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Die Energiewende braucht digitalisierte Stromnetze

Energiequellen und -netze müssen sich in Zukunft intelligent steuern lassen. Nur so ist gewährleistet, dass die Energieeffizienz steigt und die Versorgungssicherheit erhalten bleibt.

Text — Raphael Hegglin

 

Unser hierzulande produzierter Strom stammt zu rund 53 % aus Wasserkraft, zu 36 % aus Kernkraft und zu 10 % aus Photovoltaik, Wind und Biomasse. Aufgrund der Stauseen und Kernkraftwerke lässt sich die Stromproduktion heute meist gut an den tageszeitlich und saisonal schwankenden Verbrauch anpassen.

Bis der Strom aus den Steckdosen fliesst, muss er allerdings einen weiten Weg zurücklegen: Das Schweizer Stromnetz hat eine Gesamtlänge von rund 250'000 Kilometern und umfasst über 600 Netzbetreiber. Verglichen mit anderen Ländern schneidet unser Stromnetz gut ab. Es kommt selten zu Stromunterbrüchen und wenn, dann sind sie von kurzer Dauer.

 

STROMNETZ MUSS WACHSEN

Doch um eine Überlastung zu vermeiden, müssen einzelne Kraftwerke immer häufiger ihre Produktion drosseln. Denn das Übertragungsnetz hat mittlerweile nicht immer ausreichend Kapazität, um den erzeugten Strom aufzunehmen. Mit der Zunahme an Photovoltaik und Windkraft wird sich dieses Problem zuspitzen. Das Schweizer Stromnetz muss daher dringend ausgebaut werden. Das klingt einfacher, als es ist: Genauso wie der Bau neuer Kraftwerke oft an Einsprachen scheitert, verzögern sie neue Hochspannungsleitungen – auch sie sind Eingriffe in die Natur, welche auf Widerstand stossen. Immer mehr Politikerinnen und Politiker möchten daher die Einspruchsmöglichkeiten beim Netzausbau begrenzen. Dies ist jedoch nicht möglich ohne Abbau von Rechten, und es gibt heute keine Pläne dazu, wie sich dies auf Gesetzesebene umsetzen liess. Die Debatte darüber hat erst begonnen.

 

NACHFRAGE AUF ANGEBOT ABSTIMMEN

Es reicht zudem nicht, einfach mehr Kabel zu verlegen. Unser Stromnetz muss zeitgleich intelligent werden: Als sogenanntes Smart Grid kann es mit den Verbrauchern kommunizieren und Daten austauschen. Unterstützt durch künstliche Intelligenz lassen sich Wetterdaten sowie Verbrauchs- und Produktionsmuster analysieren. Elektrizitätswerken gelingt es so besser, die schwankenden Stromverbräuche bedarfsgerecht zu decken und das Stromnetz gleichzeitig zu entlasten. Strommangel soll genauso vermieden werden wie eine Überproduktion, welche mit Verlusten verbunden ist.

Die Pläne reichen weit über das Steuern des Verteilnetzes hinaus: Im Smart Grid sollen ebenfalls die Verbraucher gesteuert werden. Wann und mit wieviel Leistung zum Beispiel ein Elektroauto geladen wird oder wann eine Waschmaschine läuft, soll künftig auch vom aktuellen Stromangebot abhängen.

INFO

SMART METER UND DATENSICHERHEIT

Laut Infobroschüre «Smart Meter» von EnergieSchweiz werden mit den neuen Smart Metern Verbrauchsdaten gesammelt und gespeichert. Dazu messen die Geräte laufend den Stromfluss und speichern die Daten viertelstündlich lokal ab. Einmal täglich übertragen sie diese dann ans Elektrizitätswerk. Primär dienen die Daten dazu, die Stromrechnung zu erstellen. Mit einem Smart Meter muss der Stromverbrauch also nicht mehr im Haushalt selbst – durch einen Mitarbeitenden des Elektrizitätswerks – abgelesen werden. Im Weiteren sollen die Daten eine Optimierung des Stromnetzes durch den Netzbetreiber ermöglichen. Momentan noch nicht vorgesehen ist eine externe Steuerung der Stromverbräuche.

