Schweizer Bäuerinnen verraten Ihre Tricks
In den meisten Bauerngärten blühen und gedeihen die Pflanzen, dass man grün vor Neid werden könnte. Was sind die Geheimnisse der Bäuerinnen?
Text — Tanja Seufert
Sie sind die Expertinnen, wenn es um die Pflege, Ernte und Verarbeitung von Nutzpflanzen geht: die Bäuerinnen. Viel Arbeit, Herzblut und Wissen steckt in den üppigen Gärten, auf die man vom Wegesrand aus einen Blick erhaschen kann. Und auch in den Produkten, die in Hof- und Dorfläden in den Regalen stehen. Das HAUSmagazin wollte von Schweizer Bäuerinnen wissen, mit welchen Tricks sie ihre Gemüse- und Obstpflanzen, Kräuter, Beeren und Blumen aufziehen und wie sie ihre Ernte verarbeiten.
«AUS UNKRÄUTERN LÄSST SICH EIN FLÜSSIGDÜNGER HERSTELLEN»
Barbara Kunz, Ersigen BE
«Von diversen Salaten über Kohlgemüse über Früh- und Süsskartoffeln bis Stangenbohnen wächst in meinem Garten so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Neben dem Gemüse ziehe ich auch viele Beeren- und Kräutersorten. Als gelernte Gärtnerin ziehe ich das meiste selbst aus Samen. Wenn ich Samen kaufe, dann nur solche von hoher Qualität, die bio-zertifiziert sind. Dafür zahle ich gerne etwas mehr. Es dürfen keine Hybridsamen sein, denn aus diesen Pflanzen lässt sich kein neues Saatgut gewinnen. Ich ziehe gerne zwei oder drei Generationen lang neue Pflanzen.
Da ich biodynamisch gärtnere, ist mir Biodiversität sehr wichtig, zum Beispiel säe ich nur einheimische Blumen aus und achte auf die Mondphasen. So sollte man Stangenbohnen nur bei zunehmenden Mond pflanzen und Wurzelgemüse wie Rüebli an Wurzeltagen. Wichtiger ist allerdings Geduld: Vieles sollte man erst nach den Eisheiligen setzen, da vorher der Boden noch zu kalt ist.
Ich setze auf so genannte EM, Effektive Mikroorganismen. Diese kann man kaufen. Aus den EM stelle ich ein ‘Bokashi’ her: Ich mische sie mit Rasenschnitt, fülle die Mischung in luftdichte Säcke und lasse sie rund vier Wochen vergären. Mit Strohhäcksel vermischt, ergibt das eine wunderbare Mulchschicht. Es bildet sich neuer Humus, und der Boden erhält Nährstoffe.
Unkräuter wie Giersch, Löwenzahn und Brennnesseln lege ich etwa zwei Wochen in Wasser ein. Wenn der Pflanzenauszug aufhört zu schäumen, ist der Gärprozess fertig. Im Verhältnis 1:8 mit Wasser verdünnen und schon hat man einen Flüssigdünger.
Ein anderer Trick, um den Boden zu versorgen: Kaffeesatz. Man kann den getrockneten Kaffeesatz direkt in die Erde einhäckerlen – ausser bei Jungpflanzen – oder 2 EL auf 10 l ins Giesswasser geben. Kaffeesatz hilft auch gegen Katzen und Schnecken. Gegen letztere sind ebenfalls Tannennadeln um die Pflanzen hilfreich. Schnecken mögen den Duft nicht und verletzen sich an den Nadeln, deshalb bleiben sie fern. Gegen Spinnmilben verwende ich Brennnessel- oder Ackerschachtelhalm-Sud, gegen Mehltau besprühe ich die Pflanzen mit Rohmilch, bis sie ganz nass ist. Das hilft sehr effizient.»
GLOSSAR
WICHTIGE BEGRIFFE IM ÜBERBLICK
- Biodynamisch: Die biologisch-dynamische Lebensmittelproduktion ist eine ganzheitliche Form der ökologischen Landwirtschaft, u.a. bekannt unter dem Label Demeter
- Bokashi: Aus Küchenabfällen und/oder anderen organischen Stoffen und EM hergestellter Dünger
- Brennnesseljauche oder -auszug: Aus Brennnesseln und/oder anderen Pflanzen (Unkräutern) gewonnener Dünger und natürliches Mittel gegen Blattläuse
- Champost: Nebenprodukt aus der Champignonzucht; dient als Kompost
- Effektive Mikroorganismen (EM): Flüssige Mischkultur mit nützlichen Bakterienstämmen und fermentaktiven Pilzen, Zugabe für Bokashi und weitere Anwendungszwecke im Garten
- Hornspäne: Aus Hörnern und Klauen von Rindern gewonnener organischer Dünger
- Mulchen: Abdecken des Bodens mit organischem Material (Rasenschnitt, Stroh, Laub, gehäckselte Zweige etc.). Schützt den Boden vor Austrocknung und Unkraut.
