Foto: Iurii-Kuznetsov/iStock.com

Mehr Wohlbefinden zuhause

In Dänemark heisst es «hygge», in England «cozy», wir nennen es «behaglich»: Wie entsteht dieses besondere Gefühl in den eigenen vier Wänden – und wie lässt es sich fördern?

Text — Tanja Seufert

 

Was wir als gemütlich empfinden, ist individuell. Das ausladende Sofa mit Kissen und Wollplaids? Ein schöner Parkettboden? Das gut bestückte Bücherregal? Ein prasselndes Kaminfeuer? Wer seine «Glücksfaktoren» kennt, kann sie bewusst fördern. Umgekehrt ist es genauso wichtig, Störquellen zu erkennen und wenn möglich auszuschalten. Sie mindern das Wohlbefinden und führen zu Stress.

 

MIT DEM GRUNDRISS DURCHS HAUS

Wer es etwas genauer wissen möchte, sollte eine Tour durchs Haus machen – am besten mit dem Grundriss und ein paar leeren Blättern auf einem Klemmbrett. Der Startpunkt ist an der Haustür (oder schon im Vorgarten, wer auch den Aussenraum analysieren will). Auf dem Grundriss lässt sich nun einzeichnen, wo die Wohlfühl- und wo die Problemzonen sind, zum Beispiel mit einem grünen und einem roten Stift. Wo stellt sich Wohlbefinden ein und wo Unbehagen? Mit Notizen wie «chaotische Garderobe» oder «grelles Licht» lassen sich Probleme später gezielt angehen. Zu guter Letzt kann, wer will, die Komfort- und Problemzonen priorisieren. Vielleicht stört das unordentliche Reduit weniger als die alten Plättli im Badezimmer? 

 

UNTERSCHIEDLICHE SICHTWEISEN

Machen mehrere Personen die Tour, wird’s spannend. Denn in Haushalten, in denen mehrere Personen – und vielleicht Generationen – zusammenleben, prallen oft gegensätzliche Vorstellungen von Gemütlichkeit aufeinander. Auch die Lieblingsplätz- chen von Haustieren sollten nicht vergessen gehen. All diese Bedürfnisse unter einen Hut, oder besser unter ein Dach zu bringen, ist eine Herausforderung.
 

INFO

WELCHER WOHNTYP SIND SIE?

Was für die einen gemütlich ist, ist für andere chaotisch oder kalt – Behaglichkeit ist individuell! Um die eigenen vier Wände einladender zu gestalten, hilft es, die eigenen Vorlieben zu kennen. Das sind typische Wohntypen:

Natürlich-Skandinavisch

Erdige Farben, Naturmaterialien und ein klares Design zeichnen den «Scandi»-Stil aus. Ein Wohntyp, der es gerne aufgeräumt und ohne viel Chichi mag, aber dennoch auf warme Materialien und Farben setzt. Typisch sind viele Textilien wie Plaids und Kissen, dezente Farben und (skandinavische) Design-Klassiker. 
(Bild: Minh Pham/unsplash.com)

Exotisch-Boho 

Dunkles Holz, Rattan, Leder, bunte Farben, exotische Souvenirs und jede Menge Pflanzen: Willkommen im Boho-Haus. Dieser Wohntyp mag «Flohmarkt-Chic» und exotisch anmutende Möbel (Kolonialstil), auffällige Wandfarben oder Tapeten und Textilien aus fernen Ländern. «Boho» ist eine Abkürzung für «bohemian» (unkonventionell) – und genau das ist dieser Wohnstil.

Modern-Praktisch

Der «klassische» Typ mag es elegant, aber praktisch. Schnörkel ist nicht seins. Typisch sind eine moderne Küche, zeitlose Möbel und neutrale Farben. Holz in Kombination mit Metall, Naturstein oder Glas passt immer – Hauptsache, die Qualität stimmt. Wichtig ist ausreichend Stauraum, denn dieser Wohntyp mag es ordentlich. 

Modern-Industrial 

Industrial-Fans lieben Designmöbel und solche, die auch in einer Werkstatt stehen könnten. Sichtbeton, unverputzte Backsteinwände, freiliegende Leitungen und Gussestrich lassen ihr Herz höherschlagen. Bevorzugte Materialien sind Glas, Beton, Metall und Leder, gerne mit Holz kombiniert. Dieser Wohntyp mag es minimalistisch.

