassen sich auch diese versetzen. Solch tiefgreifende bauliche Veränderungen sind jedoch mit hohen Kosten verbunden und sprengen oft das Budget. Trotzdem lohnt es sich, vor einer Innensanierung den Hausgrundriss zu überdenken. Denn fachgerecht geplant und zur richtigen Zeit realisiert, lässt er sich oft mit überschaubarem Aufwand an die heutigen Bedürfnisse anpassen. So sollte man vorgehen:
1. BESTANDESANALYSE
Vor der Wunschliste kommt die Analyse des bestehenden Grundrisses. Dazu geht man jeden Raum gedanklich durch und vermerkt auf einem Grundrissplan oder einer Skizze, für was der Raum aktuell genutzt wird, was an der Raumaufteilung gefällt und was verbessert werden könnte. Räume mit Sanitär- und Elektroinstallation wie Küche, Bäder und WCs werden speziell gekennzeichnet. Sie lassen sich eventuell vergrössern, ihre Position im Haus werden sie jedoch ziemlich sicher beibehalten.
2. BEDARFSANALYSE
Zuerst sollte geklärt werden, wie viele Zimmer man benötigt und für was diese gebraucht werden. Wünscht man sich weniger Zimmer und einen offenen Grundriss oder soll die
Zimmerzahl gleich bleiben, eventuell aber deren Flächen neu aufgeteilt sein? Ebenfalls wichtige Punkte sind Tageslicht und Frischluft. Je nachdem können transparente oder halbtransparente Innenwände für höhere Wohnqualität sorgen, oder eine neue Anordnung der Türen ermöglicht eine besser Luftzirkulation. Und: Mobile Trennwandsysteme machen Räume flexibel nutzbar. Sie ermöglichen es, auch bei wenig Wohnfläche einen offenen Grundriss zu realisieren – der sich bei Bedarf unterteilen lässt.
3. FACHGERECHTE PLANUNG
Mit der Bestandes- und Bedarfsanalyse hat die Bauherrschaft alles Erforderliche getan. Nun sind die Baufachleute am Zug. Sie werden prüfen, welche baulichen Eingriffe möglich sind und welche nicht. So lassen sich Statik und Bauphysik mit der Bedarfsanalyse und individuellen Wünschen in Einklang bringen. Erfahrene Fachpersonen sind kreativ und finden oft Lösungen, auf die Laien nie gekommen wären.
INFO
NEUER GRUNDRISS? AUF DAS KOMMT ES AN
- Art der Nutzung: Für welche Aktivitäten wird der Raum gebraucht?
- Arbeitsfluss und Ergonomie: Ein durchdachter Grundriss ermöglicht effiziente Abläufe.
- Licht, Luft und Schallschutz: Manche Räume erfordern mehr Licht und Frischluft, in anderen kann es schnell mal laut werden. Zimmer sollten auch nach diesen Kriterien nebeneinander angeordnet sein.
- Wohnen im Alter: Eine Innensanierung bietet die Chance, das Haus barrierefrei zu machen.
4. AUF SCHADSTOFFE PRÜFEN
In Altbauten sind oft schadstoffbelastete Bauteile vorhanden. In den meisten Fällen sind diese erst gefährlich, wenn sie freigelegt oder bearbeitet werden. Das am häufigsten vorkommende Problem ist Asbest: Alle Gebäude, die vor 1990 erbaut wurden, können davon betroffen sein. Weitere Gefahrenquelle sind Holz und Holzwerkstoffe: Sie wurden zwischen 1960 und 1990 teilweise mit gefährlichen, heute verbotenen Holzschutzmitteln behandelt. Vor einer Innensanierung sollte man daher immer abklären, ob irgendwo Altlasten schlummern.
5. BAUGENEHMIGUNG EINHOLEN
Umbauten in einem Haus sind in der Regel nicht bewilligungspflichtig – ausser es ändert sich damit die Nutzung oder der Brandschutz. Um eine Trennwand zu entfernen oder ein Badezimmer zu vergrössern, braucht es also keine Baugenehmigung. Soll ein Nebenraum zu beheiztem Wohnraum werden oder aus Wohnraum Gewerberaum entstehen, hingegen schon.
