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Überschüssigen Strom gibt es nicht

Die Produktionsmenge von Solar- und Windstrom schwankt. Fällt zu viel an, lässt sich damit umweltfreundliches Gas produzieren

Text — Raphael Hegglin

 

Eine Photovoltaikanlage produziert im Sommer bis zu sechsmal mehr Strom als im Winter. Und auch die Windkraft schwankt stark. An besonders sonnigen oder windigen Tagen wird daher zu viel Strom ins Netz eingespeist. Dieser lässt sich heute nur begrenzt speichern und geht zu grossen Teilen verloren. Eine seit langem etablierte Lösung, um dies zu verhindern, sind Pumpspeicherkraftwerke. Diese funktionieren so, dass mit dem überschüssigen Strom Wasser in ein Speicherbecken (oft ein Stausee) hochgepumpt wird. Bei Bedarf lässt sich dann mittels Wasserkraft erneut Strom zurückgewinnen.

Die Kapazitäten der Pumpspeicherwerke sind allerdings begrenzt, sie können die durch die Energiewende steigenden Mengen an überschüssigem Solar- und Windstrom nicht aufnehmen. Es braucht daher neue Techniken, um überschüssigen Strom zu speichern.

 

SCHWEIZ VORNE DABEI

Neben grossen Batteriespeichern – die noch nicht fertig entwickelt sind – ist die Power-to-Gas-Technologie ein weiterer, hoffnungsvoller Ansatz. Bei diesem forscht die ETH mit ihren Forschungsanstalten Empa und PSI international an der Spitze. Doch wie funktioniert Power-to-Gas genau? Die Technologie nutzt überschüssigen Strom, um Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile
Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Das Nebenprodukt Sauerstoff lässt sich an die Industrie weiterverkaufen, während der Wasserstoff ein wertvoller Energieträger ist. Er lässt sich in Brennstoffzellen nutzen, um Fahrzeuge anzutreiben, Strom zu produzieren oder Gebäude zu beheizen.


CO2-NEUTRALE ENERGIEQUELLE

In Wasserstoff-Brennstoffzellen wird aus dem Wasserstoff Strom zurückgewonnen; Brennstoffzellen-Heizungen produzieren Strom und Wärme. Dabei entsteht neben Elektrizität lediglich wieder Wasser. Verwendet man für die Power-to-Gas-Technologie also Strom aus erneuerbarer Energie, dann ist sie CO2-neutral. Der Wirkungsgrad von industriellen Power-to- Gas-Anlagen liegt heute bei knapp 50 %, Anlagen in der Forschung bringen es auf etwa 75 %. Ein erheblicher Teil des ursprünglichen Stromes geht also bei der Produktion des Wasserstoffs verloren. Power-to-Gas sollte daher nur mit überschüssigem Strom – der ohnehin verloren gehen würde – angewendet werden. Auch ist die Batteriespeicherung – wenn immer möglich – effizienter als der Umweg über Power-to-Gas.

INFO


SYNFUEL – SYNTHETISCHER KRAFTSTOFF

Noch ist die Mehrheit der Autos mit einem Benzin- oder Dieselmotor ausgestattet. Viele dieser Fahrzeuge haben heute eine lange Lebensdauer vor sich. Die Forschung beschäftigt sich daher auch mit der Herstellung synthetischer Flüssig-Treibstoffe. E-Fuels werden ebenfalls mit überschüssigem Strom hergestellt: Ausgangsprodukt ist mittels Power-to-Gas hergestellter Wasserstoff. Nun verbindet man diesen mit CO2. Jedoch nicht zu Methan (CH4), sondern zu langkettigen Kohle-Wasserstoff-Verbindungen, die flüssig und unserem Benzin oder Diesel ähnlich sind. Da die Herstellung von E-Fuel mehrere Reaktionsstufen erfordert, ist seine Herstellung jedoch weniger effizient wie jene von Gas.


ES BRAUCHT EINE GESAMTBETRACHTUNG

Eine Untersuchung der Volkswagen AG (VW) zeigt, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 76% haben, jener von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen liegt bei etwa 30%. Die Zahlen basieren auf der sogenannten Wellto- Wheel-Betrachtung. Der Ausdruck stammt noch aus einer Zeit, als nur Autos mit Verbrennungsmotoren existierten. Well to Wheel heisst übersetzt «Bohrloch zu Rad». Diese energetische Gesamtbilanzierung umfasst die Produktion des Energieträgers, seinen Transport und seine Lagerung wie auch den Wirkungsgrad des Motors bzw. Fahrzeugs. Die Well-to-Wheel-Betrachtung analysiert also, wie energieeffizient ein Verkehrsmittel gesamthaft ist, statt bloss den Wirkungsgrad von Motoren zu vergleichen.

 

AUS WASSERSTOFF WIRD METHAN

Der Vergleich der Gesamtwirkungsgrade (Well to Wheel) soll keinesfalls gegen die Produktion von Gas aus Strom sprechen, denn Wasserstoff hat viele Vorteile. So gestaltet sich das Tanken von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen ähnlich schnell wie bei Benzin- und Dieselfahrzeugen. In Bussen, Nutzfahrzeugen oder Lastwagen bringt ein Wasserstoffantrieb also klare Vorteile. Zudem fallen heute Stromüberschüsse an, die sich weder nutzen noch speichern lassen. Power-to-Gas ermöglicht es, dass dieser Strom nicht verloren geht. Wasserstoff speichern ist allerdings nicht einfach. Er muss dazu stark verdichtet – also unter Druck gesetzt – werden. Zudem durchdringen die kleinen Wasserstoffmoleküle zahlreiche Materialien, weshalb Wasserstoff-Gasdruckflaschen und -Leitungen aus relativ teuren Spezialmaterialien gefertigt sein müssen. Die Herstellung von Wasserstoff mittels Power-to-Gas muss
jedoch nicht das Ende der Produktionskette sein: Wasserstoff lässt sich zusammen mit CO2 (aus der Luft oder aus einer Biogasanlage) unkompliziert in Methan umwandeln. Der Vorteil des Gases Methan ist, dass es sich direkt ins Gasnetz einspeisen lässt, denn auch Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan.