Haus der Zukunft
Ist das Haus der Zukunft autark? Und wird uns künftig ein Roboter ankleiden, wenn wir das nicht mehr selbst können? Dr. Peter Richner * verrät, welche Themen ihn heute beschäftigen – und was er von der Zukunft erwartet.
Interview — Tanja Seufert
*Dr. Peter Richner
ist stv. Direktor der Empa und leitet den Forschungsschwerpunkt «Gebaute Umwelt». Er ist der geistige Vater des Forschungsund Innovationsgebäudes NEST auf dem Empa-Eawag-Campus in Dübendorf ZH.
«DIE GEBÄUDE DER ZUKUNFT MÜSSEN SICH AN DEN BEDÜRFNISSEN DER MENSCHEN ORIENTIEREN»
Herr Richner, welche Beispiele für eine zukunftsweisende Architektur gibt es in der Schweiz?
Ich nenne Ihnen drei unterschiedliche Beispiele: Die Berner Altstadt, die Europaallee Zürich und Andermatt. Die Berner Altstadt ist eine hoch verdichtete Bauzone und bietet, unter anderem dank der gemischten Nutzung, eine extrem hohe Lebensqualität. Die Europaallee beim Zürcher Hauptbahnhof versucht, dieses Konzept zu imitieren. Zwar erwacht das Quartier langsam zum Leben – doch es ist auch ein Beispiel dafür, dass zu viele Regulatorien, etwa für die Gastronomie, diese positive Entwicklung hemmen. Ein ganz anderes Beispiel ist Andermatt, das früher von Arbeitslosigkeit und Abwanderung betroffen war und das heute, dank grosser Investitionen, floriert. Ob das auch nachhaltig so bleibt, wird die Zukunft zeigen.
Von der Gegenwart in die Zukunft: Wie funktionieren Häuser künftig?
Ein Gebäude muss für die Menschen da sein – und nicht umgekehrt. Was logisch klingt, ist alles andere als selbstverständlich. Doch an diesem Grundsatz wird sich die Architektur der Zukunft orientieren müssen. Was Menschen und ihre Bedürfnisse betrifft, erwarten uns zwei Herausforderungen. Die erste: Wir werden älter. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Generationen getrennt – heute leben alle für sich. Früher hingegen war es normal, dass mehrere Generationen unter einem Dach wohnten. Es gibt Versuche, dieses Modell wiederzubeleben. Ob sich Mehrgenerationenwohnen durchsetzt, steht in den Sternen geschrieben – doch es bedingt entsprechende Gebäude und Quartiere, welche die verschiedenen Bedürfnisse von Alt und Jung abdecken. Die zweite Herausforderung: Die Bevölkerung wächst, doch Raum ist eine endliche Ressource. Wir müssen flächeneffizient bauen, zum Beispiel in die Höhe. Und weil Szenarien nicht immer eintreffen, müssen wir flexibel sein.
INFO
COMPUTER ERMÖGLICHEN NEUE ARCHITEKTUR
Digitale Fabrikation könnte die Architektur und Bauprozesse revolutionieren. Bei dieser neuen Disziplin,
in der die ETH Zürich eine führende Rolle hat, geht es darum, eine nahtlose Verbindung zwischen digitalen Technologien und physischem Bauprozess herzustellen. Die digitale Fabrikation umfasst also die Planung, die Vorfabrikation von Bauteilen und das eigentliche Bauen von Gebäuden. Mit Hilfe von Computeralgorithmen lasse sich zum Beispiel neue, komplexe Formen berechnen. Wellenförmige Kuppeldächer, Säulen und abgerundete Fassaden lassen sich dann mit vergleichsweise geringem Aufwand realisieren und werden massetauglich. Digitale Fabrikation könnte so zu einer besseren, menschenfreundlichen Architektur führen – auch bei günstig erstellten Gebäuden.
Was bedeutet das in Bezug auf Gebäude?
So zu bauen, dass man ein Gebäude zurückbauen und seine Bauteile oder Materialien wiederverwenden kann – also im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Gelingt dies, wäre es nicht so schlimm, wenn ein Gebäude nicht mehr funktioniert. Man baut quasi im Lego-Prinzip: flexibel, aber ohne einen zusätzlichen CO2-Fussabdruck zu generieren. Ein weiterer Punkt, der die künftige Bauweise prägen wird, ist die Klimaerwärmung. Im Sommer wird es vermehrt sehr heisse Phasen geben. Kombiniert mit einer älteren Bevölkerung, muss die Architektur der Zukunft eine Antwort darauf haben. Denkbar sind zum Beispiel Fassaden, die sich saisonal ändern: im Sommer wirken sie kühlend, im Winter wärmend.
Welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten?
Klar ist: In der Schweiz werden wir auch in Zukunft heizen, doch fossile Energieträger müssen durch erneuerbare ersetzt werden. Das funktioniert nur mit mehr Energieeffizienz – was bei Bestandsbauten nicht einfach umsetzbar ist. Wir sollten deshalb anfangen, ein Quartier als Ganzes zu betrachten. Jedes Gebäude hat seine Stärken und Schwächen – verbindet man sie zu einem Multienergienetz, lassen sich Häuser viel effizienter betreiben. Das heisst: Auf einem gut besonnten Dach liefert zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage Strom. In einem benachbarten Gebäude steht ein Energy Hub mit Speichertechnologie. Mehrere Gebäude teilen sich Wärme, Kälte, Strom und vielleicht Gas – das macht das Ganze effizienter.
Geht der Trend nicht eher Richtung autarke Häuser?
Ohne Verzicht autark zu leben, ist zurzeit unmöglich. Autarke Häuser dienen heute in erster Linie dazu, die Leistungsfähigkeit von Technologien und deren Kombinationen zu testen. Ein vollständig autarkes Haus ist wie Spitzensport: Es inspiriert, hat aber wenig mit Breitensport zu tun. Ein Prime Tower zum Beispiel lässt sich nicht autark betreiben. Das ist nur auf Stufe Einfamilienhaus und kleines Mehrfamilienhaus möglich. Wenn Sie nicht gerade auf einer Thermalquelle sitzen, ist nach einigen Stockwerken fertig – der solare Eintrag als Wärmeerzeuger zum Beispiel lässt sich nicht beliebig «hochskalieren».
INFO
HAUSHALTROBOTER: DURCHBRUCH DANK KÜNSTLICHER INTELLIGENZ?
Die Idee ist alt: Schon in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts träumte man von einem Roboter, der sämtliche Hausarbeiten übernehmen kann. Seither hat sich Robotik in vielen Bereichen durchgesetzt. Doch bisher ist es nicht gelungen, einen universell einsetzbaren Androiden für zuhause zu entwickeln. Gefehlt hat es an künstlicher Intelligenz. Aufgrund der Durchbrüche in den letzten Jahren sind Experten nun optimistisch. Sie rechnen damit, dass die ersten serienmässigen Haushaltroboter schon in 10 Jahren auf den Markt kommen. So ist unter anderem auch Amazon und Apple davon überzeugt, dass Haushaltroboter «The Next Big Thing» sein werden, und forschen intensiv auf diesem Gebiet
Welche Rolle spielen Automatisierung und KI?
Sie haben ein riesiges Potenzial, Gebäude effizienter zu betreiben. So hat ein Start-up in unserem bewohnten «NEST» jüngst ein System entwickelt, bei dem ein KI-unterstützter Thermostat lernt, die richtige Raumtemperatur einzustellen – unter anderem mit Einbezug von Wetterprognosen. Damit liess sich ein Viertel der Heizenergie einsparen. Automatisierung verbessert aber nicht nur die Energieeffizienz, sondern erhöht auch den Komfort. Von Smart-Home-Spielereien und «durchdigitalisierten» Wohnungen bin ich hingegen weniger überzeugt. Das erste, das die NEST-Bewohner gemacht haben, ist, die digitale Sprachassistentin Alexa auszuschalten.
Mäh- und Saugroboter sind hingegen beliebt. Welche Art Roboter werden uns im Haushalt künftig unterstützen?
Drohnen haben grosses Potenzial, zum Beispiel für die Fassadenreinigung von Hochhäusern. Ich denke da an Roboter mit PV-Panel und Wassertank, die kontinuierlich an der Fassade rumputzen. Es laufen bereits Experimente in diese Richtung. Auch für die Innenreinigung kommen sicher weitere Roboter auf den Markt, sowie solche zur Unterstützung von älteren Personen.
In Japan ist diese Entwicklung am weitesten fortgeschritten, da man dort einerseits sehr technologieaffin ist und andererseits eine stark alternde Bevölkerung hat. Sie wirft aber ethische Fragen auf: Darf man jemanden von einem Roboter füttern lassen, wenn kein anderer Mensch anwesend ist? Am ehesten kann ich mir ein Zwischending vorstellen, also Roboter, welche die Pflegefachperson unterstützen. So oder so wird die Akzeptanz von Robotern steigen – wir werden uns an sie gewöhnen.