6. PLÄNE UMSETZEN
Entscheidend sind die richtigen Partner. Um diese zu finden, sollte man nicht bloss Offerten vergleichen. Ebenso wichtig sind Referenzen, die Erfahrung und Fachkenntnisse belegen. Seriöse Firmen können solche angeben – es lohnt sich auf jeden Fall, nachzufragen.
EINFAMILIENHÄUSER IM LAUFE DER ZEIT
Vor 1910
Wand- und Deckenaufbau sorgt oft für Überraschungen.
Decken und Wände bestehen häufig aus Holzbalken, Zwischenräume wurden mit Sand, Schotter oder Stroh aufgefüllt. Das Entfernen oder Sanieren solcher Konstruktionen ist oft aufwendig. Doch es bietet sich damit zusätzliche die Chance, den Schall- und Brandschutz zu verbessern. Da die Geschossböden aus dieser Zeit weniger tragfähig sind, macht das Erstellen neuer Wände teilweise zusätzliche Verstärkungen erforderlich. Hinter Innendämmungen kann Schimmel schlummern; eine grundlegende Sanierung ist dann besonders empfehlenswert.
1910 bis 1949
Stahlträger könnten durch Rost geschwächt sein.
Hohlräume in Decken und Wände wurden in dieser Zeit teilweise mit Bauschutt und anderen Abfällen aufgefüllt. Diese Füllmaterialien können Schadstoffe enthalten. Vor Beginn der Bauarbeiten sollte man daher die verbauten Materialien analysieren lassen. Zunehmend hat man in dieser Zeit Holzbalken durch Stahlträger ersetzt. Insbesondere an deren Auflagepunkten kann die Korrosion fortgeschritten sein. Bei einem Innenumbau sollte daher immer auch die Tragfähigkeit überprüft und gegebenenfalls verbessert werden.
1950 bis 1969
Abgetrennte, kleine Küchen lassen sich öffnen.
Küchen aus dieser Zeit sind oft kleine, abgetrennte Räume. Den heutigen Anforderungen entsprechen sie meist nicht mehr. Es reicht meist, eine Trennwand zu entfernen, um sie mit dem Wohnzimmer zusammenzulegen. Doch kann es sein, dass danach der Dunstabzug nicht mehr ausreichend ist und sich Küchengerüche im Haus verbreiten. Die Dunstabzugshaube muss daher eventuell neu positioniert oder grösser dimensioniert werden. Zusätzlich können natürliche Innenputze aus Lehm oder Kalk Gerüche neutralisieren und als Feuchtigkeitspuffer wirken.
1970 bis 1989
Kleine Schlafzimmer multifunktional nutzen.
Häuser aus dieser Zeit verfügen oft über ein grosses Elternschlafzimmer und kleine Kinderzimmer. Die kleinen Kinderzimmer lassen sich meist unkompliziert durch Zusammenlegen in grosse Räume verwandeln. In vielen Fällen empfiehlt es sich aber, eine Trennwand nur teilweise zu entfernen, sodass Nischen erhalten bleiben. Diese lassen zum Beispiel als Homeoffice oder für ein Gästebett nutzen. Kleine, aneinandergereihte Räume bieten also die Chance auf multifunktional nutzbaren Wohnraum – der sich immer wieder an ändernde Bedürfnisse anpassen lässt.
1990 bis 2009
Umgestalten, nicht umbauen heisst das Motto.
Altlasten findet man in Häusern dieser Epoche kaum noch, insbeson-
dere Asbest durfte nicht mehr verbaut werden. Die Grundrisse sind üblicherweise grosszügig und entsprechen den Anforderungen der heutigen Zeit. Es braucht wenig, um Räume umzugestalten, und vieles – wie zum Beispiel Wände streichen – lässt sich in Eigenregie bewältigen. Aufgrund der massiven Bauweise hallt es in den Räumen teilweise. Hier reicht es jedoch, diese mit Akustikpaneelen oder Wohnraumtextilien auszustatten. Für zusätzliche Nischen sorgen mobile Trennwände oder einfach montierbare Trennwandsysteme.
Fotos: Peter Hert / i-PRESSUM GmbH
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- Typologie des Schweizer Einfamilienhauses
- Dach und Keller
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- Heizung und erneuerbare Energie
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