- Steinmehl: Auch Ursteinmehl, Beigabe für selbst gemachten Dünger oder vorbeugend gegen Kohlfliege
- Wurzeltage: Die Tage, an denen man Wurzelgemüse pflanzen sollte (biodynamisches Gärtnern)
«HORNSPÄNE UND STEINMEHL ERGEBEN EINEN NATÜRLICHEN LANGZEITDÜNGER»
Rita Kaufmann, Kulmerau LU (risi-hof.ch)
«Ich habe zwei Gärten: Im Bauerngarten wachsen vor allem Heilkräuter und essbare Blumen, zum Beispiel Beinwell, Ysop, Hopfen, Thymian, Lavendel und Rosen. Im zweiten Garten ziehe ich Kräuter für Tee-, Kräuter- und Salzmischungen, die wir verkaufen. Im Heilpflanzengarten darf es gerne wild sein, oft suchen sich die Pflanzen ihren Standort selber aus. Es gibt wenige Pflanzen, die man etwas eindämmen muss, weil sie sich sonst überall ausbreiten, zum Beispiel Malven und Distelarten. Die meisten Kräuter brauchen nicht viel Wasser, so dass ich nur in Trockenperioden giessen muss. Und die meisten mögen einen vollsonnigen Standort. Grundsätzlich gilt: Pflanzen mit kleinen, dünnen, nadeligen Blättern sind sonnenliebend, solche mit grossflächigen Blättern brauchen mehr Schatten.
Auch was Nährstoffe betrifft, sind Kräuter anspruchslos. Im Frühling mische ich beim Jäten eine Mischung aus Hornspänen und Steinmehl in den Boden, das ist ein natürlicher Langzeitdünger. Unserem von Haus aus lehmigen Boden haben wir ganz am Anfang Sand beigemischt. Ein weiterer Tipp: mulchen! Mit Mulch bleibt der Boden rund um die Jungpflanzen feucht und frei von Unkraut. Diesen Tipp habe ich von meiner Mutter, die gelernte Gärtnerin ist. Dank ihr habe ich dieses Jahr auch erstmals Sonnenblumen im Kräutergarten gesät, diese lockern durch ihre starke Wurzeln den Boden auf.
Zum Glück sind Kräuter nicht so anfällig auf Schädlinge und Krankheiten, deshalb komme ich ohne chemische Mittel aus. Tritt Mehltau auf, erntet man die gesunden Teile und schneidet den Rest zurück. Blattläusen kann man mit Brennnesselwasser – in Wasser eingelegte frische Brennnesseln – beikommen. Und Schnecken lese ich von Hand ab.
Kräuter sollte man übrigens bei trockenem, am besten sonnigen Wetter ernten. Trocknet man sie zu Sträusschen zusammengebunden, sollte man später auch die Stiele nutzen, denn ein grosser Teil der Wirkstoffe ziehen sich beim Trocknen in den Stengel zurück. Alternativ kann man die Blätter abzupfen und diese zum Beispiel im Dörrex trocknen. Möchte man ganz sicher sein, dass kein Viechli mehr in den Blättern ist, legt man die getrockneten Blätter einfach eine Nacht in den Gefrierer.»
«IM HAUSGARTEN DIENT DAS UNKRAUT DER BIODIVERSITÄT»
Helen Schmid, Wittnau AG (erlenhof-wittnau.ch)
«In meinem Garten wachsen diverse Salate, allerlei Kräuter, Radiesli, Kürbis, Gurken, Zucchetti, Bohnen, Randen, Sellerie, Lauch, Zwiebeln, Kohlrabi, Blumenkohl, Rhabarbern, Himbeeren und Johannisbeeren. Von Kürbis, Gurken und Zucchetti kaufe ich Samen und ziehe sie selber, von den meisten anderen Sachen kaufe ich gesunde Setzlinge oder lasse sie mir von Kolleginnen schenken.
Wir haben sehr schwere Böden, Gartenarbeit ist aus diesem Grund wie Fitness! Alle vier bis fünf Jahre lockere ich den Boden mit einer Gabe von Champignons-Kompost (Champost) auf. Für genügend Nährstoffe sorgt meine Brennesseljauche, den Sträuchern und Beeren gebe ich Kuhmist oder ich versorge die Pflanzen mit einem handelsüblichen Dünger. Gegen Schnecken streue ich Schneckenkörner, ohne diese wird alles weggefressen. Um Kohlfliegen vorzubeugen, bestäube ich Kohlgewächse und Radiesli vorbeugend mit Steinmehl. Das schützt die Pflanzen zuverlässiger vor den Schädlingen als ein Netzli.
Meine Lieblingsblumen sind die Sonnenblumen, die findet man bei mir überall. Ich lasse sie aussamen oder verstreue die verwelkten Blumen für die Vögel. Was nicht weggepickt wird, wächst wild verstreut wieder im nächsten Frühling. Sonnenblumen pflanze ich meistens am gleichen Ort, bei den Blumen im Feld – wo Kundinnen und Kunden selber Blumen schneiden können – mache ich einen Fruchtfolgeplan.
