Kühle Architektur ist gefragt
Bebaute Gebiete erhitzen sich im Sommer besonders stark. Doch wie heiss es in einem Haus wird, hängt massgeblich von der Siedlungsplanung und der Architektur ab.
Text — Raphael Hegglin
Der Klimawandel verursacht immer mehr Hitzetage. An solchen klettert das Thermometer über 30° C und sinkt in der darauffolgenden Nacht oft nicht mehr unter 20° C – man spricht von einer Tropennacht. Letztere ist das eigentliche Problem: Aus nichtklimatisierten Gebäuden lässt sich die tagsüber angestaute Wärme nur durch nächtliches Lüften abführen.
Während auf dem Land oder in Waldnähe die natürliche Nachtabkühlung meist gut funktioniert, gelingt sie in dicht bebautem Gebiet immer weniger. Grund dafür ist der Wärmeinseleffekt (UHI, urban heat island): Dach- und Fassadenflächen sowie Strassen und Plätze absorbieren die Wärmestrahlung der Sonne und speichern sie – ähnlich wie ein Speckstein-Ofen. Nachts wird diese Wärme dann abgestrahlt und die natürliche Abkühlung dadurch gebremst. Bereits über die letzten zehn Jahre hinweg war es in der Schweiz über zwei Grad wärmer als vor rund 150 Jahren. Und bis Mitte des Jahrhunderts dürften die Temperaturen weiter steigen. Das stellt den Städtebau vor neue Herausforderungen. So werden beispielsweise Grünflächen immer wichtiger: Sie sorgen für willkommene Abkühlung. Kommt hinzu, dass Sickerflächen immer wichtiger werden. Denn auch die Zahl der Extremniederschläge nimmt zu.
DER SÜDEN WEISS, WIE’S GEHT
Der Wärmeinseleffekt liesse sich stark reduzieren, wie ein Blick in den Süden zeigt. Dort kommt es niemandem in den Sinn, Häuser mit dunklen oder gar schwarzen Fassaden auszustatten. Denn sie laden sich an einem sonnigen Tag mit deutlich mehr Wärme auf als helle. Ebenfalls verzichtet man im Süden an Lagen mit grosser Sonneneinstrahlung auf grossflächige Fenster (z.B. südliche Ausrichtung). Auch das Leben draussen findet im Süden an anderen Orten als hierzulande statt. Innenhöfe und Atrien sind dort oft wichtiger als dem Haus vorgelagerte Gärten, da sie auch an Hitzetagen kühlen Schatten bieten. Dabei achtet man auch auf seitliche Öffnungen, damit der Wind durchblasen und Luft zirkulieren kann.
INFO
DER GARTEN IM KLIMAWANDEL
Schon heute leiden viele heimische Pflanzen unter den gestiegenen Temperaturen. Gut sichtbar ist das in den Wäldern des Mittellandes. Fichten haben hier vielerorts kaum mehr eine Überlebenschance und auch andere Baumarten sind gefährdet. Försterinnen und Förster experimentieren daher zunehmend mit Baumarten aus Süd- und Südosteuropa wie zum Beispiel Silberlinden, Hopfenbuchen oder Platanen. Auch im Garten haben es einige Pflanzen zunehmend schwer – dafür bekommen neue Arten eine Chance. Es ist daher sinnvoll, den Garten umzugestalten und für Trockenperioden zu wappnen. Stauden, die Sonne und Trockenheit gut vertragen, sind zum Beispiel Mädchenauge, Purpursonnenhut und Königskerze. Für den Topf eignen sich Petunien, Geranien, Husarenknopf, Bauernorchidee und Mittagsblume. Sie vertragen es, wenn die Erde für einige Zeit austrocknet.
GRÜN UND BLAU HAT ZUKUNFT
Doch die Architektur allein kann das Problem überhitzender Städte nicht lösen. Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt die Siedlungsplanung. Dabei gilt: Pflanzen, insbesondere Bäume, und Gewässer kühlen, Beton und Stein begünstigt hingegen die Überhitzung. Zukunftstaugliche Städte sind daher so grün wie möglich. Dazu müssen Dächer und Fassadenflächen begrünt sein und zugepflasterte Plätze bepflanzt werden. Hilfreich – und nicht nur schön – ist es auch, wenn eingedeckte Bäche und Kanäle wieder freigelegt werden. Das aus ihnen verdunstende Wasser leistet einen wichtigen Beitrag zum natürlichen Kühleffekt.