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Klimaerwärmung: Es wird wärmer! Na und?

Die Klima-Diskussion führt zunehmend in die Extreme. Während die eine Seite apokalyptische Zustände heraufbeschwört, belächelt die andere das Thema als menschliche Hysterie. Ein Versuch für mehr Pragmatismus.

Text — Raphael Hegglin

 

«Zahlen lügen nicht», sagt der Volksmund. Es überrascht daher nicht, dass sich Politiker – genauso wie die schreibende Zunft – gerne Zahlen bedienen, um den Wahrheitsgehalt ihrer Sache zu untermauern. Doch ist es in Realität nicht oft so, dass sich mit Zahlen besonders einfach lügen lässt? Dazu muss man sie nicht einmal manipulieren: Es reicht, sie nach eigenem Gutdünken zu interpretieren.

Auch beim Thema Klimaerwärmung dreht sich zunächst einmal alles um Zahlen und Statistiken. Viele von ihnen sind wissenschaftlich belegt und sie lassen sich kaum mehr bezweifeln. Welche Folgen sie haben, darüber herrscht allerdings nicht immer Konsens – selbst in der Wissenschaft nicht.

 

DATEN SEIT 1850

Was gilt punkto Klimaerwärmung als gesichert? Die wohl wichtigste Zahl, die sich dank kontinuierliche Messungen nachweisen lässt, ist der Temperaturanstieg auf unserem Planeten. Denn meteorologische Stationen erfassen seit über 150 Jahren auf der ganzen Welt die aktuellen Tagestemperaturen und protokollieren sie. Die längste bis heute durchgehende Temperaturmessreihe ist übrigens jene der niederländischen Ortschaft De Bilt. Sie besteht schon seit dem Jahr 1700.

Flächendeckend werden Temperaturdaten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfasst. Sie belegen, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde seit 1850 um etwa 1,5° C gestiegen ist. Laut National Centre for Climate Services NCCS des Bundes hat in der Schweiz die bodennahe Lufttemperatur in dieser Zeit sogar um etwa 2,5° C  zugenommen – also deutlich mehr als im weltweiten Durchschnitt.

 

WORTE STATT TATEN

Was ist der Grund für den weltweiten Temperaturanstieg? Für die Mehrheit der Wissenschaftler ist es der zivilisationsbedingte Ausstoss an Treibhausgasen, allen voran CO2. Sie stützen sich dabei auf das Phänomen des Treibhauseffekts (siehe Infobox «Das ist der Treibhauseffekt») sowie auf Messdaten zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Diese Konzentration hat man für die vergangenen 150 Jahre ermittelt und herausgefunden: Heute befindet sich rund 40 % mehr CO2 in unserer Atmosphäre als im Jahr 1850. Der Konzentrationsanstieg des CO2 in der Atmosphäre verlief dabei proportional zum Temperaturanstieg. 

Das Klimaabkommen von Paris hat zum Ziel, diesen Temperaturanstieg von auf maximal 2° C zu begrenzen, was nur mit einer drastischen Reduktion des CO2-Ausstosses gelingen kann. Dass die Ziele des Klimaabkommens erreicht werden, darf allerdings bezweifelt werden: Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen nimmt weltweit nicht ab, ebenso wenig wie der CO2-Ausstoss. Für viele Nationen bleibt es denn auch bei einem Lippenbekenntnis – allen voran die Länder mit dem grössten CO2-Ausstoss: China, die Vereinigten Staaten, Indien und Russland.

INFO

DAS IST DER TREIBHAUSEFFEKT

Der natürliche Treibhauseffekt bewirkt, dass sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde bei etwa +15° C eingependelt hat. Ohne diesen Treibhauseffekt gäbe es auf der Erde kein Leben, die Durchschnittstemperatur läge etwa bei –18° C. 

Der Treibhauseffekt funktioniert folgendermassen: Von der Sonne gelangt kontinuierlich Strahlungs-Energie auf die Erde. Ein Teil dieser Sonnenenergie wird von der Erdoberfläche aufgenommen, wodurch sie sich erwärmt. Die Erdoberfläche strahlt diese Wärme allerdings wieder Richtung Weltall ab. 

