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Baumängel: Genau hinschauen lohnt sich

Endlich: Die Bauarbeiten sind abgeschlossen, das Haus strahlt wie neu. Bei der Abnahme lohnt es sich jedoch, alles genau auf mögliche Mängel zu prüfen. Sonst kommt ein allfälliger Baupfusch teuer zu stehen.

Text — Helen Weiss

 

1,6 Milliarden Franken werden in der Schweiz jährlich für die Mängelbehebung an Immobilien eingesetzt. Das zeigt eine Studie der ETH Zürich, die im Auftrag des Schweizerischen Baumeisterverbands die Ursache von Bauschäden untersuchte. Rund 60 Prozent der Schäden entstehen dabei durch die mangelhafte Wasserdichtigkeit an der Gebäudehülle. Ob falsch angebrachte Anschlüsse, Risse in den Bodenplatten oder ein Leck in der Wasserleitung – scheinbar wird kaum eine Sanierungsarbeit oder ein Neubau komplett mängelfrei übergeben.

Deshalb gilt es, die Vorfreude über das modernisierte oder neue Eigenheim zu zügeln, die rosa Brille durch eine Lupe zu ersetzen und das Haus vom Estrich bis zum Keller genau zu inspizieren. Falls möglich, sollten bereits während des Bauprozesses regelmässige Kontrollen durchgeführt werden. Und schliesslich muss man für die Bauabnahme genügend Zeit einplanen – drei Stunden benötigt man etwa, um ein Haus zu inspizieren. Denn werden Baumängel nicht ordnungsgemäss erkannt und behoben, kann dies langfristig negative Auswirkungen auf die Immobilie haben, da sie den Wert eines Hauses senken, es aber unter Umständen auch unbewohnbar machen.

INFO

NICHT VERGESSEN

Ans Miteigentum denken
Wer Stockwerkeigentum kauft, sollte nicht nur die eigene Wohnung kontrollieren: Diese macht nur ein Drittel des Kaufvolumens aus, während zwei Drittel aus dem sogenannten Miteigentum bestehen. Es darf also nicht vergessen werden, Fassade, Dach, Treppenhaus und Lift bei der Bauabnahme zu kontrollieren.

Garantiefrist beachten
Die Garantiefrist mit zweijähriger Gültigkeit läuft überlichweise ab der Bauabnahme. Wenn man nun eine Eigentumswohnung ein halbes Jahr nach ihrer Fertigstellung erwirbt, dann kann es gut sein, dass die Garantiefrist bereits läuft.

Vorsicht Täuschung! 
Von einem arglistig verschwiegenen Mangel spricht man, wenn der Verkäufer vorsätzlich falsche Angaben zur Beschaffenheit der Immobilie macht oder seine Aufklärungspflicht verletzt.  Beispiele dafür sind etwa nicht sofort ersichtlicher Schimmelbefall, ein feuchter Keller oder defekte Elektroleitungen. In solch einem Fall kann man auf Schadensersatz klagen


LOHNENDE INVESTITION

Die Bauabnahme ist deshalb für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer der wichtigste Tag des gesamten Projekts. Ab diesem Moment laufen auch die Garantie- und Rügefristen. Das Obligationenrecht legt die Garantiefrist für unbewegliche Objekte wie Häuser mit fünf Jahren fest. Bei arglistiger Täuschung verdoppelt sich die Frist auf zehn Jahre. Der Generalunternehmer, Handwerker oder Verkäufer muss während dieser Garantiezeit alle Mängel beheben, die rechtzeitig – also sofort – gerügt werden. Falls ein offensichtlicher Baupfusch nicht gemeldet wird, gilt die Immobilie auch mit Mangel als genehmigt und Hausbesitzer verlieren jeglichen Garantieanspruch. 

Die Bauabnahme mit entsprechend geführter Mängelrüge ist deshalb ein ernstzunehmender Termin, vor allem auch aus finanzieller Sicht. Darum kann es sich durchaus lohnen, auf dem Rundgang durchs Haus gemeinsam mit der Architektin oder dem Bauleiter zusätzlich eine unabhängige Fachperson beizuziehen. Sie kennt sich mit Baunormen und zulässigen Toleranzen aus. Zudem wird dadurch sichergestellt, dass die Abnahme korrekt verläuft und ein detailliertes Protokoll erstellt wird, in dem auch die Fristen und Termine der möglichen Mängel notiert sind. Die Kosten für eine solche Begleitung belaufen sich auf 200 oder 300 Franken pro Stunde – eine lohnende Investition, da eine professionelle Sachverständige auch zur Beweisführung bei einem allfälligen Streitfall hinzugezogen werden kann. 
 

INFO

NACH MÄNGELRÜGE RECHTE EINFORDERN

Hausbesitzerinnen und Bauherren haben Rechte, falls etwas schief geht: Hat man nach Bauabnahme rechtzeitig eine schriftliche Mängelrüge verfasst, kann man von der Architektin oder vom Bauunternehmer seine Rechte einfordern. Grundsätzlich stehen dabei folgende Massnahmen zur Verfügung:

Schäden beheben lassen
Mittels einer detaillierten Mängelrüge kann vom Handwerker verlangt werden, dass die bemängelten Schäden behoben werden. Passiert dies nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums, suche man besten rechtlichen Rat, da man möglicherweise selbst einen Handwerker mit der Reparatur beauftragen und dafür sorgen muss, dass der Verursacher die Kosten trägt.

