Anbauen und aufstocken
Ob Dachausbau oder Dachaufstockung, Anbau oder Zusatzbau: Wohnraum-Erweiterungen stehen weit oben auf der Wunschliste von Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern. So klappt es mit der Umsetzung.
Text — Tanja Seufert
Die Gründe für einen Ausbau oder eine Aufstockung sind vielfältig. Zum einen stehen persönliche Bedürfnisse nach mehr Raum dahinter – etwa, wenn man einen Altbau übernimmt, der für die Familie zu wenig Platz bietet. Oder wenn sich der Haushalt vergrössert, sei es durch Nachwuchs oder wenn ein Mehrgenerationenhaus gewünscht wird. Zum andern können finanzielle Aspekte hinter dem Wunsch nach mehr Raum stehen, denn ein Ausbau erhöht den Wert einer Liegenschaft. Gewisse Gemeinden fördern die Verdichtung, so dass zum Beispiel Dachaufstockungen möglich sind (siehe auch Interview).
WELCHE ANBAUTEN UND AUSBAUTEN SIND MÖGLICH?
Wie sich ein bestehendes Haus erweitern lässt, hängt nicht nur von persönlichen Vorlieben ab, sondern in erster Linie von den Vorschriften. So müssen Grenzabstände zu benachbarten Grundstücken, Strassen und Wäldern sowie Höhenvorschriften eingehalten werden. Die Ausnützungsziffer indes schreibt das Verhältnis zwischen (Wohn-)Geschossflächen zur Grundstücksfläche vor – dieses hängt davon ab, in welcher Bauzone sich die Liegenschaft befindet.
Auch der Denkmalschutz oder die Vorschriften zum Ortsbild müssen berücksichtigt werden. Im Zweifel hilft das Hochbauamt oder die Baubewilligungsbehörde der Gemeinde weiter.
INFO
STEUERABZÜGE FÜR ANBAUTEN?
Grundsätzlich gilt: Werterhaltende Arbeiten – also solche, die den Wert des Hauses erhalten – lassen sich von den Steuern abziehen. Wertvermehrende Arbeiten – und dazu gehören die meisten Anbauten – sind nicht abzugsberechtigt, ausser, sie steigern die Energieeffizienz der Liegenschaft und /oder dienen dem Umweltschutz. Wer also das Dach dämmt, kann einen Teil der Kosten in der Steuererklärung angebe.
EINEN NEUEN RAUM SCHAFFEN
Den Wohnraum erweitern lässt sich, je nach Situation und Haus, auf unterschiedliche Arten: der Anbau eines neuen Raumes gehört zu den häufigsten Erweiterungen. Ein solcher Anbau wird zum Beispiel gemauert oder in Holzbauweise erstellt. So entsteht ein neuer Raum, etwa ein Homeoffice oder ein zusätzliches Schlafzimmer.
Von aussen betrachtet, heben sich solche Anbauten oft deutlich vom bestehenden Haus ab – ein Kontrast, der meist ausdrücklich gewünscht ist. Aus der «Not» wird eine Tugend gemacht: Statt zu versuchen, den Anbau so aussehen zu lassen, als sei er schon immer da gewesen, peppt er das Haus optisch auf. Dies gelingt zum Beispiel mit einer kontrastierenden Fassade, etwa eine Holzfassade zu bestehendem Putz. Auch die Form des Anbaus darf sich abheben: So passt ein moderner Kubus gut zu einem klassischen Giebelhaus.
NACHGEFRAGT

Magnus C. Forsberg
dipl. Architekt ETH SIA, Forsberg Architekten in Basel
«Die Qualitäten des Vorhandenen stärken»
Was sind die häufigsten Motive für eine Aufstockung bzw. einen Ausbau?
Bei Einfamilienhäusern steht das Bedürfnis nach einer Verbesserung des Wohnraums im Vordergrund. Das kann eine Wohnraumerweiterung durch Anbauten oder Zusatzwohnräume unter dem Dach sein. Dieses Bedürfnis ist verständlich, wenn man an die hohen Liegenschaftspreise an guten Lagen denkt. Da wünschen sich viele Eigentümer einen architekt onischen Zusatznutzen mittels einer Vergrösserung oder qualitativen Verbesserung. Oft gibt es auch den Wunsch nach einer zusätzlichen Wohneinheit, sei es zum Vermieten, womit man sich seine Alterseinkünfte verbessert, sei es für den Eigenbedarf in der Familie.
Welche Erweiterungen sind üblich – und wie setzt man sie am bestehenden Gebäude an?
Ein guter Architekt wird immer alle rechtlichen und architektonischen Möglichkeiten sorgfältig ausloten und dabei das Gesamtbild beachten. Erweiterungen sind eine sehr spannende Aufgabe, da man eine klare Ausgangslage vorfindet und das Resultat von Alt und Neu immer mehr als deren Summe sein sollte. Manchmal ist der harte Bruch richtig und manchmal auch eine sehr zurückhaltende Vorgehensweise. Manchmal stapelt man, manchmal geht man in die Fläche.
Persönlich verfolge ich eine Haltung, die dem Vorgefundenen insofern stark Rechnung trägt, als man immer versuchen sollte, dessen Qualitäten mittels der Erweiterung zu stärken. Das kann im einen Fall bedeuten, dass ein vorgefundenes Konzept weitergesponnen wird und im anderen Fall, dass dem Bestand etwas Kontrastierendes entgegengesetzt wird. Wichtig ist, dass man inspirierende Lösungen findet, bei denen die neue Komposition weder optisch noch funktional «auseinanderfällt».
WOHNRAUM ERWEITERN
Ein Anbau muss nicht zwingend einen neuen Raum schaffen, sondern kann auch einfach die bestehende Fläche – häufig das Wohnzimmer oder den Wohn-Essbereich – erweitern. Dafür reicht manchmal schon ein Erker oder eine Dachgaube. Eine spezielle Form der Erweiterung ist der Wintergarten, der das Wohnzimmer vergrössert und aufhellt (siehe auch «Verglaste Räume und Wintergärten»).
Viele Möglichkeiten: Wohnraum erweitern durch Anbau, Wintergarten oder Aufstockung.
IN DIE HÖHE STATT IN DIE BREITE
Gerade auf kleineren Parzellen, die wegen der Grenzabstände keine Anbauten erlauben, ist je nach maximal zulässiger Gebäudehöhe und Ausnützungsziffer eine Aufstockung möglich. Auf Flachdächern lässt sich so zum Beispiel ein neuer Raum mit Terrasse realisieren. Giebeldächer können durch ein Flachdach ersetzt werden – was die Fläche unter dem Dach erheblich vergrössert – oder mit einer Dachgaube versehen werden. Sogar ein kleiner Balkon lässt sich so realisieren.
Eine Wohnraumerweiterung ohne Aufstockung oder Anbau? Auch das geht: indem man das Dach dämmt und den Estrich so beheizbar macht. Mit Dachfenstern, einem schönen Innenausbau und dem Einbau einer richtigen Treppe wird der Dachboden so zu einem grosszügigen neuen Raum (siehe auch Seite 14). Auch ein Kellerraum lässt sich auf diese Weise zu Wohnraum – etwa einem Home Cinema – aufwerten; Einbau einer Heizung vorausgesetzt.
DER EXPERTE

Hannes Baumann
Dr. iur., Rechtsanwalt bei chkp. ag Rechtsanwälte und Notariat, Baden
UNTERSCHIEDLICHE BAUBEGRIFFE
Anbau, Anbaute, Kleinbauten – was ist darunter zu verstehen?
Die Frage ist nicht einfach und vor allem nicht einheitlich zu beantworten. Es gibt 26 kantonale Baugesetze und noch viel mehr kommunale Bauordnungen. Inzwischen haben aber 18 Kantone einen Teil der Baubegriffe harmonisiert. Nachstehend werden diese Definitionen verwendet.
Der Anbau ist nicht gesetzlich definiert. Es handelt sich um einen Oberbegriff für eine Gebäudeerweiterung. Ein Anbau hat grundsätzlich alle gesetzlichen Vorschriften am Ort des Gebäudes einzuhalten (Abstände, Gesamthöhe, zulässige Anzahl von Dachdurchbrüchen etc.).
Demgegenüber haben Anbauten im harmonisierten Sinn meist etwas kleinere Grenzabstände einzuhalten, wenn sie die vorgeschriebenen Masse einhalten und wenn sie nur Nebennutzflächen enthalten. Darunter versteht man Waschräume, Garagen, Kellerräume etc., die man zum Wohnen zwar benötigt, in denen man aber nicht wohnt.
Kleinbauten sind demgegenüber freistehende Gebäude mit bestimmten Höchstmassen. Auch sie dürfen nur Nebennutzflächen enthalten und profitieren von geringeren Grenzabständen. Beispiel: Geräteschuppen.
Daneben gibt es vorspringende Gebäudeteile, die auch dem Wohnen dienen können. Diese dürfen bloss auf einem Teil der Fassade (häufig 1/3) wenig über die restliche Fassade hinausragen (häufig 1.5 m). Mit solchen Gebäudeteilen kann man den Wohnraum somit nicht massgeblich erweitern.
FREISTEHENDE BAUTEN
Muss der Anbau immer angebaut sein? Vom Begriff her eigentlich schon. Doch abgesehen davon, ist anstelle eines Anbaus oder einer Aufstockung auch ein vom Haus unabhängiges Gebäude möglich – vor allem auf grösseren Grundstücken: in Form einer kleinen Dependance im Garten zum Beispiel. Auch hier gilt es, Grenzabstände & Co. penibel einzuhalten und eine Baubewilligung einzuholen.
Wichtig ist zu definieren, ob der Bau zu Wohn- oder Nebenzwecken dient, denn letzteres – zum Beispiel ein Geräteschuppen – darf etwas näher an benachbarte Grundstücke rücken (siehe auch Expertentipp). So oder so sollte man vorab das Gespräch mit den Nachbarn suchen, denn diese können unter Umständen in etwas kleinere Abstände einwilligen – oder im Gegenteil eine Einsprache machen, was das Bauprojekt in die Länge zieht.
CHECKLISTE
WIRD MEIN BAUGESUCH BEWILLIGT?
Erweiterungen am EFH brauchen eine Baubewilligung der Gemeinde. Das sind die wichtigsten Kriterien, damit Ihr Projekt bewilligt wird:
- Einhaltung der maximal zulässigen Gebäudehöhe
- Einhaltung der Grenzabstände sowie Wald- und Gewässerabstandslinien
- Korrekte Ausnützungsziffer (Verhältnis Grundstück- und Wohnfläche)
- Ggf. Berücksichtigung des Denkmal- und Ortsbildschutzes
Um Einsprachen von Nachbarn zu verhindern, empfiehlt es sich, diese frühzeitig in das Vorhaben einzubinden
WER ÜBERNIMMT DIE ARBEITEN FÜR IHREN ANBAU
Für grössere Arbeiten beauftragt man am besten ein Architekturbüro oder einen Generalunternehmer, der das Umbauprojekt von A bis Z betreut und die einzelnen Handwerksbetriebe koordiniert. Denn der Anschluss eines neuen Gebäudeteils an alte Bausubstanz ist technisch herausfordernd.
Für kleinere oder spezifische Erweiterungen wie ein Wintergarten oder Dachgauben können spezialisierte Betriebe wie zum Beispiel Holzbau-Firmen beauftragt werden. Ob GU oder Spezialist, neben Offerten sollten immer auch Referenzen eingeholt werden.