MuKEn 2014
Wer baut oder renoviert, hat die kantonalen Bau- und Energiegesetze zu beachten. Die neuen Vorschriften mit dem Kürzel «MuKEn 2014» sorgten zuerst für Verunsicherung: In zwei Kantonen scheiterte die Gesetzesrevision in der Volksabstimmung. Doch inzwischen sind praktisch alle Kantone auf Kurs. Wir zeigen, was Hauseigentümer beachten sollten.
Text — Jürg Zulliger
Das Bauen in der Schweiz ist bekanntlich detailliert geregelt. Das Gewerbe, die Architekten oder letztlich auch alle Hauseigentümer müssen Bescheid wissen, was in ihrem Kanton gilt. Grundsätzlich streben die Bau- und Energiedirektoren der 26 Kantone eine Harmonisierung ihrer Energiegesetze an. All dies ist in den oft zitierten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) detailliert vorgegeben. Jeder Hauseigentümer muss sich zunächst die Frage stellen, ob in seinem Kanton die neuen, strengeren Bestimmungen gelten oder noch die Mustervorschriften aus dem Jahr 2008. Die Ausgabe 2014 stellt höhere Anforderungen an die Wärmedämmung und sieht eine verstärkte Förderung erneuerbarer Energieträger vor.
NEUE GESETZE IN 10 KANTONEN
KURZ ZUSAMMENGEFASST: Bis jetzt haben 10 Kantone die neuen Bestimmungen in ihre kantonalen Energiegesetze übernommen oder zumindest im Kantonsparlament verabschiedet: BS, BL, LU, OW, JU, VD, FR, AI, TG und GR. In allen anderen Kantonen müssen die Hauseigentümer die Richtlinien der früheren Mustervorschriften beachten.
Was bedeutet das konkret? Sobald ein Hauseigentümer Massnahmen mit energetischem Charakter umsetzt, muss er das Haus dem aktuellen Stand der Technik und damit dem geltenden Gesetz anpassen. Geht es also um einen Ersatz der Fenster, die Sanierung der Fassade, eine neue Dacheindeckung oder um den Ersatz der Heizung, sind die entsprechenden Bestimmungen zu beachten. In der Regel sind gewisse Systemgrenzwerte beim Energieverbrauch pro Quadratmeter Fläche oder Einzelanforderungen an das zu ersetzende Bauteil einzuhalten (so genannter U-Wert, d.h. Kennzahl für den Wärmedurchgang). Bei Neubauten ist ein hoher Anteil selbst erzeugter erneuerbarer Wärmeenergie anzustreben, auch ein Anteil Elektrizität durch die Eigenproduktion von Strom (Photovoltaik). Zu den erneuerbaren Wärmeenergien gehören vor allem Wärmepumpen, Fernwärmeanschlüsse, Holzheizungen (Stückholz, Schnitzel, Pellets) oder Solaranlagen.
Ähnlich wie beim Neubau müssen gemäss den MuKEn auch bei Sanierungen bestimmte Zielwerte erreicht werden. So darf zum Zeitpunkt des Wärmeerzeugerersatzes der Energieverbrauch von fossilen Energieträgern (Öl, Gas) maximal 90 Prozent betragen. 10 Prozent müssen mit erneuerbarer Energie oder besserer Wärmedämmung abgedeckt werden. Die MuKEn sind aber bewusst sehr offen abgefasst.
Hauseigentümer haben die Wahl zwischen 11 verschiedenen Varianten, um den Heizenergiebedarf zu senken. Dabei ist auch an diejenigen Fälle zu denken, wo gar keine weiteren Massnahmen notwendig sind. Ist zum Beispiel ein schon bestehendes – auch älteres – Wohnhaus bereits energieeffizient (mindestens Kategorie D nach dem Gebäudeenergieausweis GEAK), sind keine weiteren Massnahmen oder Sanierungen erforderlich. Dasselbe gilt für alle Gebäude, die nach Minergie zertifiziert sind.
INTERVIEW
Stefan Mischler*
«NULL-ENERGIEHAUS IST REALITÄT»
Jeder Hauseigentümer sollte Bescheid wissen, wo er mit seinem Haus punkto Energie steht. Das betont der Thurgauer Energieexperte Stefan Mischler.
