Altlasten im Haus
«Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist»: Das erkannte der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus bereits im 16. Jahrhundert. Ob etwas giftig ist, hängt also von der Dosis ab. Diese kritische Dosis kann auf einmal erreicht werden oder durch jahrlanges Anreichern im Körper.
Text — Raphael Hegglin
Im zweiten Fall spricht man von chronischer Vergiftung. Solche Vergiftungen sind meist nicht tödlich, sie kommen jedoch schleichend und werden oft zu spät erkannt. Häufige Folgen chronischer Vergiftungen sind Atembeschwerden, Migräne, Stoffwechselerkrankungen und in den schlimmsten Fällen Nierenversagen oder Krebs.
GEFAHR BEIM HEIMWERKEN
Leider hat die Baubranche in Vergangenheit zahlreiche Stoffe verwendet, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädigend erwiesen haben. Ein bekanntes Beispiel ist Asbest, das Asbestose und Lungenkrebs verursachen kann. Heute ist die Gefahr von Asbest bekannt und der Umgang mit dem Stoff gesetzlich geregelt. Gefahr besteht diesbezüglich hauptsächlich beim Heimwerken: Viele Hausbesitzer wissen nicht, dass Asbest auch in Plattenklebern und Bodenbelägen vorhanden sein kann.
Wer zum Beispiel alte Badezimmerplättli selbst entfernen möchte, sollte unbedingt zuerst durch eine Fachperson prüfen lassen, ob dahinter Asbest schlummert. Und auch im Umgang mit alten Holzkonstruktionen ist Vorsicht geboten, denn einige früher verwendete Holzschutzmittel wie Lindan oder DDT sind nicht nur giftig, sie lagern sich auch für lange Zeit im Körper ab.
DER EXPERTE
Fabian Imboden,
Geschäftsführer und Inhaber Moosfrei GmbH
REINIGEN SIE FASSADEN NICHT MIT HOCHDRUCK!
Mit der Zeit kommt es an Fassaden oft zu unschönen Verfärbungen durch Algenbefall, ebenfalls kann Moos wachsen. Wie stark ein Haus davon betroffen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Die Beschaffenheit der Fassade, die Art, wie gelüftet wird sowie die Lage des Objekts sind ausschlaggebend. Haben Algen und/oder Mooswachstum ein gewisses Ausmass angenommen, werden sie oft als störend wahrgenommen. In der Regel ist das etwa alle 8 bis 10 Jahre der Fall. Die Fassade befindet sich dann noch in einem guten Zustand, sodass sie noch nicht gestrichen werden muss. Algen und Moos sollen dann schonend entfernt werden. Keinesfalls sollte man zum Hochdruckreiniger greifen: Durch seinen starken Wasserdruck wird die Fassadenoberfläche beschädigt. Im ersten Moment erscheint zwar alles sauber, durch die nun poröse Oberfläche wachsen Algen und Moos aber umso schneller. Zudem wird nur oberflächlich entfernt, Algen in den tieferen Fassadenschichten überleben und beginnen wieder zu wachsen. Professionelle Algen- und Moosentfernung setzt daher auf Schutzmittel, die schonend auf die Fassade aufgetragen werden. Sie ziehen ins Material ein und sorgen dafür, dass Algen und Moos über Jahre im Wachstum gehemmt sind – ohne dass dabei die Fassade Schaden nimmt.
ZAHLREICHE GIFTE VORHANDEN
Asbest und mittlerweile verbotene Holzschutzmittel sind nur die Spitze des Eisbergs: In Häusern – selbst in Neubauten – können zahlreiche bedenkliche Stoffe vorkommen. Sie sind zwar nicht so giftig und gefährlich wie die erstgenannten, doch können sie das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen und Allergien auslösen.
Diese Schadstoffe sind nicht nur in der Bausubstanz, sondern auch in der Inneneinrichtung und zahlreichen Haushaltsprodukten vorhanden sein (siehe Infokasten). Grosses Gefahrenpotenzial beinhaltet auch Schimmel: Wo immer er auftritt, gehört er entfernt und nachhaltig bekämpft. Ebenfalls können durch die Luft Schadstoffe wie zum Beispiel Stickoxide ins Haus gelangen und sich dort anreichern.
Häufig wiederkehrende Kopfschmerzen, brennende Augen, gereizte Schleimhäute, Hautekzeme und Atembeschwerden sind daher Grund genug, um sich im Haus auf die Suche nach schädlichen Stoffen zu machen – insbesondere dann, wenn eine medizinische Untersuchung die Beschwerden nicht erklären konnte. Denn werden bedenkliche Materialien und Produkte aus einem Haus verbannt, verschwinden die Krankheitssymptome oft.
REIZSTOFFE IN DER RAUMLUFT
Nicht nur die Bausubstanz, auch die Inneneinrichtung kann Quelle von Schadstoffen sein. Wohl der bekannteste ist Formaldehyd. Diese Verbindung ist Bestandteil von Holzwerkstoffen wie Spanplatten. Formaldehyd kann eine allergische Reaktion auslösen, reizt die Schleimhäute, führt zu Augenbrennen und kann Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen verursachen. Das Problem mit Formaldehyd aus Möbeln ist seit langem bekannt. Seriöse Hersteller haben darauf reagiert und ihre Bindemittel-Rezepturen kontinuierlich verbessert, sodass die Formaldehyd-Emissionen gesunken sind. Allerdings gibt es keine verbindlichen gesetzlichen Richtlinien dazu. Mit dem Online-Handel und Möbeln aus unbekannter Quelle könnte sich das Problem wieder verschärfen.
