Rohstoffe und Energiewende
Wärmepumpen für Heizung, Elektroautos, Digitalisierung und künstliche Intelligenz: Unsere Zukunft ist elektrisch. Der Bedarf an gewissen Rohstoffen steigt dadurch.
Text — Raphael Hegglin
Ein Elektromotor hat einen Wirkungsgrad von über 90 %. Er arbeitet damit rund dreimal effizienter als ein Verbrennungsmotor. Auch die Wärmepumpe überzeugt durch ihren Wirkungsgrad: Mit einer Einheit Strom kann sie drei bis fünf Einheiten Wärme erzeugen. Weitere Effizienzsteigerungen bei allen Energieverbräuchen erhofft man sich durch intelligente Steuerung, was unter anderem die Digitalisierung des Stromnetzes erfordert.
Kurzum: Der grosse Vorteil der Elektrifizierung liegt in der hohen Effizienz elektrischer Prozesse. Doch der Umstieg erfordert Rohstoffe, die bisher kaum gefragt waren. So hat sich die Produktion seltener Erden in den letzten zehn Jahren verdreifacht, jene von Lithium ist sogar um das Vierfache angestiegen.
ROHSTOFFBEDARF STEIGT TEILWEISE MASSIV
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat Prognosen dazu erstellt, wie sich der Rohstoff-Bedarf aufgrund der Energiewende bis 2040 ändern könnte. Es gibt dabei drei Szenarien, wovon der zweite der Mittelweg ist. Laut diesem soll sich zum Beispiel der Bedarf an Lithium in den nächsten 20 Jahren verfünfzigfachen, jener der seltenen Erden Neodym und Praseodym etwa versechsfachen.
Extrem könnte der Bedarf an Platin steigen: Heute gelangen jährlich etwa 0,1 Tonnen davon in Brennstoffzellen zum Einsatz, im Jahre 2040 könnten es laut ISI 230 Tonnen sein – über 2000 Mal mehr.
INFO
ROHSTOFFE SIND SO ALT WIE DIE MENSCHHEIT
Die ersten Rohstoffe der Menschheit waren Steine, aus denen sie Waffen und Werkzeuge fertigten. Die erlegten Tiere dienten ihnen als reichhaltige Rohstoffquellen: Sie lieferten Fleisch, Fett, Felle, Leder, Sehnen und Knochen. Ebenso war Holz für das Feuer ein lebenswichtiger Rohstoff. Bis in die Jungsteinzeit blieben Steine die einzigen nicht biologischen Rohstoffe. Das änderte sich etwa 2200 v. Chr. Zu dieser Zeit gelang es der Menschheit erstmals, Kupfer zu gewinnen und zu verarbeiten. Die Zeit des Metalls begann und bald löste Bronze das Kupfer ab, um danach durch Eisen und später Stahl ersetzt zu werden. Der Hunger nach Rohstoffen verändert unsere Umwelt nicht erst seit den Industrialisierung: Schon die Römer entwaldeten grosse Gebiete Europas, um Brennholz und Holz für Waffen und Werkzeuge zu gewinnen. So sind im Mittelmeerraum grosse Flächen entstanden, die bis heute unbewaldet geblieben sind – sogenannte Macchie. Auch Schottland war früher fast ganz von einem riesigen Urwald bedeckt, der von der Steinzeit bis ins Mittelalter gerodet wurde. Zu keiner Zeit der Erdgeschichte hat ein Lebewesen die Erde so grundlegend verändert, wie es der Mensch heute tut.
EUROPA BRAUCHT VERLÄSSLICHE PARTNER
Werden uns künftig also Rohstoffe ausgehen? Wird die Energiewende dadurch gar nicht möglich sein? Grundsätzlich gibt es in der Erdkruste von allen Stoffen mehr als erforderlich. Ob sie sich aber in ausreichender Menge und umweltverträglich fördern lassen, ist unklar. Ebenso haben die Covid-Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt, wie fragil die weltweiten Lieferketten sind.
Als kritische Rohstoffe nennt das ISI Lithium, Platin, Kupfer, Kobalt, Seltene Erden und Grafit. Sie könnten im Zuge der Energiewende knapp werden. Es ist daher wichtig, in Zukunft neue Lagerstätten zu erschliessen – nach Möglichkeit in Europa oder anderen verlässlichen Ländern. Ein Beispiel hierfür ist Schweden, das künftig grosse Mengen Seltener Erden fördern wird. Denn auch wenn der Abbau dort teurer ist als in Entwicklungsländern: Längerfristig sind Versorgungsicherheit und Umweltschutz unverzichtbar und fallen wirtschaftlich mehr in Gewicht.