Romantisch-Verspielt

Romantikerinnen und Romantiker lieben es, ihr Haus mit Schätzen zu füllen und liebevoll zu dekorieren. Das heisst nicht, dass sie Unordnung mögen – aber die Einrichtung soll lebendig wirken. Vintage, Shabby-Chic, ausgewählte Antiquitäten und Naturmaterialien sind Musik in ihren Ohren. Typisch sind Landhausküche, rustikale Holzböden und Blumenmuster.
(Bild: Daniel Kocherscheidt/pixelio.de)

STREITPUNKT ORDNUNG

«In einem aufgeräumten Zimmer ist auch die Seele aufgeräumt», schrieb 1838 der österreichische Arzt und Mitbegründer der psychosomatischen Medizin Ernst von Feuchtersleben (1806–1849). «Ordnung ist das halbe Leben – die andere Hälfte macht aber wesentlich mehr Spass», hält Messie-Forscherin und Schriftstellerin Eva S. Roth dagegen fest. Einer der wichtigsten Wohlfühl-Faktoren ist – man ahnt es schon – die Ordnung. Ob der «Ordnungsgrad» zu Hause der eigenen Messlatte entspricht, beeinflusst das häusliche Wohlbefinden wesentlich. Und weil die Meinungen, was ordentlich ist, weit auseinander gehen können, sorgt sie leider häufig für Zoff – zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen Partnern. Dies kann so weit gehen, dass die Beziehungen ernsthaft darunter leiden. Was tun, damit sich alle zuhause wohlfühlen?

INFO

TYPISCHE WOHLFÜHLQUELLEN IM HAUS

Was fehlt? Machen Sie mit der Familie Ihre eigene Liste!

  • Stauraum mit etwas Luft
  • Ein Sofa, das zum Fläzen einlädt
  • Kuschelige Accessoires (Plaids, Kissen etc.)
  • Grosser Esstisch mit Holzplatte (Haptik!)
  • Viel Tageslicht 
  • Gedämpfte Beleuchtung am Abend
  • Kaminfeuer und Kerzen
  • Gepflegte Zimmerpflanzen und Schnittblumen
  • Kunstwerke und Selbstgemachtes von Familienmitgliedern
  • Bücher, die man wirklich mag oder noch lesen will
  • Erinnerungsstücke und Souvenirs
  • Fotos von Familie und Freunden
  • Besondere Erbstücke
  • Qualitätsmöbel, die weder wackeln noch klappern
  • Einwandfrei funktionierende Installationen und Geräte
  • Kabelsalatfreie Ladestation für Handy & Co.
  • Freie Wege, freie Oberflächen
  • Ausreichend Platz zum Kochen

ZUSTÄNDIGKEITEN DEFINIEREN

Oft erledigt die ordentlichste Person auch am meisten Hausarbeit – die anderen «stört es ja nicht». Doch von einem aufgeräumten Zuhause profitiert der ganze Haushalt. Also muss eine gerechte Lösung her. Hilfreich ist, eine Grundordnung miteinander zu vereinbaren. Was sind unverhandelbare «Basics»? Beispiele: Alle Familienmitglieder legen ihre Schmutzwäsche jeden Abend in den Wäschekorb. Die Toilette und das Lavabo werden immer sauber hinterlassen. Wer sich in der Küche etwas zubereitet, räumt hinterher auf. Auf der anderen Seite kann definiert werden, wo die Regeln etwas lockerer sind. Zum Beispiel muss der Teenie sein Zimmer nur einmal pro Woche aufräumen. Die Arbeit sollte auf allen Schultern gerecht verteilt werden: Wer im Alltag Ordnung schafft, kann von anderen Pflichten wie Wocheneinkauf, Entsorgung, Reparaturen oder Papierkram befreit werden. Dies fördert auch die gegenseitige Wertschätzung.

INFO

TYPISCHE PROBLEMZONEN IM HAUS

Das sind häufige Probleme und Energieräuber im Haus – bei Ihnen auch?