Auch Reinigungsmittel und Raumdüfte können Schleimhäute und Augen reizen oder gar allergische Reaktionen verursachen. Insbesondere Allergikerinnen und Allergiker sollten Duftstoffe zurückhaltend einsetzen und keine stark riechenden Reinigungs- und Waschmittel verwenden – empfehlenswert sind biologische Reinigungsmittel. Und wichtig punkto Raumdüfte: Auch natürliche Essenzen können reizen und Allergien auslösen.
So schön sie sind: Zimmerpflanzen können für empfindliche oder allergisch reagierende Menschen problematisch sein – gehen aber oft vergessen. Symptome sind meist Schnupfen, Augenrötung, Husten oder gar Asthma, zudem können sich Kontaktekzeme auf der Haut bilden. Treten plötzlich Beschwerden auf, sollte daher immer auch an Pflanzen gedacht werden. Wird die verantwortliche (bzw. verdächtigte) Pflanze aus dem Zuhause entfernt, verschwinden die Symptome meist schnell.
CHECKLISTE
MÖGLICHE ALTLASTEN NACH BAUJAHR
- Baujahre bis ca. 1950: Krebserregende Parkettkleber, Asbest in Bodenbelägen, Plattenklebern und Verkleidungen, stark formaldehydhaltige Holzwerkstoffe, gesundheitsschädliche Holzschutzmittel
- Baujahre 1950 bis 1960: Gesundheitsschädliche Holzschutzmittel, insbesondere in Balken und in Dachstühlen (PCP, Lindan, DDT), asbesthaltige Elektrospeicheröfen, gesundheitsschädliche Parkettkleber und Abdichtungen, Asbest in Bodenbelägen, Plattenbelägen und Verkleidungen
- Baujahre 1960 bis 1980: Fassadenbekleidungen und Dacheindeckungen aus Asbestzement, gesundheitsschädliche Holzschutzmittel in Balken, Dachstühlen sowie in Wand- und Deckenverkleidungen (PCP, Lindan, DDT), Dachdämmungen mit potenziell krebserregender mineralischer Dämmung, stark formaldehydhaltige Spanplatten, asbesthaltige Fussbodenbeläge, Asbestpappe an Heizkörperverkleidungen, asbesthaltige Elektrospeicheröfen, gesundheitsschädliche Parkettkleber und Abdichtungen, Asbest in Bodenbelägen, Plattenklebern und Verkleidungen.
- Baujahre nach 1980: Gesundheitsschädliche Holzschutzmittel (PCP, Lindan, DDT) wurden bis in die Mitte der 1980er-Jahre eingesetzt und Asbest bis ins Jahr 1990 verbaut. Ab den 1990-er-Jahren haben strengere Vorschriften dafür gesorgt, dass die Zahl der Giftstoffe in den Häusern abnahm – ganz verschwunden sind sie aber bis heute nicht.
- Bemerkung: Bei Sanierungen und Teilsanierungen können Altlasten der betroffenen Jahre dazu gekommen sein.
ACHTUNG SCHIMMELPILZ
In Wohnräumen und Kellern am weitesten verbreitet sind der schwarze Schimmel, der grüne Schimmel und der weisse Schimmel. Es können aber auch rote und gelbe Schimmelarten auftreten. Nicht jede Schimmelart ist gleich giftig. Problematisch sind sie aber alle: Die Sporen aller Schimmelpilz-Arten können Allergien, Asthma und Kopfschmerzen auslösen und ihre Sporen können das Lungengewebe befallen und schädigen. Besonders gefährlich sind schwarze und der weisse Schimmelpilz-Arten, denn sie sind auch giftig. So kann zum Beispiel der am häufigsten vorkommende schwarze Schimmel «Aspergillus niger» schwere Infektionskrankheiten und Nierenerkrankungen auslösen.
Egal um welche Art von Schimmel es sich handelt: Er muss immer so schnell wie möglich entfernt werden. Denn Schimmelpilze sind nicht nur gesundheitsschädigend, sondern fressen sich auch tief ins Bauwerk und zersetzen es. Eine oberflächliche Reinigung genügt dann nicht mehr, da die Sporen in der Bausubstanz überleben und der Schimmel weiterwächst. So kann sich Schimmel mit der Zeit um ganzen Haus ausbreiten. Eine professionelle Schimmelentfernung ist dann zwingend.
Tritt Schimmel neu und kleinflächig auf, kann man ihn auch selbst entfernen. Dazu gibt es spezielle Schimmelentferner, meist reicht auch Gemisch aus 20 % Wasser und 80 % Brennsprit. Zurückbleibende Flecken lassen sich mit Wasserstoffperoxid bleichen und unsichtbar machen.
Es reicht jedoch nicht aus, den Schimmel nur zu entfernen. Es muss immer auch dessen Ursache bekämpft werden. Gründe für Schimmelwachstum sind zu hohe Luftfeuchtigkeit, Kondenswasser oder feuchtes Mauerwerkt. Bei zu hoher Luftfeuchtigkeit reicht oft regelmässiges Lüften. Kondenswasser und feuchtes Mauerwerk deuten hingegen auf Baumängel hin, die durch eine Fachperson behoben werden müssen.