HAUSmagazin: Im Kanton Thurgau gab es praktisch keine Opposition gegen das neue Energiegesetz, das sich an die MuKEn 2014 anlehnt. Weshalb?
Es war ein geschickter politischer Schachzug. Die zuständige Kantonsbehörde hat sehr klug und weitsichtig agiert. Auch einflussreiche Fachverbände waren auf unserer Seite. Hinzu kommt: Das administrative Verfahren und die Nachweise werden vereinfacht. – Also nicht mehr, sondern weniger Bürokratie.
Umstritten sind oft der Ersatz von alten Heizungen, aber weniger die Anforderungen im Neubau oder die Eigenstromproduktion bei Neubauten. Weshalb?
Die kantonalen Gesetze verlangen heute einen Standard, der früher dem Level von Minergie entsprach. Das ist auch gut so. Das entspricht dem Stand der Technik.
Sind die Umrüstungen und Sanierungen auch wirtschaftlich?
Das ist mehrfach belegt. Ich empfehle privaten Hauseigentümern, zur Orientierung einen GEAK oder einen GEAK plus machen zu lassen. Der GEAK ist in der Schweiz zwar nicht obligatorisch. Aber wer zum Beispiel ein Haus kauft, wird im ungünstigsten Fall über den Tisch gezogen. Vielleicht handelt es sich bei einem Altbau um eine «thermische Ruine». Die Sanierung und Umrüstung auf eine Wärmepumpe kostet dann bald einmal eine Grössenordnung von 100'000 Franken.
Teils hört man die Kritik, dass der Strom vom eigenen Dach im Winter nicht reicht, um den Bedarf inklusive Antrieb der Wärmepumpe zu decken. Was sagen Sie als Experte?
Damit sind wir genau bei der Grundfrage von Autarkie oder Autonomie. Autark ist ein Haus, wenn es selbst jederzeit so viel Energie erzeugt, wie gerade notwendig ist. Ich bin für die Variante Autonomie. Mit erneuerbarer Energie und Photovoltaik auf dem Dach ist es heute schon möglich, dass ein Gebäude über die Jahresbilanz betrachtet als Null-Energiehaus funktioniert. Die Speicherung der Energie und die Schwankungen beim Bedarf können durch die Energieunternehmen gedeckt werden.
* Stefan Mischler ist Präsident der Informationsgemeinschaft Passivhaus Schweiz und Präsident der Energiefachleute Thurgau.
INDIVIDUELLE LÖSUNGEN – JE NACH KANTON
Die Grundidee und Basiselemente der MuKEn sind unbestritten. Im Einzelnen sehen manche Kantone individuelle Varianten und noch weitere Punkte vor. Während zum Beispiel im Basismodul vor allem Wohnbauten im Fokus sind, setzen Kantone wie Thurgau oder Fribourg grundsätzlich für alle Gebäude ein Plus an Energieeffizienz und Verbesserungen voraus (also auch für Geschäfts- oder Bürohäuser etc.). Zu den Vorreitern gehört der Kanton Basel-Stadt: Hier waren von Anfang an die Weichen so gestellt, dass beim Ersatz einer alten Heizung zwingend auf erneuerbare Energie umgerüstet werden muss. Einen ähnlichen Kurs strebt jetzt auch der Kanton Zürich mit einem neuen Gesetzesentwurf an. Die Hürden für den Austausch einer alten Heizung mit fossilen Brennstoffen mit einer neuen Ölheizung sind dann wesentlich höher. Zulässig wäre dies höchstens noch, wenn die Gesamtkosten über den ganzen Lebenszyklus eindeutig höher ausfallen würden. Basel-Stadt setzte das neue Gesetz bereits 2017 in Kraft, in Zürich wird dies frühestens 2022 der Fall sein. Grundsätzlich muss das Gesetz im jeweiligen Kantonsparlament verabschiedet werden. Sofern es zu einem Referendum kommt, ist am Schluss der Entscheid in der Volksabstimmung massgeblich.
INTERVIEW
Oliver Brenner *
«VIEL DYNAMIK SPÜRBAR»
Die weitaus meisten Kantone haben bereits neue Energiegesetze verabschiedet oder bereiten diese vor, sagt der Experte im Interview.
HAUSmagazin: Die Umsetzung neuer Mustervorschriften im Gebäudebereich hat sich zunächst etwas verzögert. In Bern und Solothurn scheiterte das Vorhaben in der Volksabstimmung. Was ist der Stand heute?
Vielleicht war die Zeit damals noch nicht reif. Aber jetzt ist viel Dynamik spürbar. 10 Kantone haben neue Gesetze in Kraft gesetzt oder verabschiedet. Praktisch alle Kantone sind mit neuen Gesetzen in der Vernehmlassung oder in der parlamentarischen Beratung. Zürich will in Teilbereichen über die Mustervorschriften von 2014 hinausgehen. Das Berner Kantonsparlament beauftragte die Regierung, nach dem knappen Nein in der Abstimmung jetzt doch eine Gesetzesrevision in Angriff zu nehmen.
Oft gibt es Missverständnisse, es gebe eine Art Sanierungspflicht. Stimmt das?
Es gibt keine Sanierungspflicht. Und kein Hauseigentümer muss quasi «auf Vorrat» irgendwelche Massnahmen umsetzen. Bei Elektroheizungen ist zu beachten, dass diese innerhalb von 15 Jahren nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes ersetzt werden müssen. Grundsätzlich gilt: Wer umbaut und Installationen vornimmt, muss die gesetzlichen Vorschriften beachten – und die orientieren sich am Stand der Technik. Bei bestehenden Gebäuden gibt es eine breite Auswahl an Sanierungsmöglichkeiten. Je nach dem kann man eher in erneuerbare Energie investieren oder die Gebäudehülle und Fenster verbessern.
* Olivier Brenner, dipl. Ing., ist stellvertretender Generalsekretär bei der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren EnDK in Bern
ERNEUERBARE ENERGIE STÄRKEN
Die Tendenz ist klar: Öl- und Gasheizungen werden nach der Basisvariante der kantonalen Energiegesetze zwar nicht verboten; aber der Energieverbrauch ist zu reduzieren und der Anteil erneuerbare Energie zu erhöhen. Der in diesem Zusammenhang oft zitierte Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) ist in der Regel nicht vorgeschrieben. Ein GEAK oder ein GEAK plus (mit einem Bericht zu den Sanierungsoptionen) stellt für Hauseigentümer aber eine wichtige Hilfe dar, und zwar für ihre Planung und für eine fundierte Standortbestimmung. Zugleich ist der GEAK in der Regel ein wichtiges Instrument, um die kantonalen finanziellen Förderbeiträge beanspruchen zu können. Die entsprechenden Mittel sind derzeit gut dotiert. So ist es gut möglich, dass für eine energetische Sanierung 10 bis 20 Prozent aus den Fördermitteln finanziert werden können.
Bei der Umsetzung der MuKEn ging es in jüngster Zeit vorwärts (siehe Interview). Falls einzelne Kantone ihre Gesetze nicht anpassen, werden sie beim Ersatz eines Heizkessels ab dem Jahr 2023 voraussichtlich die Grenzwerte nach dem neuen CO2-Gesetz des Bundes anwenden müssen. Ganz im Zeichen der langfristigen Energiestrategie 2050: ein Plus an Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energie und deutlich weniger CO2-Emissionen.
ZUSAMMENFASSUNG
Die kantonalen Energiegesetze betreffen Hauseigentümer in der ganzen Schweiz: Normale Unterhaltsarbeiten, eine neue Küche oder ein neuer Anstrich sind davon nicht betroffen. Sobald aber ein Eigentümer energetisch eingreift – neue Fenster, Fassadensanierung, Heizungsersatz – muss er sich an das Gesetz in seinem Kanton halten. Die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) legen die Grenzwerte fest und zeigen Sanierungsvarianten auf. Um eine technisch und wirtschaftlich optimale Lösung zu finden, sollte man Sanierungen deshalb sehr sorgfältig planen.