Energiekrisen gab es schon immer
Ohne funktionierende Energieversorgung keine Zivilisation: Die Geschichte lehrt uns, dass Energie alles andere als selbstverständlich ist.
Text — Raphael Hegglin
Als älteste Form von Energiekrisen könnte man Hungersnöte bezeichnen. Bekommt der Körper zu wenig Nahrung, geht ihm die Energie aus. Im schlimmsten Fall so sehr, dass er nicht einmal mehr die wichtigsten Organe wie Herz oder Leber am Leben erhalten kann – und stirbt.
Natürlich entspricht diese Definition einer Energiekrise nicht dem allgemeinen Verständnis. Sie verdeutlicht jedoch, wie wichtig Energie ist: lebenswichtig. Doch welches sind die ersten Energiekrisen im herkömmlichen Sinne? Also Zeiten, in denen Energieträger knapp wurden und der errungene Lebensstandard bedroht war? Vermutlich war die Menschheit schon immer von Energiekrisen betroffen. Nämlich dann, wenn in einer Region Feuerholz knapp wurde.
ERSTE KRISEN DURCH DIE RÖMER
Die Römer dürften die Ersten gewesen sein, die von einer Ölkrise betroffen waren. Dabei ging es um Pflanzenöle, allem voran Olivenöl: Dieses diente nicht nur der Ernährung, sondern auch als wichtiger Brennstoff in Öllampen. Neben der Bevölkerung waren die römischen Legionen auf grosse Mengen Öl angewiesen, musste die Kriegsmaschinerie und die Sicherung der Aussengrenzen doch nicht nur tagsüber, sondern auch nachts uneingeschränkt funktionieren. Irgendwann reichte die Produktionsmenge nicht mehr, und Pflanzenöl wurde im römischen Reich Mangelware – in vielen Häusern und Wohnungen blieb es daraufhin dunkel.
Im Römischen Reich kam es zudem immer wieder zu lokalen Energiekrisen: Dort, wo die Römer exzessiv Wälder abholzten. Denn sie benötigten riesige Mengen an Holz für den Haus-, Schiff- und Waffenbau sowie zur Energiegewinnung. So entstanden Gebiete, in denen kaum mehr ein Baum wuchs – und wo die Menschen kein Feuerholz mehr fanden. Viele dieser Gebiete wurden nie mehr aufgeforstet. So ist bis heute mehr als die Hälfte der Insel Korsika unbewaldet geblieben.
INFO
WIE LASSEN SICH ENERGIEKRISEN VERMEIDEN?
Es ist sicher nicht falsch, sich mittels Notvorräten auf Krisen vorzubereiten. Dazu gehören auch Energieträger wie Brennstoff für einen Notkocher, Kerzen und Batterien sowie neuerdings mobile Solarpanels und Powerbanks. Mit diesen Hilfsmitteln lassen sich jedoch nur kurze Engpässe überbrücken. Ein oft gehörter Wunsch von Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern ist daher, das Haus möglichst autark zu machen. Doch auch mit Photovoltaikanlagen, Solarkollektoren, Stromspeichersystemen und einem Holzofen ist man weiterhin auf einen funktionierenden Markt angewiesen, zum Beispiel wenn Reparaturen und Ersatzteile erforderlich sind oder Energieträger ausgehen.
Eine sichere Energieversorgung hat daher höchste Priorität – geht es doch um die Grundlage unserer Zivilisation. Wichtig dabei ist, dass sich ein Land so weit wie möglich selbst mit Energie versorgen und diese auch speichern kann. Ebenfalls zentral ist das Thema Energieeffizienz. Denn je sparsamer Maschinen, Fortbewegungsmittel und Gebäudetechnik arbeiten, desto weniger anfällig sind sie für Energiemangel. Heute versorgt sich die Schweiz hauptsächlich mit Elektrizität aus Wasserkraft. Neue erneuerbare Energiequellen können den Selbstversorgungsgrad weiter erhöhen – ausreichend Speicherkapazität für temporär überschüssig anfallende Energie vorausgesetzt.
VON HOLZ ZU KOHLE
Im Mittelalter wie auch in der darauffolgenden Neuzeit blieb der Bedarf an Holz gross. Vielerorts waren die Wälder übernutzt und es kam regelmässig zu Holz- und damit Energiemangel. So waren insbesondere die Städte von «Holznöten» betroffen. Erst eine nachhaltige Forstwirtschaft sowie der beliebter werdende Brennstoff Kohle konnten diese Jahrhunderte andauernde Problematik lösen.
Stein- und Braunkohle waren denn auch die ersten fossilen Brennstoffe, welche die breite Bevölkerung in grossem Masse nutzte. So wurde in vielen europäischen Städte bis in die 1960er-Jahre hinein mit Kohle geheizt.
DIE ÖLKRISEN
Anfang 1970 kam es dann zu jenen Notständen, die heute Synonym für eine Energiekrise sind: Die erste Ölkrise wurde durch ein Embargo der Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) gegen mehrere westliche Länder ausgelöst, weil sie Israel im Jom-Kippur-Krieg unterstützten. Die Folgen waren ein drastischer Anstieg der Ölpreise und eine weltweite Rezession. Zur zweiten Ölkrise kam es kurz darauf, als 1979 die iranische Revolution den Ölpreis erneut ansteigen liess.
Die beiden Ölkrisen der 1970er-Jahre verdeutlichten, wie abhängig die Menschheit von Erdöl ist. Das bewirkte erstmals ein Umdenken im Gebäudebereich: Man begann, Neubauten zu dämmen und energieeffizienter zu machen. Doch erst durch die CO2-Problematik erhöhte sich der Druck so stark, dass die Politik verbindliche Dämmwerte und Anforderungen an die Energieeffizienz schuf. Zudem sollen bald nur noch erneuerbare Energiequellen zum Zuge kommen. Dies erfordert einen technologischen Quantensprung, wie es ihn seit der industriellen Revolution nicht mehr gab.
KURZ & BÜNDIG
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Energiekrisen gibt es seit der Steinzeit – doch sie werden immer komplexer.
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Die Abholzung der Wälder führte immer wieder zu Holznot. Die Antwort darauf war eine nachhaltige Forstwirtschaft.
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Spätestens seit den Ölkrisen der 1970er-Jahre ist bekannt, wie abhängig der Westen vom internationalen Energiemarkt ist.
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Die Energiewende weckt Ängste und Hoffnungen: Steuern wir auf eine neue Energiekrise unbekannten Ausmasses zu oder einer Zukunft in Unabhängigkeit und im Einklang mit der Natur entgegen