Bauteil Fenster

Fensterglas war in früheren Zeiten ein absoluter Luxus, heute sind grossflächige Glasfronten Standard.

Text — Raphael Hegglin

 

Kaum ein Bauteil beeinflusst unsere Wohnqualität wie die Fenster. Gleichzeitig verschwenden wir nur wenige Gedanken an sie. Doch wie wäre das Leben in einem gänzlich zugemauerten Haus, das nicht einmal mit einem klitzekleinen Fenster versehen ist? Es wäre ein Gefängnis – bedrückend einengend, düster.

Dass wir Fenster kaum wahrnehmen, ist erwünscht: Sie sollen uns den ungetrübten Blick ins Freie ermöglichen und selbst möglichst nicht auffallen – bis auf jene Ausnahmen, bei denen Fenster bewusst als architektonische Highlights eingesetzt werden.

 

BIS INS MITTELALTER KEIN GLAS

Jede Architekturepoche spielt anders mit den Fenstern. Mal fügen sie sich unauffällig in die Gebäudehülle ein, mal sind sie bunt und von weitem sichtbar. «Die Geschichte der Architektur ist zugleich die Geschichte des Fensters», sagte dazu der schweizerisch-französischer Architekt Le Corbusier.

Das Fenster ist heute weit mehr als eine Öffnung im Mauerwerk, die sich bei Bedarf verschliessen lässt. Früher war das anders: Seit der Steinzeit suchen Menschen Unterschlupf in Behausungen. Ob Höhle, Hütte oder Burg, sie alle mussten mit Öffnungen versehen sein – als Eingang sowie als Lüftung und Rauchabzug. Doch bis ins Mittelalter war Glas kaum verfügbar und die Menschen verschlossen ihre Behausungen mit Tierhäuten, Pergament, Stoffen und Holzbrettern. Daher auch die Herkunft des Begriffs „Fenster“: Er leitet sich vom lateinischen Wort „fenestra“ für „Luke“ oder „Maueröffnung“ ab.

INFO

FENSTER IM ALTBAU: DAS SOLLTEN SIE WISSEN

Ein durchschnittlicher Altbau verliert bis zu einem Drittel der Heizwärme über die Fenster. Mit neuen Fenstern der Energieeffizienzklasse A lässt sich dieser Verlust um mehr als 75 % verringern. Zudem verbessern sich mit neuen Fenstern der Schallschutz, die Lichtverhältnisse und der Wohnkomfort. Ein
Fensterersatz gehört daher zu den häufigsten Sanierungsmassnahmen. Dazu lassen sich die alten Fenster komplett oder durch Renovationsfenster ersetzen. Ein vollständiger Fensterersatz ermöglicht in architektonischer Hinsicht mehr als Renovationsfenster: Ein Haus lässt sich so – zusammen mit einer Fassadenrenovation – umgestalten, es lassen sich auch grössere Fenster und Panoramafenster einbauen.

Fensterleibungen sind Knackpunkte bei Sanierungen: Bleiben sie ungedämmt, gehen grosse Wärmemengen über sie verloren und es können sich Wärmebrücken bilden. Werden sie hingegen aufgedämmt, verkleinert sich dadurch die Fensteröffnung. Am einfachsten ist es daher, die Fenster in die Fassadenebene zu versetzen. So entstehen Fenstersimse gegen innen. Das Versetzen der Fenster ist die technisch sauberste, zugleich aber die aufwendigste Lösung und nur mit einem kompletten Fensterersatz möglich. Mit Renovationsfenstern lässt sich ein unkomplizierter und speditiver Fensterersatz realisieren: Dabei wird der bestehende Rahmen im Mauerwerk belassen, um darauf aufzubauen. Der neue Rahmen deckt den alten dann vollständig ab. Mögliche Folgekosten für Maurer, Gipser oder Maler – wie bei einem kompletten Fensterersatz – bleiben einem dadurch erspart. Auch Renovationsfenster sind in der Energieeffizienzklasse A erhältlich.


