Speicherung von Elektrizität und Wärme
Die Schweiz kann heute etwa 14 % des benötigten Stroms speichern. Ein Überblick über bereits etablierte und neue Speichertechnologien.
Text — Raphael Hegglin
SPEICHERUNG VON ELEKTRIZITÄT
SONNENENERGIE UND WINDKRAFT HABEN GROSSES POTENZIAL
Rein theoretsich – übers Jahr bilanziert – könnten sie, zusammen mit Wasserkraft, den gesamten Schweizer Strombedarf decken. Doch die Bilanz hat einen Haken: Solarstrom fällt nur tagsüber an, zudem liegt es an den Launen der Natur, wann die Sonne zu sehen ist oder der Wind bläst. Auch ist der Tages- und Jahresverlauf des Stromverbrauchs nicht gleichmässig: Hierzulande steigt die Stromverbrauchskurve um fünf Uhr morgens steil an und bleibt bis 23 Uhr auf hohem Niveau – die Sonne liefert selbst im Sommer nur etwa zur Hälfte dieser Zeit Strom. Ähnlich verhält es sich übers Jahr betrachtet: Während der Wintermonate beziehen wir rund 20 % mehr Strom als im Sommer. Doch mit der Photovoltaik verhält es sich gerade umgekehrt: Sie liefert im Sommer viel und im Winter wenig Strom.
STROMSPEICHERUNG HEUTE
In der Schweiz wird fast der gesamte Strom in Speicherseen gespeichert. In Pumpspeicherkraftwerken lässt sich zudem überschüssiger Strom speichern, indem man damit Wasser in den Stausee zurück pumpt. Der Wirkungsgrad von Pumpspeicherkraftwerken liegt zwischen 75 und 80 %, was sie sehr effizient macht. Heute sind in der Schweiz über 15 solche Kraftwerke in Betrieb. Das grösste ist das Pumpspeicherwerk Limmern (Axpo) mit einer Leistung von 1000 MW. Batteriespeicher bilden heute die zweiten wichtigen Stromspeicher in der Schweiz. Im Einfamilienhaus haben sie sich in Kombination mit einer Photovoltaikanlage mittlerweile etabliert. Gebräuchlich sind Ladekapazitäten zwischen 5 und 15 kWh. Grössere Batteriespeicher für die Industrie und das Gewerbe sind mittlerweile ebenfalls standardmässig erhältlich – bereits mit Speicherkapazitäten von über 25'000 kWh. Der weltweit grösste Batteriespeicher ist jener des Solarkraftwerks Edwards & Sanborn in Kalifornien: Er kann 3,3 Mio. kWh Strom speichern.
STROMSPEICHERUNG IN DER ZUKUNFT
Batteriespeicher benötigen viele Rohstoffe und sind entsprechend teuer. Ziel der Forschung ist es daher unter anderem, einfachere sowie günstigere Speichertechnologien zu entwickeln. Folgende zählen zu den vielversprechendsten:
Hubspeicherkraftwerk (auch Gravitationskraftwerk): In ihnen werden massive Festkörper aus Gestein oder Beton mit überschüssigem Strom in die Höhe gehoben. Bei Bedarf lässt man die Festkörper wieder kontrolliert zur Erde sinken und treibt mit der Abwärtsbewegung Stromgeneratoren an. Wie im Pumpspeicherkraftwerk wird hier also Strom als potenzielle Energie zwischengespeichert. Führend auf diesem Gebiet ist unter anderm das Schweizer Unternehmen Energy Vault, das vor zwei Jahren in Arbedo-Castione (TI) erfolgreich ein Pilotprojekt betrieben hat. Anfang 2024 hat das Unternehmen nun das erste permanente Gravitationskraftwerk erbaut: Es steht im chinesischen Landkreis Rudong und hat eine Speicherkapazität von 100'000 kWh.