Einen Teil davon nehmen Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2), Methan sowie Wasserdampf, die sich in der Atmosphäre befinden, auf – und strahlen sie wieder auf die Erde zurück. Die Sonnenenergie wird durch diesen Effekt also doppelt genutzt, was zu mehr Wärme und einer höheren Temperatur auf der Erde führt.

Wieviel Wärme zur Erde zurückreflektiert wird, hängt von der Konzentration an Treibhausgasen und Wasserdampf in der Atmosphäre ab. Zum Vergleich: Im Zeitalter des Eozän vor rund 50 Millionen Jahren war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre mehr als doppelt so hoch heute. Die Durchschnittstemperaturen lagen dadurch etwa bei etwa + 25° C, also 10° C über der heutigen. Das Gebiet, wo sich die heutige die Schweiz befindet, war damals tropisch und feucht und ist mit unserer Landschaft nicht vergleichbar.

 

WETTER IST NICHT GLEICH KLIMA

Die Szenarien für den weiteren Temperaturanstieg in der Schweiz reichen von 0,5°C bis 6 °C bis zur Jahrhundertwende. Doch was passiert überhaupt, wenn die Durchschnittstemperaturen um einige Grad Celsius ansteigen? Ist es nicht so, dass selbst an einem wechselhaften Tag Temperaturunterschiede von 10° C nichts Besonderes sind? Der Punkt ist, dass Wetterschwankungen nichts mit dem Klima zu tun haben. Dazu ein Ländervergleich: Im Schweizer Mittelland liegen die durchschnittlichen Jahrestemperaturen bei rund 10° C, in Spanien und Italien bei etwa 14° C. Es sind also nur 4° C, die unser gemässigtes Klima vom südländischen mit seinen Hitze- und Trockenperioden unterscheidet.

Welches Klima an einem Ort herrscht, bestimmt jedoch nicht nur die Temperatur bzw. die Sonneneinstrahlung. Ausschlaggebend sind zudem die Geologie, vorhandene Gewässer und die Vegetation. Bei einem weiteren Temperaturanstieg von zwei bis drei Grad Celsius wird die Schweiz also nicht automatisch zu einem zweiten Spanien.

 

SZENARIEN FÜR DIE SCHWEIZ

Was sich durch den Klimawandel in der Schweiz alles verändern wird, lässt sich durch Klimamodelle abschätzen. Das NCCS rechnet mit folgenden Szenarien:

  • Hitzeextreme, Hitzestress und Hitzewellen nehmen zu: Dadurch steigt die Zahl der Hitzetoten und die Produktivität nimmt in den Sommermonaten ab.
  • Mehr sommerliche Trockenperioden: Es kommt häufiger zu Ernteausfällen, Waldbränden und Waldsterben.
  • Kälteextreme und Kältewellen nehmen ab: Die Winter werden milder, wodurch weniger Wasser in Form von Schnee und Eis in den Bergen gespeichert wird.
  • Stark- und Extremniederschläge werden häufiger: Es kommt vermehrt zu Überschwemmungen, Murgängen, Erdrutschen und Wasserschäden.
  • Unklar ist momentan noch, welche Auswirkungen die Klimaerwärmung in der Schweiz auf Stürme und Hagel hat. Einige Szenarien gehen davon aus, dass auch diese ebenfalls zunehmen werden.

Wie ausgeprägt die Folgen des Klimawandels sein werden, ist umstritten. Genauso wie die Umweltschutzmassnahmen, welche getroffen werden sollen. Dabei geht eines vergessen: Schon heute machen sich negative Folgen bemerkbar und vieles lässt sich nicht mehr aufhalten. Der Fokus darf daher nicht mehr nur auf dem Kampf gegen die Klimaerwärmung liegen. Ebenso wichtig ist es, dass wir mit den unabänderlichen Folgen dieses Wandels leben lernen – und dazu ist trotz der warmen Temperaturen ein kühler Kopf gefragt.