Schädlinge: Vorbeugen statt spritzen
Bei der Sichtung der ersten Schnecke wird im Garten oft rasch zum Gift gegriffen. Dabei könnte man die Schädlingsbekämpfung getrost der Natur überlassen.
Text — Helen Weiss
STARKER START IN DIE SAISON
Jeder Gartenbesitzer kennt das Phänomen im Frühling: Kaum herrschen wärmere Temperaturen und brechen die Knospen auf, bedecken bereits ganze Kolonien von Blattläusen die frischen Blättchen. Die saugenden Insekten sind des Gärtners purer Albtraum – mit chemischen Mitteln macht man den Parasiten in Windeseile den Garaus. Es ist zwar durchaus verständlich, dass die botanischen Schätze vor Krabbeltieren und Schleimern geschützt werden sollen. Bevor man aber zur Chemie greift, sollte man sich überlegen, ob es sich wegen einem Salatkopf auch wirklich lohnt, gleich schweres Geschütz aufzufahren. Schliesslich ist man im Hobbygarten – im Gegensatz zur Landwirtschaft – nicht zwingend auf eine reichhaltige Ernte angewiesen. Die konventionelle Schädlingsbekämpfung bringt das ökologische Gleichgewicht durcheinander und, was weitaus unangenehmer ist, kann auch unserer Gesundheit schaden. Zahlreiche Gründe also, das Gift nur in Notfällen einzusetzen. Zwar benötigt es im naturnahen Garten ein bisschen mehr Arbeit und schlaue Planung. Denn genau wie bei uns Menschen gilt: Vorbeugen ist besser als heilen.
Bei frisch gepflanzten Setzlingen lohnt sich ein guter Schneckenschutz.
Die ersten Läuse, die im Frühling schlüpfen, können das ganze Jahr hindurch ohne Befruchtung lebende Jungtiere gebären.
KLEINLEBEWESEN UND TIERE IM BEET
Grundsätzlich beginnt erfolgreiches Gärtnern mit den richtigen Wachstumsbedingungen für die Pflanzen. Stimmen Standort, Nährstoffversorgung, Licht und Wasserverhältnis, ermöglicht dies der Flora einen guten Start. Auch die Wahl der Pflanzen ist entscheidend: Wer im Frühling kräftige und resistente Exemplare setzt, hat später auch weniger Probleme. Züchter bieten heute zahlreiche krankheitsresistente Sorten an, die etwa weniger anfällig auf einen Pilzbefall sind.
DER EXPERTE
Ralph Schwarz,
Geschäftsführer
Andermatt
Biogarten AG
HILFE FÜR DIE SCHÄDLINGSPOLIZEI
«Um die Entwicklung der Schädlinge im Garten gleich von Beginn an wirksam kontrollieren zu können, ist eine möglichst hohe Anzahl an Nützlingen notwendig. Die natürlichen Feinde von Blattläusen und Co. können etwa mit der richtigen Pflanzenwahl gefördert werden. Neben gezüchteten Rosen und Ziergehölzen sollten stets auch einheimische Pflanzen in den Beeten Platz haben. Indem Insekten Nahrung, Fortpflanzungsmöglichkeiten und Unterschlupf geboten wird, erhöht sich die natürliche Vielfalt und somit die Stabilität des Ökosystems «Garten». Neben Schutz und Förderung können Nützlinge wie etwa Marienkäferlarven auch ausgesetzt werden. Die Jungmannschaft ist äusserst effizient: Eine Larve verspeist täglich bis zu 100 Blattläuse. Florfliegen-Larven tun sich neben Blattläusen auch an Spinnmilben gütlich, während Nematoden die Larven von Dickmaulrüssler- Käfern eliminieren. Stimmen die Bedingungen, sind etwa Marienkäfer äusserst standorttreu und siedeln sich längerfristig im Garten an.»
AUSGEWOGENE ERNÄHRUNG
Daneben kann das Abwehrsystem der Pflanzen gestärkt werden: Ähnlich wie bei uns Menschen das Immunsystem nur durch eine ausgewogene Ernährung bestens funktioniert, ist auch bei den Pflanzen auf eine optimale Nährstoffversorgung zu achten. Wichtig sind dabei genügend Kalium und nicht zu viel Stickstoff. Verschiedene selbst angesetzte Pflanzenjauchen, etwa aus Schachtelhalm oder Brennnesseln, stärken die Pflanzen zusätzlich. Gesteinsmehl, das über die Pflanzen gestäubt wird, verändert die Blattoberfläche, sodass sie für Pilze weniger attraktiv ist. Zu den vorbeugenden Massnahmen zählt zudem die mechanische Abwehr etwa mittels Insektenschutznetzen, oder das Pflanzen von Mischkulturen.
TIPPS
1. AUF GUTE NACHBARSCHAFT
Die Natur kennt keine Monokultur: Auf der Wiese und im Wald wachsen Pflanzen bunt neben und miteinander. Es ergibt also durchaus Sinn, die Tipps der Natur zu befolgen und solche natürlichen Symbiosen auch im Gartenbeet zu nutzen. Dies lohnt sich auch punkto Schädlingsbekämpfung: Versuche haben gezeigt, dass man mit Blütenpflanzen gezielt Nützlinge fördern kann. Diese befallen Schädlinge, welche Kulturpflanzen fressen oder parasitieren.
