Geschichte des Fensters
Fenster müssen unterschiedliche Aufgaben erfüllen – und sind für uns selbstverständlich. Doch seit wann gibt es sie überhaupt? Und was können moderne Fenster?
Text — Raphael Hegglin
«My home is my castle», heisst es – zumindest sinngemäss – seit der Jungsteinzeit. Damals, vor etwa 12'000 Jahren, begannen die Menschen erstmals, Häuser zu bauen. Von der Form her unterschieden sich ihre Langhäuser nicht stark von heutigen Behausungen mit Satteldach. Wobei damals sämtliche Baumaterialien aus der Natur stammten: Der tragende Ständerbau bestand aus Holzpfosten, mit Lehm verputzte Ruten dienten als Wände und das Dach war mit Stroh, Schilf oder Rinde bedeckt.
Eines fehlte damals: das Fenster. Denn erste Glasscheiben entwickelten erst die Römer, etwa 10'000 Jahre später. Bis zu diesem Zeitpunkt war Wohnen also eine eher düstere Angelegenheit. Licht gelangte nur durch offen gelassene Türen und schlitzförmige Wandlöcher ins Innere.
Die ersten Fenster wurden mit Tierhäuten verschlossen - wenigsten etwas Licht gelangte so hinein.
KAMPF UM LICHT, FRISCHE LUFT UND WÄRME
Der Wärmeverlust durch die Wandschlitze der Langhäuser war enorm. In der kalten Jahreszeit blieben sie daher meist durch Tierhäute verschlossen. Unsere Vorfahren mussten wohl ständig abwägen, ob es zuhause kalt oder düster und stickig sein soll. Den Römern gelang es später, im 2. Jahrhundert n. Chr., transparente Glasscheiben zu fertigen. Zur damaligen Zeit war dies ein bedeutender Fortschritt. Doch blieb dieses Fenster reichen Leuten vorbehalten. Die meisten Römerinnen und Römer mussten sich mit unverglasten Maueröffnungen zufriedengeben, den «fenestra». Von diesem Begriff stammt der heutige Name Fenster.
Der Niedergang des Römischen Reiches war mit zahlreichen kulturellen und technischen Rückschritten verbunden. So verschwanden auch verglaste Fenster: Im Mittelalter verschloss man Fensteröffnungen meist wieder mit dünnen Tierhäuten oder Pergament. Diese Materialien liessen zwar etwas Sonnenstrahlung durch, doch es blieb ein ständiger Kampf um Licht, frische Luft und Wärme.
EINE SCHEIBE MUSSTE REICHEN
Ab Ende des Mittelalters gelang es, Fensterglas in immer grösseren Mengen herzustellen. Doch es blieb ein Luxusgut: je grösser die eingebauten Fenster, desto reicher die im Haus wohnenden Personen. Meist schmückte das Glas nur Kirchen und Paläste. Bis ins 20. Jahrhundert existierten fast nur Sprossenfenster, Bleiglasfenster oder Butzenscheiben. Sie waren einfach verglast und hatten aus heutiger Sicht äusserst schlechte Dämmwerte. Auch liessen sich diese Fenster nicht oder nur umständlich öffnen. Doppelflügelige Fenster, die sich mit einem Griff einfach öffnen sowie schliessen lassen und zudem dicht sind, gab es nicht.
FENSTER UND IHRE BAUTEILE
Wohnkomfort hängt hauptsächlich von den Faktoren Wärme, Licht und Luftqualität ab – zudem muss es in einem Haus immer trocken sein. Massgeblich dafür verantwortlich sind die Fenster: Sie lassen Licht und bei Bedarf Frischluft in die Innenräume, behalten die Wärme drinnen und schützen vor Wind und Regen. Es verwundert daher nicht, dass Fenster stetig verbessert wurden und sich viele Forscherinnen und Forscher mit ihnen beschäftigen.
