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Was, wenn es immer heisser wird?

Auf der Erde wird es immer wärmer. Wir müssen unsere Häuser darauf vorbereiten.

Text — Raphael Hegglin

 

Der Energieverbrauch von Häusern muss sinken – doch in der Realität könnte er gar steigen: Laut einer aktuellen Hochrechnung der Empa wird das Kühlen von Gebäuden in einigen Jahrzehnten genauso viel Energie verbrauchen wie das Heizen. Denn gemäss den Forschenden am NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) dürfte die Anzahl Tage, an denen Gebäude überhitzen, deutlich zunehmen. Immer mehr Häuser müssen dann im Sommer gekühlt werden. Damit wird auch der Energieverbrauch in der Schweiz stark ansteigen, denn Kühlen benötigt viel Energie.

 

KÜHLEN FAST WIE HEIZEN

In ihrem extremen Szenario gehen die Empa-Forschenden davon aus, dass alle Schweizer Gebäude künftig während vieler Sommertage gekühlt werden müssen. Die Folge davon: In etwa 30 Jahren wird fast gleich viel Energie fürs Kühlen verbraucht wie fürs Heizen. Heizungen sollen dann laut Hochrechnung jährlich 20 Terrawattstunden (TWh) Energie benötigen, die verschiedenen Kühlgeräte 17,5 TWh.

Senken liesse sich der Energieaufwand fürs Kühlen, wenn nur noch mit umgekehrt arbeitenden Wärmepumpen gekühlt würde. Der Elektrizitätsbedarf für die Raumkälte schlüge dann mit rund 6 TWh zu Buche. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Mehrheit der Schweizer Gebäude bis 2050 über eine Wärmepumpe mit Kühlfunktion verfügen werden. Der Energieaufwand wird entsprechend höher sein.
 

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HITZE GEFÄHRDET UNSERE GESUNDHEIT

Wir können mit Hitze weniger gut umgehen als mit Kälte. Selbst bei Minustemperaturen kann unser Körper ausreichend Kalorien verbrennen, um warm zu bleiben. Bei Hitze hilft nur Schwitzen. Der dadurch verursachte Kühleffekt ist – verglichen mit unserer internen Heizung – eher gering. Und mit steigender Luftfeuchtigkeit sinkt er sogar.

Spürbar wird das schnell: Untersuchungen haben gezeigt, dass wir bei 23 Grad Celsius noch volle Leistung bringen können, bereits bei 30 Grad aber um 30 bis 50 Prozent reduziert sind. Und: Während Überhitzungsstunden (ab 33 Grad im Innenbereich) fällt die Leistung sogar deutlich unter 50 Prozent.

Folgen für den Körper Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) warnt zudem vor Hitzewellen als eine der grössten Bedrohungen für die Gesundheit: Die Sterblichkeit sei im Hitzesommer 2003 um sieben Prozent gestiegen. Denn Hitze kann Erschöpfung und Hitzschlag auslösen sowie bestehende Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-, Atemwegs-, Nieren- oder psychische Erkrankungen verschlimmern. Auch kann sie – insbesondere bei älteren Personen – eine lebensbedrohende Dehydrierung verursachen.
 


WOHER KOMMT DER STROM?

Kühlen wird unseren Energieverbrauch also nach oben treiben. Selbst im moderaten Szenario rechnen die Empa-Forschenden mit einem zusätzlichen Strombedarf von etwa 5 TWh. Es ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch in der Schweiz wegen des Kühlbedarfs um mindestens 10 % steigen wird – verglichen mit heute. Ein Dilemma: Die Energiestrategie 2050 des Bundes verlangt, dass die Kernkraftwerke sukzessive abgeschaltet werden, und dass keine fossile Energie mehr zur Stromproduktion eingesetzt wird. Und nicht nur das: Zusätzlich soll der Stromverbrauch hierzulande bis 2035 sogar um 13 % sinken.

 

SONNENSTROM UM ZU KÜHLEN

Auf Elektromobilität umsteigen, Wärmepumpen fördern, die Digitalisierung vorantreiben, die Bevölkerung wachsen lassen, vermehrt kühlen – und gleichzeitig den Stromverbrauch senken? Wie das möglich sein soll, ist nicht klar. Denn umfassende – und vor allem technisch ins Detail gehende – Pläne fehlen bis heute.

Immerhin ist Photovoltaik dann am ergiebigsten, wenn unsere Häuser gekühlt werden müssen. Das Mehr an Solarstrom lässt sich effizient zum Kühlen von Gebäuden einsetzen. Ganz aus dem Schneider ist man mit dieser Strategie jedoch nicht: Dieses Mehr an sommerlichem Solarstrom wurde bereits mehrfach verplant: Um Wasser in Speicherseen hochzupumpen oder um damit mittels Power-to-Gas-Technologie Wasserstoff herzustellen.

 

SOLARER WÄRMEEINTRAG DURCH FENSTER

In den letzten Jahrzehnten hat man den Fokus auf Häuser gelegt, die möglichst wenig Heizwärme benötigen. So liess sich der Energieverbrauch gegenüber den 1970er-Jahren um das Sechsfache reduzieren. Schlüssel dazu ist eine gut gedämmte Aussenhülle. Eine solche schützt ebenfalls gegen Überhitzung. Trotzdem ist die heutige Architektur nicht auf ein heisses Klima ausgelegt. Insbesondere grosse Fensterflächen führen dazu, dass Gebäude im Sommer regelmässig überhitzen.