2. RINGELBLUMEN HALTEN SCHNECKEN FERN
Ein bekanntes Beispiel für eine gute Nachbarschaft sind Dill und Erbsen, Gurken, Salate und Kohl: Schwebfliegen lieben die Blütendolden des Dills und ihre Larven fressen die sich auf dem Gemüse tummelnden Blattläuse. Auch wer Kerbel zwischen seinen Salat pflanzt, gewinnt, denn das Kraut vertreibt Blattläuse, Ameisen und Schnecken. Bei der Kombination Schnittlauch mit Karotten nehmen Rüeblifliegen unweigerlich Reissaus, da sie den Geruch des Schnittlauchs nicht mögen. Manchmal bilden auch Zier- und Gemüsepflanzen das perfekte Paar. Wenn Schnittlauch neben ihnen gedeiht, sind Rosen etwa deutlich weniger anfällig für den Befall mit Rostpilz. Und last, but not least: Stehen Ringelblumen zwischen Salatköpfen, werden diese seltener von Schnecken befallen.
3. ROSEN MIT ABWEHRKRÄFTEN
Mehltau, Sternrusstau, Rost, Blattfleckenkrankheit, Grauschimmel – die Liste der Pilzkrankheiten bei der Königin der Blumen ist leider lang. Doch zum Glück bringen die unendlichen Möglichkeiten der Züchtung nicht nur neue Farben und Wuchsformen hervor, sondern auch eine unterschiedliche Widerstandsfähigkeit. Die möglichst lang andauernde Blattresistenz, also die Abwehrkraft gegen Pilze, ist das vorrangige Ziel der heutigen Rosenzüchtung. Deshalb sollte man sich nicht scheuen, alte, anfällige Rosensorten endgültig auszumustern und durch neue Züchtungen zu ersetzen. Beim Kauf kann man sich auf ein Zertifikat verlassen: Die Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung (ADR) kultiviert neue Sorten über mehrere Jahre und prüft deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzkrankheiten.
4. ORGANISCHEN DÜNGER BENUTZEN
Versuche haben zudem gezeigt, dass Kunstdünger das Auftreten von Pilzkrankheiten wie Mehltau und Rost fördert. Als Dünger sollte nur organisches Material wie etwa Hornspäne oder gut verrotteter Pferdemist verwendet werden. Wenn die Rosen trotz Resistenz Pilzkrankheiten aufweisen, kommt man um eine Spritzung kaum herum. Biologische Fungizide gibt es nicht; um die Umwelt zu schonen, sollte man jedoch ein giftklassefreies Spritzmittel wählen.
REGULIEREND EINGREIFEN
Siedeln sich trotz aller Vorbereitungen massenhaft schädigende Vielfrasse an, gilt es, allenfalls regulierend einzugreifen. Der Fachhandel bietet eine Vielzahl biologischer Pflanzenschutzmittel an, die auf pflanzlichen Wirkstoffen, natürlichen Seifen oder Mineralölen basieren. Der Einsatz lohnt sich, denn biologische Mittel bauen sich schneller ab und hinterlassen keine Rückstände im Boden und im Wasser. Doch Vorsicht: Natürlich ist biologisch nicht gleichzusetzen mit ungiftig. So wirken etwa Pyrethrum-Präparate, die aus dem Blütenextrakt bestimmter Chrysanthemenarten gewonnen werden, bestens gegen Blattläuse, töten aber auch Nützlinge wie Marienkäfer oder Florfliegen ab. Zudem sind sie auch für uns Menschen giftig.
WEITERE INFORMATIONEN
Weitere Informationen erhalten Sie unter: biogarten.ch / bioterra.ch
CHECKLISTE
IN 10 SCHRITTEN ZUR SCHÄDLINGSFREIEN GARTENSAISON
- Schneckenzäune können jetzt bereits rund um die Beete montiert werden.
- Für das Ausbringen von Spritzbrühen ist ein Sprühgerät oder ein Zerstäuber notwendig.
- Pflanzenschutzmittel müssen in einem verschliessbaren Schrank kindersicher aufbewahrt werden.
- Gemüsefliegennetze werden rechtzeitig über die frischen Aussaaten oder Setzlinge ausgebreitet.
- Für das Ansetzen von Pflanzenjauchen werden ein grosses Fass und getrocknete Zutaten wie Schachtelhalm oder Brennnesseln benötigt.
- Ein mit Holzwolle gefüllter Tontopf bietet umgekehrt aufgehängt ein ideales Heim für Ohrenwürmer.
- Ameisen hegen und pflegen Blattläuse: Durch eine Barriere aus Gartenkalk verwehrt man ihnen den Zutritt ins Beet.
- Wühlmäuse hält man am besten mit einer Reihe Knoblauch vom Beet fern.
- Damit ein allfälliger Schädlingsbefall möglichst früh entdeckt wird, werden die Pflanzen regelmässig kontrolliert.
- Leimringe an den Stämmen von Obstbäumen schaffen Abhilfe gegen lästige Raupen und Spanner.