Doch woraus bestehen moderne Fenster? Ihre wichtigsten Komponenten sind der Blendrahmen (Rahmen), die Flügel, die Beschläge (Griff und Schliessmechanismus), die Scharniere – und die Verglasung: Diese ist heute standardmässig dreifach, was höchste Dämmwerte ermöglicht. Distanz zwischen den Scheiben schaffen Abstandhalter, der Radialverbund. Dieser sollte aus einem Material gefertigt sein, das Wärme möglichst schlecht leitet. Aluminium schneidet diesbezüglich schlechter ab als Edelstahl oder Kunststoff, wird aber immer noch verwendet. Die Räume zwischen den Glasscheiben sind heute zudem oft mit Edelgas gefüllt, was den Dämmwert weiter erhöht.
Zusätzlich sind die Scheiben moderner Fenster gegen innen beschichtet. Diese sogenannte Wärmeschutzbeschichtung sorgt dafür, dass Licht ungehindert durch Glas gelangen kann, Wärmestrahlung aber in den Raum zurück reflektiert wird, also drinnen bleibt.
Durch Fenster kommt viel Licht ins Haus hinein.
MATERIAL UND LEBENSDAUER
Für Fenster gibt es vier Material- bzw. Bauarten: Holzfenster, Holz-Metall-Fenster, Kunststofffenster und Aluminium-Fenster. Sie alle unterscheiden sich punkto Preis und Lebensdauer. In der Regel kosten hochwertige Fenster mit hoher Lebensdauer mehr als günstigere Modelle mit kürzerer Lebensdauer.
Holz-Metallfenster (und Metallfenster) punkten klar bei der Lebensdauer und sind besonders unterhaltsarm. Sie sind jedoch auch teurer als Kunststofffenster. Zumindest in der Beschaffung: Berücksichtigt man den gesamten Lebenszyklus und den Wartungsaufwand, dann relativieren sich die anfänglich höheren Investitionskosten. Holzfenster liegen preislich dazwischen. Ihre Lebensdauer kann hoch sein, allerdings nur bei fachgerechter Pflege. So müssen Holzfenster regelmässig neu gestrichen werden, sonst verwittern sie.
INFO
LÄNGST NICHT FERTIG ENTWICKELT
Die Meilensteine der Fenster-Technologie sind bis heute: 1. Verwendung von Glas, 2. Einsatz von grossflächigem Glas, 3. robuste, sichere Beschläge und 4. Doppel- und danach Dreifachverglasung, 5. automatisierte Fenster (selbständiges Öffnen und Schliessen). Bis jetzt ging es also vor allem um Licht, Luft und Energie. Damit ist nicht Schluss: Forscherinnen und Forscher aus verschiedensten Disziplinen arbeiten heute daran, dem Fenster weitere Funktionen zuzuordnen. Das könnte uns in Zukunft erwarten:
- Dimmbare Gläser verdunkeln auf Knopfdruck. Sie schützen vor Blicken und zu starker Sonneneinstrahlung. Schon heute sind Fenster mit elektrochromem Glas erhältlich.
- Fenster, die Strom produzieren, sind mit transparenten Solarzellen anstelle von herkömmlichem Glas ausgestattet. Schon heute erreichen Prototypen Wirkungsgrade von über 5 Prozent.
- Intelligente Fenster öffnen und schliessen nicht nach vorgegebenen Zeiten, sondern berücksichtigen auch den Wetterbericht, die Aussentemperaturen und aufkommenden
Regen. - Bildschirme lassen sich – zumindest im Labor – in Fenster einbauen und könnten dereinst Fernsehgeräte und andere Bildschirme ersetzen. Sind sie ausgeschaltet, sieht man nur ein leicht getöntes Glas und geniesst den Blick nach draussen.
- InDeWaG steht für Industrial Development of Water Flow Glazing Systems. Es handelt sich dabei um eine Fensterverglasung, in der Wasser zirkuliert und Sonnenwärme aufnimmt. Sie leitet diese an die Heizung weiter und verbessert so die Energieeffizienz.