Mehrhundehaltung
Oft leben Hunde nicht nur mit ihren Herrchen und Frauchen zusammen, sondern teilen ihren Alltag gleich mit mehreren Kollegen. Eigentlich positiv, wenn die Pelznasen ordentlich Kontakt zu ihresgleichen haben. Doch stellt die Mehrhundehaltung die Besitzer vor nicht zu unterschätzendende Herausforderungen.
Text — Karin Haenni Eichenberger
EIN HUND MEHR, WAS MACHT‘S SCHON AUS?
Ein häufig gehörtes Statement. Aber: Hunde unter sich können eine starke Gruppendynamik entwickeln. Klar, so manches ist mit Artgenossen aufregender. Dennoch sind die Halter gleich mehrfach in der Pflicht, ist man doch mit unterschiedlichsten Individuen zusammen und unterwegs. Ein schöner, ruhiger Spaziergang mit den Lieblingen ist mehr Wunschdenken als Realität: Während der eine Bello lieber an einem Busch schnüffelt, bevorzugt der andere das Buddeln nach Mäusen und der Kollege möchte am liebsten eine entgegenkommende Pelznase verscheuchen ... genau dies benötigt vom Menschen extrem viel Aufmerksamkeit, um Konflikte zu vermeiden.
INDIVIDUELLE HUNDEERZIEHUNG NÖTIG
Individuelle Erziehung ist für ein harmonisches Einfügen ins Hundeensemble unumgänglich. So ist ein guter Rückruf jedes einzelnen Tiers ein Muss. Ebenso das Warten. Letzteres will heissen, die ganze Gruppe soll auch bei Ablenkung ruhig warten können. Regelmässiges Training während der Spaziergänge gehört dazu. Ungemach ist vorprogrammiert, wenn plötzlich die ganze Meute auf einen anderen Hund oder einen Menschen zustürmt. Man darf von einem Mehrhundehalter unbedingt erwarten, dass er seine Vierbeiner im Griff hat.
DIE EXPERTIN
Natalie Schafroth,
ehem. Marketing-
Verantwortliche,
Meiko
Heimtierbedarf AG
EIN HUNDETEAM, DAS SICH IM ALLTAG GUT VERSTEHT . . .
…das ist die Idealvorstellung der meisten Mehrhundehalter. Doch nicht immer können sich die Hunde nach dem aufregenden Spaziergang entspannen oder möchten eine zweite Spielrunde einlegen. Spricht grundsätzlich nichts dagegen. Doch umso mehr Energie in einem Hundegespann steckt, desto wichtiger
sind die Ruhezeiten jedes einzelnen Hundes. Sowieso, wenn ein Welpe oder Junghund zu einem erwachsenen oder gar älteren Hund ins Haus kommt. Junge Hunde lieben es, zu spielen und herumzutollen. Sie strotzen vor Energie und überfordern den einen oder anderen adulten Hund auch schon mal. Hier hat der Mensch dafür zu sorgen, dass beide Hunde ihre Ruhezeiten bekommen. Fehlt die Impulskontrolle, schön brav auf dem Schlafplatz zu liegen, bieten sich verschiedene Management-Massnahmen an. Entweder trennt Frauchen oder Herrchen die Tiere räumlich oder verweist die Hunde auf
ihre Schlafplätze. Einem Hund mit «Hummeln im Hintern» hilft man, indem man ihn auf seinem Plätzchen anbindet und ihn nach der Ruhephase wieder freigibt. Entspannung und genügend Schlaf sind für Hunde genauso wichtig wie soziale Interaktion, Auslastung und genügend Schnüffelzeiten während dem Spaziergang.
DIE GRUPPENZUSAMMENSETZUNG IST WICHTIG
Gerade bei der Zusammenführung von erwachsenen Hunden ist ein gutes Gespür vonnöten, denn jeder Bello bringt seinen eignen Rucksack, respektive seine ei-genen Erfahrungen, Vorlieben und Ängste mit. Es ist empfehlenswert, das erste «Date» auf neutralem Boden stattfinden zu lassen. Also ausser Haus. Wichtig: Erwachsene Tiere finden Welpenneuzugang nicht naturgegeben lässig. Damit’s doch klappt, muss der Halter lenkend und regulierend zur Seite stehen. Kein Hund soll unter die Räder geraten. Die Tiere müssen lernen, miteinander zu kommunizieren und einander zu respektieren. Ein Welpe wird beispielsweise begreifen müssen, einen älteren Kollegen auch einfach mal in Ruhe zu lassen. Gleichfalls soll ein älteres Semester verstehen, dass nicht alles Spielzeug automatisch ihm gehört, nur weil es schon länger damit rumtollt.
ORDNUNG MUSS SEIN, WUFF!
Damit Mehrhundehaltung nicht zum Chaos verkommt, sind Ordnung und Struktur nicht wegzudenken. So sollte man sich etwa überlegen, wo sich die Hunde an der Leine positionieren. Zwei links, zwei rechts? Wer neben wem? Zudem ist es nicht ganz einfach, mehrere Leinen gemeinsam geordnet zu halten. Die Hunde brauchen klare Anweisungen des Menschen, die sie zu befolgen haben. Auch ist ein «zivilisiertes» Gehen an Leine eine weitere Grundvoraussetzung. Das Ziehen eines einzelnen Individuums mag ja noch angehen. Zieht die ganze Gruppe, dann «guet Nacht am sächsi». Auch, weil sich durch die massive Unruhe an der Leine beim späteren Ableinen eine ernome Energie entladen kann. Und: Die Hunde müssen in der Lage sein, einzeln in Ruhe an der Leine zu spazieren, selbst wenn die Kollegen frei laufen dürfen. Für Mensch und Tier gilt in jedem Fall: Übung macht den Meister.
INFO
RECHTLICHES FÜR MEHRHUNDHALTUNG
Das Bundesgericht hat vor einigen Jahren die sogenannte Berner Praxis bestätigt, gemäss der die Haltung von drei bis vier Hunden in der Wohnzohne noch als zulässig zu betrachten ist. Wer in einer Wohnzone mehr als drei Hunde halten möchte, sollte sich vorgängig mit der Gemeinde in Verbindung setzen, um nicht Gefahr zu laufen, innerhalb einer gewissen Frist seinen Hundebestand reduzieren oder gar umziehen zu müssen.
Quelle: Lic. iur. Andreas Rüttimann, rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter von der Stiftung Tier im Recht (TIR)
WENN’S MIT DER GEMEINSCHAFT NICHT GEIGT
Wenn trotz aller Bemühungen, trotz aller Liebe und Geduld sich ein Hund einfach nicht in die Gemeinschaft integrieren kann oder will, dann bleibt leider nichts anderes übrig, als für ihn ein neues Lebensplätzchen zu suchen. Um weiteren Stress für das Tier, die anderen Hunde und für den Halter zu vermeiden.
MEHRHUNDEHALTUNG FAZIT
Das Halten mehrerer Hunde kann zweifelsohne sehr bereichernd sein. Man muss sich als Halter jedoch bewusst sein, dass dies Anstrengung und Herausforderung zugleich bedeutet. Wer vorbehaltlos und von ganzem Herzen Ja zu mehr Arbeit, mehr Kosten und mehr Verantwortung sagen kann, dann bietet einem die Mehrhundehaltung allerdings einen hoch interessanten Einblick in das erstaunliche soziale Zusammenleben von Hunden.