ENERGIEEFFIZIENZ STEIGERT SICH

Die Fensterverglasung war ein Meilenstein in der Architekturgeschichte. Sie machte Häuser nicht nur dichter, sondern liess gleichzeitig Tageslicht in die Innenräume. Was heute selbstverständlich klingt, war damals ein grosser Luxus. Denn Tageslicht ist ein wesentlicher Faktor für unsere körperliche wie auch geistige Gesundheit. Nach dem Mittelalter verbesserte die Fensterverglasung die Energieeffizienz von Gebäuden also enorm. Doch aus heutiger Sicht blieben Fenster über Jahrhunderte Schlupflöcher für Heizwärme. Erst mit der Doppelverglasung – die sich in den 1970er-Jahren durchsetzte – verbesserten
sich die Wärmedämmwerte von Fenstern deutlich. Heute ist man noch weiter und Dreifachverglasungen sind fast schon Standard. Die Energieetikette zeigt auf, wie gut ein heute erhältliches Fenster dämmt. Sie sind dazu in die Klassen A für sehr gute Fenster bis Klasse G für alte, sanierungsbedürftige Fenster eingeteilt. Fachleute raten, bei neuen Fenstern immer die A-Klasse zu wählen. Mit solchen Fenstern lässt sich sogar Energie gewinnen: Selbst im Winter ist bei ihnen der Wärmeverlust kleiner als der Wärmeeintrag durch Sonnenlicht – wodurch die Energiebilanz positiv ausfällt.

 

KURZ GEFRAGT

Alexander Kurmann
Architekt und Leiter Generalplanung bei Renggli AG

«FENSTER SIND DIE AUGEN EINES GEBÄUDES»

HAUSmagazin: Welche Rolle spielen Fenster für Sie als Architekt?
ALEXANDER KURMANN: Sie sind eines der zentralen Themen in der Architektur – und das, seit Menschen Häuser bauen. Planerisch muss man sich von Anfang an mit den Fenstern befassen. Denn sie beeinflussen die äussere wie die innere Architektur gleichermassen. Sie sind die Augen eines Hauses, auf die wir – wie bei Menschen – meist zuerst blicken.

Was gilt es – aus Sicht eines Architekten – bei der Wahl von Fenstern zu beachten?
Sie sind nicht nur ein wichtiges Element im Gestaltungskonzept, sondern müssen gleichzeitig zahlreiche  echnische Anforderungen erfüllen. Hervorragende Energieeffizienz sollte dabei selbstverständlich sein. Ebenso zentral aber sind der sommerliche Wärmeschutz, die Lichtverhältnisse sowie der Ausblick. Und auch auf den ersten Blick lapidar erscheinende, praktische Faktoren wie die Bedienung und Reinigung dürfen nicht vergessen gehen. Denn Fenster halten 25 Jahre und länger. Sind sie einmal eingebaut, muss man mit ihnen leben.

Gibt es architektonische Trends bei den Fenstern?
Eigentliche Trends kann ich nicht ausmachen – zu vielseitig ist die Architektur von heute. Gegenüber früher wird heute aber wieder mehr mit Farben gespielt. Zum Beispiel mit zweifarbigen Fensterrahmen, die innen und aussen anders gefärbt sind. So lassen sie sich perfekt der Innen- wie auch der Aussenarchitektur anpassen. Ebenfalls gefragt sind nach wie vor grossflächige Fenster mit möglichst wenig Rahmenanteil, die Aussicht ermöglichen und helle Innenräume schaffen.


NEUE FUNKTIONEN KOMMEN HINZU

Der solare Wärmegewinn kann heute zum Nachteil werden, weil Hitzetage immer häufiger sind und Gebäude im Sommer zunehmend überhitzen. Ein ausreichende Sonnenschutz vor den Fenstern ist daher zwingend. Doch was wäre, wenn das Fenster von selbst starke Sonnenstrahlen abblocken würde? Das ist heute schon möglich: Elektrochromes Glas ändert je nach Stromspannung die Farbe oder wechselt zwischen durchsichtig und milchigweiss. Solche dimmbaren Gläser sind mittlerweile marktreif und befinden sich auch hierzulande im Einsatz – um abzudunkeln und um die Privatsphäre zu schützen.