Laut Gesetz gehören die gesammelten Daten allein den Endkunden. Sie entscheiden, wer sie ausser dem Netzbetreiber erhalten und nutzen darf. Zugriff auf die Daten haben daher nur die Kundinnen und Kunden sowie der Netzbetreiber. Doch wie sicher sind die Daten? Die Daten unterliegen den Datenschutzvorschriften des Bundesgesetzes über den Datenschutz. Die Datenübertragung vom Smart Meter zum Netzbetreiber erfolgt verschlüsselt und der Netzbetreiber speichert die Daten verschlüsselt unter einem Pseudonym. Die Daten der Smart Meters enthalten keine heiklen Personendaten wie zum Beispiel ein Geburtsdatum oder Kreditkarteninformationen. Laut EnergieSchweiz erfüllen Smart Meter die an sie gestellten, hohen Sicherheitsanforderungen und können als sicher eingestuft werden.

Das Missbrauchspotenzial könne deshalb als gering eingeschätzt werden. Nicht alle teilen diese Meinung. Neben der Kritik an einer möglichen staatlichen Überwachung besteht die Gefahr von Hackerangriffen. Denn ein Smart Grid ermöglicht zwar mehr Energieeffizienz, ist jedoch auch verwundbarer als ein herkömmliches Stromnetz. Insbesondere wenn Smart Meter dereinst nicht nur analysieren, sondern auch steuern können. Durch einen Hackerangriff liesse sich im schlimmsten Fall die gesamte Schweiz lahmlegen, so die Befürchtungen. Das Thema Cyber Security wird daher immer wichtiger, und die Schweiz hat hier noch vielerorts Aufholbedarf.


GETEILTE STROMSPEICHER

Eine weitere Vision ist es, Elektroautos und weitere Akkus am Netz für die Allgemeinheit zu nutzen, um überschüssig anfallenden Strom kurzfristig zwischenzuspeichern zu können. Die Idee ist ähnlich wie beim Internet: Viele kleine Einheiten schliessen sich zu etwas Grossem zusammen. Doch auch das wird erst möglich sein, wenn Netz und Verbraucher miteinander kommunizieren können und sich letztere von aussen steuern lassen.

Eine andere Form der sogenannten Strom-Cloud ist an manchen Orten bereits Realität geworden: Bei dieser verleihen private Anbieter für eine monatliche Gebühr einen Teil ihrer Stromspeicher-Kapazität an Betreiber von Photovoltaik- Anlagen. So müssen diese ihre Batteriespeicher nicht überdimensionieren.

 

SMART METER FÜR ALLE HAUSHALTE

Doch was braucht es, damit unser Stromnetz intelligent wird? Zentrale Bestandteile sind die Smart Meter. Diese digitalen Stromzähler werden ins Kommunikationsnetz des Smart Grid eingebunden. Dort erfassen sie in Echtzeit Verbrauchsdaten und übermitteln diese ans Elektrizitätswerk. Durch die so gewonnen Daten lassen sich Verbrauchsmuster erkennen und Stromverbräuche prognostizieren.

Laut Gesetz müssen in drei Jahren mindestens 80 Prozent aller Haushalte mit einem Smart Meter ausgestattet sind. Denn das Smart Grid ist wichtiger Bestandteil der Energiestrategie 2050. Zahlreiche Elektrizitätswerke sind daher daran, alte Stromzähler durch Smart Meter zu ersetzen.

 

WAS GEBEN WIR PREIS?

Der Fahrplan verzögert sich: Bis heute ist nicht einmal ein Drittel der Haushalte mit einem Smart Meter ausgestattet. Zudem steht die neue Technologie auch in der Kritik: Die Elektrizitätswerke können dadurch genau sehen, wie und wann jemand wieviel Strom verbraucht. Nicht nur über die Lebensgewohnheiten lässt sich daraus einiges interpretieren, sondern man sieht auch, wann jemand anwesend ist und nicht.

Noch weiter werden die Eingriffe gehen, wenn sich über das Smart Grid einzelne Verbraucher in einem Haus steuern lassen. Kritische Stimmen sehen darin schwere Eingriffe in die persönliche Freiheit – und die Gefahr, gegängelt werden zu können. Das Smart Grid ist daher nicht nur eine technologische Herausforderung: Ebenso wichtig sind die damit verbundenen Fragen rund um die Datensicherheit und die persönlichen Freiheiten.