  • Unordnung und Gerümpel
  • Unerledigter Papierkram 
  • Angefangene Projekte 
  • Defekte Elektrogeräte
  • Schäden und Verunreinigungen, z.B. an Wänden
  • Provisorien und unsachgemässe Installationen
  • Schwer zugängliche und deshalb verstaubte Ecken
  • Kabelsalat beim TV und Computer
  • Überfüllte Garderobe und Schuhablage
  • Schlecht organisiertes Recycling
  • Stolperfallen, Hürden und Schwellen
  • Unsaubere Fugen, Sockel, Abschlüsse & Co.
  • Chaotische Werkzeugkiste oder Nähutensilien
  • Überfüllter Schreibtisch (Homeoffice)
  • Wackelnde Tische
  • Mangelhafte Beleuchtung

FARBEN MUNTERN AUF UND ENTSPANNEN

Wohlbefinden hängt von vielen anderen Faktoren ab, zum Beispiel auch von Farben. Diese können das Wohlbefinden positiv beeinflussen. Kräftige, satte Farben etwa eignen sich als Akzent: Der Klassiker ist eine rote Wand in der Küche oder im Essbereich. Rot aktiviert und regt den Appetit an. Pastellige Farben hingegen beruhigen das Gemüt, vor allem Braun- und Blautöne, während Gelbtöne und helle Grüntöne aufmuntern. Dunkle Töne bis hin zu Anthrazit wirken edel und lassen Bilder, Möbel und andere Objekte zur Geltung kommen. Am besten holt man sich im Baumarkt Farbmuster (Farbkarten) und testet, wie sich die Farbe im vorhandenen Licht verhält. Ob Lindengrün, Kirschrot oder Kornblumenblau: Farben, die auch in der Natur vorkommen, sind immer eine gute Wahl. Eine riesige Palette an harmonischen Farbkombinationen bietet das Standardwerk «Enzyklopädie Wohnen mit Farben» von Anna Starmer, das leider nur noch gebraucht erhältlich ist. 

INTERVIEW

Adrian Giovanoli
Purchasing Product Manager bei Coop Bau+Hobby

«Langfristig die Lebensqualität verbessern»

Die richtige Beleuchtung ist eines der wichtigsten Kriterien für Wohnlichkeit. Auf welche Art Lichtquellen sollte man setzen? 
Die Grundbeleuchtung, die in Form einer Deckenleuchte in jedem Raum vorhanden sein sollte, sorgt für eine gute Orientierung, indem sie das Licht gleichmässig im Raum verteilt. Je nach Raum bietet sich ausserdem an, die Beleuchtung um weitere Elemente zu ergänzen. Gerade in grösseren Räumen wie dem Wohnzimmer funktioniert die Kombination aus direkter und indirekter Beleuchtung am besten. Hierfür eignen sich neben Stehleuchten sowie Boden- und Tischleuchten beispielsweise auch Lightstrips, die sich am Sideboard, hinter dem Fernseher oder der Kommode anbringen lassen und von dort aus zu einer behaglichen Atmosphäre beitragen. 
Bei aller Gemütlichkeit darf aber die Arbeitsbeleuchtung nicht zu kurz kommen. Diese eignet sich vor allem in der Küche oder auf dem Schreibtisch, wo Konzentration gefragt ist. Kaltweisses Licht fördert die Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, Gemüse zu schneiden oder geschäftliche Dinge zu regeln. Dass in diesem Zusammenhang auch dimmbare Leuchten eine wichtige Rolle spielen, zeigt sich am Beispiel der Leselampe: Diese kann bei Bedarf ein möglichst helles und konzentrationsförderndes Licht abgeben und anschliessend auf eine warm-gemütliche Helligkeit heruntergedimmt werden.

Welche gesundheitsfördernden Leuchten gibt es? 
Dass Licht eine wohltuende Wirkung auf den Organismus hat, ist kein Geheimnis. Dennoch gibt es einige Leuchten, die in diesem Bereich besonders hervorragen, wie etwa Tageslichtleuchten. Diese leuchten sehr hell und raumfüllend, wodurch Stress reduziert und Übermüdung vorgebeugt wird. 
Der Lichtwecker simuliert derweil den Sonnenaufgang, was den Aufwachprozess erleichtert und die Ausschüttung des körpereigenen Glückshormons Serotonin anregt. Langfristig kann sich so die Schlaf- und damit automatisch auch die Lebensqualität verbessern.

BELEUCHTUNG RICHTIG EINSETZEN

Die positive Wirkung von Licht auf die physische und psychische Gesundheit ist unbestritten. Gleichzeitig halten sich die Menschen – von wenigen Berufen abgesehen – sehr viel häufiger in Innenräumen auf als früher. Deshalb sollten die Räume Tageslicht reinlassen, je mehr, umso besser. Dafür sorgen grossflächige Fenster, insbesondere auch Dachfenster oder gar ein Wintergarten. Für Wohlbefinden sorgt zudem eine gute Beleuchtung der Räumlichkeiten (siehe Interview). Und richtig behaglich wird’s mit warmen und idealerweise natürlichen Lichtquellen wie ein Kaminfeuer und Kerzen.


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