Fenster werden immer mehr zum multifunktionalen Bauteil, das unterschiedlichste Aufgaben erfüllt. Zentral dabei ist das Lüften. Geschieht dies heute noch meist manuell, sollen bald Lüftungsfenster für frische Luft, Abkühlung und ausgeglichene Zimmertemperaturen sorgen. Lüftungsfenster sind mit Schlitzen versehen, durch die sie frische Luft ansaugen und verbrauchte wieder ausstossen. Ein integrierter Wärmeaustauscher sorgt dafür, dass im Winter die Wärme von der ausströmenden auf die einströmende Luft übertragen wird, was bestmögliche Energieeffizienz ermöglicht. Dies ist heute nur mit aufwendigen Lüftungsanlagen möglich, wie sie zum Beispiel bei Minergie Vorschrift sind.

CHECKLISTE

DAS SIND DIE WICHTIGSTEN MERKMALE BEI FENSTERN

Fenster haben verschiedene technische Eigenschaften. Für einige definieren Förderprogramme Mindestanforderungen. Diese Begriffe sollten Sie kennen:

  • ABSORPTION: Sonnenlicht wird beim Durchdringen der Glasscheibe in Wärme umgewandelt und erhöht die Temperatur der Glasscheibe.
  • BESCHICHTUNG (TRANSPARENT): Sie ist auf der Innenseite der Verglasung aufgetragen und bewirkt, dass weniger Wärmestrahlung nach draussen entweichen kann.
  • EDELGASFÜLLUNG: Die Zwischenräume der Verglasungen sind heute meist mit dem Edelgas Argon gefüllt. Dieses dämmt besser als Luft.
  • EINBRUCHSCHUTZ: Er teilt sich in die Widerstandsklassen RC 1 bis RC 6 ein. Je höher die Klasse, desto besser der Einbruchschutz.
  • SCHALLSCHUTZ: Gewöhnliche Fenster reduzieren den Schall um etwa 25 Dezibel (dB), Schallschutzfenster um bis zu 50 dB. An lärmigen Orten sollte die Reduktion mindestens 37 dB betragen.
  • U-WERT: Der Wärmedurchgangskoeffizient U beschreibt, wieviel Wärme pro Fläche bei einer bestimmten Temperaturdifferenz durch ein Bauteil (z.B. ein Fenster) fliesst. Er wird in W/(m2K) angegeben. Je kleiner der Wert, desto besser dämmt das Fenster. Neue, gut dämmende Fenster haben U-Werte von unter 1, W/(m2K). Das Gebäudeprogramm des Bundes fördert Fenster mit einem U-Wert für Glas von ≤ 0.70 W/m2K.


KRAFTWERK FENSTER

Ein Fokus der Forschung liegt auf Fenstern, die Energie gewinnen. Das von der EU unterstützte Forschungsprojekt InDeWaG hat Fenster zum Ziel, die Wärme aufnehmen und weiterleiten: In den Zwischenräumen der Dreifach-Isolierverglasung zirkuliert ein Wasser-Glykolgemisch, das die Solarwärme einfängt und an ein Rohrsystem weitergibt. Der Vorteil: Mit der so gewonnen Wärme wird nur bei Bedarf geheizt, ansonsten speichert man sie zum Beispiel im Boden, um sie später (im Winter) mittels einer Wärmepumpe mit Erdsonde zu nutzen. Und mit solchen Fenstern überhitzen Räume im Sommer weniger, da nur wenig Solarwärme durchs Fenster in den Innenraum gelangen kann.

Auch Strom lässt sich durch Fenster erzeugen: Bereits heute gibt es transparente Solarzellen, die einen Wirkungsgrad von über 5 Prozent aufweisen. Das ist zwar rund viermal weniger als bei einer Photovoltaikanlage, doch ist Fensterfläche ohnehin vorhanden und lässt sich somit ohne Aufwand nutzen. Prototypen solcher Fenster, die statt mit einer herkömmlichen Verglasung mit transparenten Solarzellen ausgestattet, werden zurzeit getestet. Fachleute gehen davon aus, dass diese Fenster in Zukunft einen grossen Teil unseres Strombedarf decken können. Das Bauteil Fenster wäre dann einmal mehr massgeblich an einem gesellschaftlichen Wandel beteiligt.