So umweltfreundlich sind unsere Lebensmittel
Etwa 30 Prozent der Umweltbelastung gehen aufs Konto der Nahrungsmittel. Wie lässt sich dieser Wert verbessern? Der Teufel steckt wie so oft im Detail.
Text — Raphael Hegglin
Die Klima- und Umweltschutzdebatte macht auch vor unserem Essen nicht halt. Herstellung, Transport und Lagerung von Lebensmitteln verbraucht Energie – was zu CO2-Ausstoss führt. Hinzu kommt der umweltbelastende Einsatz von Kunstdünger sowie Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmitteln, Lebensmittelverpackungen und Desinfektionsmitteln. Insgesamt lassen sich laut EnergieSchweiz rund 30 Prozent der gesamten Umweltbelastungen der Ernährung zuordnen.
Allerdings: Aufs Essen verzichten kann niemand! Zudem sind die Vorlieben punkto Essen sehr individuell und kulturell verschieden. Kein Wunder, wird das Thema Ernährung emotional und teilweise undifferenziert diskutiert. Doch so unterschiedlich die Geschmäcker und Vorlieben sind: Auch bei der Ernährung besteht viel Verbesserungspotenzial.
ES BRAUCHT ALLE NÄHRSTOFFE
Die Wahl der Nahrungsmittel trägt massgeblich zum eigenen ökologischen Fussabdruck bei. Doch wie unterscheiden sich die einzelnen Nahrungsmittel? Zunehmend kritisiert wird der CO2-Ausstoss, welcher die Fleischproduktion verursacht. Plakative Vergleiche wie «1 Kilo Schweinefleisch verursacht gleich viel CO2 wie 80 Kilo Kartoffeln», sind jedoch eher rhetorischer Natur. Denn bekanntlich lassen sich Äpfel nicht mit Birnen vergleichen – und schon gar nicht das Schnitzel mit dem Härdöpfelstock.
Denn: Wir essen unterschiedliche Nahrungsmittel vor allem, um den Bedarf an den Hauptnährstoffen Kohlenhydrate, Fette und Proteine (Eiweisse) zu decken. So gibt es Lebensmittel, die eher als Kohlenhydratquelle dienen, andere liefern hauptsächlich Fette oder Proteine – der Körper braucht von allen. Das Schnitzel einfach durch Kartoffeln zu ersetzen, wäre daher weder zielführend noch gesund: Um den Tagesbedarf an Proteinen zu decken, müsste ein durchschnittlicher Mann mit 75 Kilogramm Körpergewicht täglich 30 Kilogramm Kartoffeln essen!
EINE FRAGE DER RECHNUNG
Während sich kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Getreide und Kartoffeln relativ einfach und in grossen Mengen herstellen lassen, sind Proteinquellen in der Natur rarer. Hauptsächlich erschliessen sie sich uns durch Fleisch und Milchprodukte sowie Hülsenfrüchte und Soja. Die letzten beiden gelten als die umweltfreundlicheren Varianten und werden dementsprechend beworben. So verursacht gemäss CO2-Rechner «klimatarier.com» die Produktion von 100 Gramm Pouletbrust 0,37 Kilogramm CO2, während es für 100 Gramm Tofu nur 0,17 Kilogramm sind.
Der Teufel liegt bei dieser Rechnung jedoch wie so oft im Detail: Denn in 100 Gramm Pouletbrust sind etwa 23 Gramm Protein enthalten, in Tofu nur etwa 8 Gramm. Berücksichtigt man dies, so verursacht es weniger CO2-Ausstoss, wenn man seinen Proteinbedarf durch Pouletbrust als durch Tofu deckt: In 100 Gramm reinem Protein aus Pouletfleisch stecken 1,6 kg CO2, bei Tofu sind es 2,1 Kilogramm. Zudem: Die Frage, ob man besser tierische oder pflanzliche Proteine herstellt, stellt sich im Alpenland Schweiz vielerorts nicht. Denn in höheren Lagen wächst – klimabedingt – anstelle von Kulturpflanzen nur noch Gras. Dort Nahrungsmittel zu produzieren, ist daher lediglich mit grasfressenden Tieren wie Kühen und Ziegen möglich.
INFO
UMWELTFREUNDLICHER HAHNENBURGER
Leitungswasser in der Schweiz hat nicht nur eine hervorragende Qualität, es ist auch wesentlich umweltfreundlicher als in Flaschen abgefülltes Wasser. So steckt in einem Liter Flaschenwasser die Energie von bis zu drei Dezilitern Öl (für Abfüllung, Verpackung und Transport). Flaschenwasser belastet damit die Umwelt bis zu 1000 Mal mehr als Leitungswasser.
CO2 IST NUR EIN FAKTOR
Umweltschutz auf den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren, greift zu kurz: Eine Ökobilanz beinhaltet weitere Faktoren wie Schadstoffausstoss (Umweltgifte), Landverbrauch und durch die Produktionsmethode verursachtes Artensterben. Ein Beispiel: Die CO2-Emission von 100 Gramm Avocado liegt bei nur etwa 0,05 Kilogramm. Um sie anzupflanzen, holzt man in Mexiko jedoch immer mehr Regenwald ab. Laut Jaime Navia Antezana von der mexikanischen Umweltschutzorganisation Gira sollen es jährlich bis zu 4000 Hektar sein. Hinzu kommen die Pestizide, die dort das Trinkwasser verunreinigen, sowie der enorme Wasserverbrauch der Plantagen.
Wie lässt sich die Ökobilanz der eigenen Ernährung nun konkret verbessern? Saisonale, lokal produzierte Lebensmittel haben klare Vorteile: Sie müssen nicht von weit hertransportiert und auch nicht lange im Kühlhaus gelagert werden. Die Art, wie Lebensmittel produziert werden, spielt ebenfalls eine grosse Rolle. Laut EnergieSchweiz enthalten zum Beispiel Freilandtomaten, die auf natürlichem Boden wachsen, fast viermal weniger graue Energie als Hors-sol-Tomaten aus dem Gewächshaus.
MÖGLICHST KEINE VERPACKUNG
Ins Gewicht fallen auch Lebensmittelverpackungen. Sie können die Umweltverträglichkeit jedes Lebensmittels drastisch verschlechtern. Hier lautet das Credo: Je weniger, desto besser – und wenn, dann möglichst kein Plastik. Es ist daher zum Beispiel fraglich, wie gut das Karma farbenfroh verpackter Fertiggerichte tatsächlich ist. Steuern lässt sich auch, wo man einkauft.
Der Weg zum Laden um die Ecke ist umweltverträglicher als die Fahrt im Auto zum Supermarkt oder gar ins benachbarte Ausland. Auch hier gilt: Weniger ist mehr – ebenso wie bei der Menge des Essens selbst. Denn wer zu viele Lebensmittel einkauft und diese dann verderben lässt, tut der Umwelt definitiv keinen Gefallen – egal, ob die Tomaten und nun «bio» waren oder nicht.