Hohlkugelkraftwerke: Hohle, verschlossene Betonkugeln werden im Meer versenkt. Durch eine Öffnung kann man bei Bedarf Wasser strömen lassen, das eine in die Kugel integrierte Turbine antreibt, die Strom erzeugt. Mit Stromüberschuss wird dann das Wasser wieder aus der Kugel gepumpt, der Unterdruck ist somit wieder hergestellt. Das Projekt StEnSea (Stored Energy in the Sea) des Fraunhofer-Instituts ist vielversprechend: Ihre Betonkugeln mit 35 m Durchmesser kann 20'000 kWh Strom speichern – und dies vergleichsweise günstig: In grossen Parks soll die Stromspeicherung mit etwa 2 Rappen pro kWh zu Buche schlagen.
Power-to-Gas: Diese Technologie etabliert sich zunehmend. Sie nutzt überschüssigen Strom, um Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Der erzegte Wasserstoff lässt sich in Brennstoffzellen nutzen, um Fahrzeuge anzutreiben, Strom zu produzieren oder Gebäude zu beheizen. Das Nebenprodukt Sauerstoff ist ein in der Industrie und Medizin gefragter Stoff und lässt sich ebenfalls gewinnbringend verkaufen. Allerdings: Der Wirkungsgrad dieses Verfahrens liegt bei 50 bis 70 %, alleine für die Stromspeicherung gibt es effizientere Technologien.
SPEICHERUNG VON WÄRME
Wärme fällt an vielen Tagen im Überschuss an, zu anderen Zeiten mangelt es an ihr und sie muss aufwendig erzeugt werden. Es lohnt sich daher, überschüssige Wärme zu speichern. In der Praxis gelingt es folgendermassen:
Sensible Wärmespeicherung: Klassische Beispiele sind der Speckstein am Holzofen oder Heizwasser-Pufferspeicher. Es sind also Systeme, die Wärmeenergie durch Temperaturerhöhung in Feststoffen oder Flüssigkeiten speichern. Sensible Wärmespeicherung ist einfach und kostengünstig. Sie ermöglicht jedoch nur eine kurzfristige Speicherung der Wärme.
Latentwärmespeicher: Sie können Wärme länger speichern und speichern nicht durch Temperaturänderung, sondern durch den Übergang zwischen zwei Phasen (z.B. fest zu flüssig). Das Besondere daran ist, dass während des Phasenwechsels die Temperatur des Materials konstant bleibt, obwohl Energie gespeichert oder abgegeben wird. Ein Beispiel sind Eisspeicher: Gefriert Wasser zu Eis, setzt das eine grosse Menge Energie frei (Schmelzwärme), ohne dass sich die Temperatur dabei ändert. Im Sommer lässt man das Eis im Speicher also schmelzen. Überschüssige Wärme wird so aus dem Gebäude entfernt und geht nicht verloren. Als weiterer Vorteil wird das Gebäude dadurch gekühlt. Im Winter wiederum lässt man das Wasser gefrieren, indem man ihm mittels einer speziellen Wärmepumpe Energie entzieht. Der Gefriervorgang setzt dabei viel Wärme frei. Eisspeicher werden seit Jahrzehnten eingesetzt, ihr Aufschwung begann aber erst vor etwa 15 Jahren.
Thermochemische Speicher: Ein thermochemischer Speicher speichert Wärmeenergie durch chemische Reaktionen, die umkehrbar sind. Mittels Wärmeenergie wird also eine chemische Reaktion ausgelöst. Die dabei entstehenden Produkte lassen sich über lange Zeiträume lagern. Wird die Wärmeenergie wieder benötigt, kehrt man die chemische Reaktion um und die gespeicherte Wärme wird freigesetzt. Ein Beispiel sind Gel-Taschenwärmer, die sich mit Heisswasser wieder aufladen lassen. Grosse thermochemische Speicher für den Gebäudebereich gibt es heute allerdings nicht serienmässig, doch wird auf der ganzen Welt intensiv an solchen geforscht.