Aus energetischer Sicht sind diese Fensterflächen heute erwünscht, da sie einen hohen solaren Wärmeeintrag ermöglichen und so den Heizenergieverbrauch spürbar senken. Es gibt mittlerweile Häuser, die ihren Heizenergiebedarf sogar ausschliesslich über die Fenster bzw. den solaren Wärmeeintrag decken. Wie zukunftsfähig das Prinzip dieser Solar-Architektur noch ist, wird sich zeigen.

INFO

ES WIRD HEISSER

Klimaforscherinnen und -forscher sind überzeugt: Das Klima wird sich in den nächsten 100 Jahren spürbar verändern. Statistiken der letzten 150 Jahre, Analysen des arktischen Eises und Hochrechnungen zeigen, wohin der Trend geht: Es wird immer wärmer. Grund dafür ist der Treibhauseffekt, verursacht durch Gase wie Kohlendioxid (CO2) oder Methan (CH4), welche die Menschheit in grosser Menge in die Atmosphäre ausstösst.

Zwar gibt es auch in der Wissenschaft eine Minderheit an Skeptikern, die den Treibhauseffekt nicht für plausibel halten. Für unsere Architektur und wie wir wohnen, spielt das keine grosse Rolle: Dass das Klima wärmer wird, gilt als unbestritten und ist messbar – ob das nun am CO2 liegt oder nicht.

Ganze Schweiz betroffen: Worauf müssen wir uns in der Schweiz gefasst machen? Dieser Frage ist das Bundesamt für Energie zusammen mit der Hochschule Luzern in der Studie «ClimaBau – Planen angesichts des Klimawandels» nachgegangen. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass sich das Klima in den nächsten 100 Jahren spürbar ändern wird. Die Mitteltemperaturen werden laut Studie sehr wahrscheinlich in der gesamten Schweiz und zu allen Jahreszeiten ansteigen.

3 Monate Hitzeperiode: Die Studie umfasst verschiedene Berechnungen, die zu unterschiedlichen Szenarien führen. Die daraus resultierenden Temperaturerhöhungen variieren zwischen drei und fünf Grad Celsius. Dieser Temperaturanstieg wird unser Klima spürbar verändern: So wird sich die Anzahl Sommer-
tage und die der Tropennächte verdoppeln. 

Bis ins Jahr 2060 könnten sich die Überhitzungsstunden – das sind Temperaturen im Innenbereich von über 33 Grad Celsius – auf durchschnittlich 1200 pro Jahr erhöhen, so die Verfasser der Studie. Im schlimmsten Fall bedeuten die Szenarien der Studie, dass Häuser, Wohnungen und Arbeitsplätze während dreier Monate pro Jahr überhitzt sein werden. Denn nur durch Lüften über Nacht bekommt man diese Hitze dann nicht mehr aus dem Haus.
 


KÜHLENDE ARCHITEKTUR

Wie also könnte ein an die steigenden Temperaturen angepasstes Gebäude aussehen? Ohne Kühltechnik wird es kaum gehen (siehe folgende Seiten). Alleine schon durch die Architektur lässt sich jedoch viel steuern – wie ein Blick in den Süden verrät: Innenhöfe sind dort wichtiger als ein umliegender Garten, und Fenster fallen eher klein aus – an südlichen Fassaden verzichtet man teilweise ganz darauf.

Auch passive Kühlsysteme gibt es: In arabischen Ländern setzt man seit Jahrhunderten auf den Bagdir, zu Deutsch Windturm. Dieses Schachtsystem führt von den untersten Räumen durchs ganze Haus und übers Dach hinaus. Ist es im Haus heisser als draussen, dann strömt die Luft mittels Kamineffekt von selbst hinaus. Bläst hingegen draussen ein kühler Wind, so drückt er durch die Kanäle hinein und verdrängt die warme Innenluft. Den Kühleffekt zusätzlich verstärken kann man, indem man an die Mauern des Windturmes Wasser schüttet. Dieses entzieht dem Mauerwerk – und indirekt der einströmenden Luft – Wärme, womit der Kühleffekt erhöht ist.

 

SO WIE DER WIND WEHT

Ein weiterer Trick ist, das Haus auf Stelzen zu setzen. Etwas, das man vor allem in den heissen Ländern des Fernen Ostens sieht. Die Stelzen haben zwei Vorteile: Sie schützen vor Überschwemmung und ermöglichen es, dass die unter dem Boden durchströmende Luft das Haus auch von unten kühlt. 

Dass wir in der Schweiz bald Häuser auf Stelzen oder mit einem Windturm sehen, ist unwahrscheinlich. Doch die Wirkprinzipien lassen sich auf unsere Architektur übertragen: 

Die vorherrschenden Luftströme – insbesondere in Städten – könnten in Zukunft bestimmen, wie ein Haus oder eine Strasse ausgerichtet wird. Und dass die Südfront dereinst noch die beste Seite eines Hauses sein wird, darf man zumindest bezweifeln.