Minderung beantragen
Ein Kratzer an der neuen Badewanne ist zwar ärgerlich, aber deshalb muss nicht gleich die ganze Nasszelle ersetzt werden. Wenn eine Nachbesserung nicht möglich oder zu aufwendig ist, kommt die Minderung zum Tragen. Mit dem Minderungsanspruch kann die Hauskäuferin die Anpassung des Kaufpreises an den effektiven Wert der mangelhaften Sache verlangen.

Wandlung veranlassen
Wenn die Mängel so erheblich sind, dass das Gebäude für die Bewohnenden nicht sicher oder bewohnbar ist, steht dem Bauherrn in Form einer sogenannten Wandlung eine Vertragsaufhebung zu. In diesem Fall muss der Verkäufer den bereits gezahlten Preis samt Zinsen zurückerstatten und das Eigentum fällt an ihn zurück. Für einen Rücktritt vom Kaufvertrag gelten jedoch hohe Anforderungen; er ist nur in Ausnahmefällen möglich.


UNTERSCHRIFT NICHT VERGESSEN

Idealerweise findet die Bauabnahme tagsüber statt, denn bei künstlichem Licht sind Mängel oft schlechter zu erkennen. Es gilt, alle Mängel zu protokollieren und gleichzeitig zu definieren, bis wann diese behoben werden müssen. Bezüglich Termine sehen die Normen dafür eine «angemessene Frist» vor, die teilweise auch von Lieferfristen für notwendige Bauteile abhängig ist.

Für Baumängel ist je nach Vertrag der Architekt oder die Generalunternehmerin haftbar. Ist die Architektin in gewissen Punkten nicht derselben Meinung, darf man ruhig pingelig sein und die Situation genau dokumentieren – etwa mit Fotos und detaillierten Notizen. Hier darf zudem eine Prüfung durch einen unabhängigen Experten als Schiedsrichter verlangt werden. So hat man die Möglichkeit, eine Bauexpertin nach ihrer unabhängigen Meinung zu fragen oder zum Beispiel Rat bei einem Fachverband einzuholen. Die Mängelrüge muss vom Architekten oder der Bauleiterin unterschrieben werden, bevor man die Baustelle verlässt. 

CHECKLISTE

DAS MUSS EINE MÄNGELRÜGE ZWINGEND BEINHALTEN

Frischgebackene Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer können bei Mängeln an der Liegenschaft Nachbesserungen oder einen Preisnachlass einfordern. Der erste Schritt dazu besteht im Erstellen einer Mängelrüge. Das sollte man dabei beachten:

  • Mögliche Mängel müssen sofort während der Bauabnahme notiert und gerügt werden.
  • Die Mängel müssen in Form eines Protokolls präzise beschrieben und detailliert aufgelistet werden.
  • Zusätzlich muss zum Ausdruck gebracht werden, dass das Haus oder die Baumängel nicht als vertragsgemäss anerkannt und die Verkäuferin oder der Handwerker dafür haftbar gemacht wird.
  • Das Protokoll muss von der Architektin oder dem Generalunternehmer bei der Bauabnahme unterschrieben werden.
  • Ob in der Mängelrüge gleich die Forderung nach Nachbesserung, Minderung oder Schadenersatz gestellt wird, ist je nach Fall zu entscheiden. Das kann auch in einem zweiten Schritt geschehen, wenn der Verantwortliche auf die Mängelrüge nicht angemessen reagiert.
  • Um einen sicheren Versand zu garantieren, wird die Mängelliste via Einschreiben verschickt – den Absender nicht vergessen.


LETZTE GELEGENHEIT

Mit einem Werkvertrag nach SIA-Norm 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA müssen Mängel nicht sofort gerügt werden: Man hat zwei Jahre Zeit, sie zu melden. Darum empfiehlt es sich, einen entsprechenden Vertrag abzuschliessen. Kleinere Mängel wie feine Rissbildungen, die sich nicht vergrössern, können noch während der zweijährigen Garantiefrist gemeldet werden. Mängel, wie etwa der Wassereintritt an einer Dachkonstruktion, müssen hingegen umgehend gemeldet werden, damit Folgeschäden verhindert werden können. Die Garantieabnahme bildet für die Eigentümerinnen und Eigentümer die letzte Möglichkeit, bereits erkannte oder erkennbare Mängel zu rügen, die innerhalb von zwei Jahren nach der Bauabnahme aufgetreten sind. Nimmt der Hausbesitzer diese nicht wahr, verliert er seinen Garantieanspruch für diese Mängel. 

Ratsam ist es daher, in jedem Fall zwei bis drei Monate vor Ablauf der Frist bei der Architektin oder dem Generalunternehmer nachzufragen, damit die Schlussabnahme nach zwei Jahren nicht vergessen geht. Denn sämtliche Unternehmer müssen nachweislich spätestens am letzten Tag der Rügefrist Kenntnis der Mängel haben, ansonsten erlöschen die Garantieansprüche.

 

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IMMOVERKAUF 24: Versteckte Mängel beim Immobilienverkauf

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