Was das Unkraut betrifft, so mache ich einen Unterschied zwischen Blumenfeld und Hausgarten. Das Blumenfeld muss schön «pützlet» sein, sonst wirkt es für die Kundschaft ungepflegt. Im Hausgarten hingegen kann ich das Unkraut lassen, das dient der Biodiversität. Der Garten sollte Hobby sein und nicht stressen. Was gedeiht, an dem freue ich mich sehr, und was nicht gedeiht, das soll nicht sein.
In meinem Hausgarten gibt es viel Schachtelhalm. Meine Mutter sagte jeweils, Schachtelhalm sei ein Frauenkraut: Es wächst in einem Garten, wo es die Frau benötigt. Statt sich zu ärgern, sollte man vor jedem einen Knicks machen und danke sagen, dass es da ist. Man kann Tee, Salben und Tinkturen daraus machen.»
TIPP
SOMMERREZEPT: APRIKOSENGLACE MIT ERDBEERSAUCE
ZUTATEN
Aprikosenglace:
- 400g Aprikosen
- 2 EL Zitronensaft
- 2 Eiweiss
- 5 EL Zucker
- 2dl Rahm
Erdbeersauce:
- 200g Erdbeeren
- 2 EL Zucker
- 1 EL Zitronensaft
ZUBEREITUNG
Aprikosenglace:
- Aprikosen halbieren, entsteinen und in 3 EL Wasser weichkochen, pürieren, Zitronensaft beigeben.
- Eiweiss steif schlagen, nach und nach den Zucker einrieseln lassen.
- Rahm steif schlagen.
- Den Rahm und das Eiweiss sorgfältig unter das Aprikosenpüree ziehen.
- Die Masse in kleine Förmchen (ca. 10 Stück à 1,5dl) füllen.
- Glace je nach Förmchengrösse min. 4 – 8 Stunden einfrieren.
Erdbeersauce
- Erdbeeren rüsten, waschen.
- Mit Zucker und Zitronensaft pürieren.
SERVIEREN
- 4 EL Erdbeersauce in Glasschälchen verteilen, Aprikosenglace darauf legen und mit Minzeblättchen, Aprikosenschnitzen und Erdbeeren garnieren.
Quelle: www.landfrauen.ch
«MIT KONFITÜRE LASSEN SICH SALAT- UND FLEISCH-SAUCEN VERFEINERN»
Rahel Brütsch, Barzheim SH (kuerbiskern.ch)
Im Sommer und Herbst fällt meist innert kurzer Zeit viel Ernte an. Ein paar Tipps: Eine Zucchetti-Sauce ist eine leichte Basis-Sauce für Pasta oder Suppen. Dazu Zucchetti würfeln, Knobli dazugeben und knapp mit Halbrahm bedeckt weichkochen, würzen und pürieren. Diese sämige Sauce lässt sich portionsweise einfrieren. Grosse Zucchetti kann man in Scheiben schneiden, durch Mehl, Ei und Paniermehl ziehen und braten. Solche panierten «Schnitzel» mögen auch Kinder. Aus Gurken mache ich gerne kalte Gurkensuppe mit Pfefferminze und Knoblauch; die erfrischende Suppe lässt sich ebenfalls einfrieren. Aus Salaten lassen sich Smoothies und Suppen zaubern. Auch in eine Gemüsequiche, eine asiatische Nudelpfanne oder in ein Risotto passt Salat. Wichtig ist, ihn erst kurz vor dem Servieren beizufügen. Lässt man Salat ausschiessen, entwickelt er dekorative und essbare Blüten.
Früchte verarbeite ich zu Konfitüren und Chutney, friere oder mache sie ein. Mein Trick: Ich lasse die Konfi abkühlen und friere sie portionsweise in Vakuumbeuteln ein, statt sie heiss in Gläser abzufüllen. So bleibt zum Beispiel Erdbeerkonfi ganz frisch und ich spare jede Menge Gläser. Konfitüre passt nicht nur aufs Brot, sondern in kleinen Mengen auch in Salatsaucen – zum Beispiel in einen Linsensalat – oder in eine Sauce fürs Fleisch. Wer Früchte kombinieren möchte, sollte dies ruhig wagen! Meist passt das zusammen, was gleichzeitig reif ist. Wunderbar schmecken zum Beispiel Brombeeren und Holunder oder Erdbeer und Rhabarber. Der Konfi verpasse ich gerne ein bisschen Pepp in Form von Vanille (Mirabellenkonfi), Chili (Apfelkonfi) oder Pfeffer (Erdbeerkonfi). Gerade wenn man die Konfi in kleinen Mengen auftaut, lässt sich wunderbar experimentieren. Sehr lange haltbar werden Lebensmittel, wenn man sie fermentiert, einweckt oder einmacht. Dazu gibt es im Internet viele Rezepte.
Mein persönlicher Tipp: Frische Kräuter mit wenig Wasser oder Öl in Eiswürfelbehältern einfrieren und dann in Säckchen abfüllen. Das Öl wird nicht ganz fest, aber das spielt keine Rolle. So hat man das ganze Jahr frische Kräuter. Auch Pestosauce friere ich in Portionen ein. Übrigens kann man aus allen möglichen Kräutern und Nüssen Pesto herstellen, zum Beispiel mit Rosmarin und Baumnüssen.»