Wandfarben kombinieren

Ein wenig Farbe tut den eigenen vier Wänden gut. Doch die Umsetzung ist alles andere als einfach. Welche Farben passen – zum Haus, zum Boden und zueinander?

Text — Tanja Seufert

 

KRÄFTIGE WANDFARBEN

Bunte Wände sehen im Möbelkatalog oder auf Pinterest einfach fabelhaft aus. Der Flur «pretty in pink», das Schlafzimmer in sattem Weinrot, das Kinderzimmer ein Traum in Türkis? Der Wow-Effekt ist garantiert – wenns ein Stylist eingerichtet und eine Fotografin abgelichtet hat. Wer kein Budget für einen Interieur-Profi hat, sondern einfach nur das Zuhause etwas aufpeppen möchte, sollte trotzdem vorsichtig sein. Besonders bei leuchtenden, satten Farben geht Qualität vor Quantität; es sollte unbedingt auf ein hochwertiges Produkt aus dem Fachhandel gesetzt werden.

Foto: Africa Studio/Fotolia.com
Foto: Stressless

Wie reagiert die Farbe auf Tages- und Kunstlicht, wie passt das vorhandene Mobiliar dazu?

AKZENTFARBEN MÜSSEN SICH ABHEBEN

Satte Farben eignen sich gut als Akzent. So kann man in einem Raum zum Beispiel nur eine einzelne Wand streichen und die übrigen weiss belassen. In einem solchen Fall sollte der Kontrast zu den weissen Wänden gut sichtbar sein. Einen Raum in unterschiedlichen Weisstönen zu streichen, ist keine gute Idee, denn der allzu feine farbliche Kontrast wirkt wie ein Fehler. Kräftige Farben miteinander zu kombinieren, ist eine echte Herausforderung – und auch mit abgetönten Tönen nicht einfach. Deshalb geht auf Nummer sicher, wer leuchtende Farben nur als Akzent einsetzt.

Foto: Reer GmbH

TIPP

AUF QUALITÄT SETZEN

Qualitätsfarben sind auf den Untergrund zugeschnitten und enthalten deshalb weniger Bindemittel und andere Chemikalien. «All-in-one»-Dispersionen, die sich auf jeden Untergrund auftragen lassen, enthalten oft mehr Binde- und Lösungsmittel als eigentlich nötig. Hochwertige Farben sind stark pigmentiert und enthalten natürliche Pigmente, zum Beispiel aus Gesteinen. Der Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Pigmenten ist nicht immer klar wahrnehmbar, doch sprechen wir unbewusst auf Farben an, die in der Natur vorkommen. Bestellen Sie Farbmuster, so können Sie die gewünschte Farbe auf ihre Alltagstauglichkeit testen und merken, ob Sie sie wirklich mögen.

TIPPS: www.ktcolor.ch / eu.farrow-ball.com (z.B. bei wirzwelt.ch erhältlich) / www.flamant.com

Foto: FarrowBall

ABGETÖNTE FARBEN PASSEN IMMER

Mit aufgehellten, abgedunkelten oder vergrauten Farben macht man wenig falsch – Profis nennen sie auch «abgetönte» Farben. Vereinfacht gesagt, wird hier die Primärfarbe mit Weiss, Grau oder einer anderen Farbe gemischt. Abgetönte Farben beschränken sich übrigens nicht auf Babyblau und Rosa, wie viele denken, sondern können auch sehr dunkel sein. Sie lassen sich meist problemlos miteinander kombinieren, vor allem, wenn man auf hochwertige Hersteller zurückgreift. Gute Produzenten wie zum Beispiel Farrow and Ball oder kt.colors bieten harmonische Farbpaletten, mit denen nicht viel schief gehen kann.

FASZINIEREND: DUNKLE TÖNE

Dunkle Farben haben viel Potenzial. Richtig eingesetzt, können sie einen Raum optisch sogar vergrössern, indem sie die Tiefenwirkung verändern. Eine anthrazitfarbene Wand hat das Zeug zur Leinwand und lässt alles, was davor steht, leuchten. Dunkle Töne können einen Raum «wärmen» und interagieren stark mit Licht, was sie sehr interessant macht – doch wer nicht Acht gibt, wohnt plötzlich in einer Höhle.

Foto: Stressless

DIE EXPERTIN

Katrin Oechslin,
dipl. Architektin
ETH und Farbgestalterin
HF, katrinoechslin.ch

«WEISS IST NICHT GLEICH WEISS»

«Ich persönlich mag Weisstöne sehr, sie sind neutral, wirken dadurch ruhig und setzen zum Beispiel farbige Möbel oder Bilder perfekt in Szene. Wer die eigenen vier Wände neu streichen möchte, sollte sich über die sonst im Raum vorkommenden Anstriche klar werden. Meist sind beispielsweise die Holzbauteile (Tür, Küche etc.) nicht in einem Standardweiss gestrichen. Wer auf diese umgebenden abgetönten Anstriche eingeht, kann eine stimmige Gesamtraumwirkung unterstützen. Ich verwende in meiner Berufspraxis oft einen leicht abgetönten Weisston. Grundsätzlich sollte für Wände und Decke in einem Raum der gleiche Weisston verwendet werden. Eine einzelne Wand in einem anderen Weisston wirkt wie ein Versehen.»

WARME ODER KALTE FARBEN?

Es gibt warme und kühle Töne. Warme haben einen rot-gelben, kühle einen blauen bis grünen Unterton. Während warme Töne einen Raum gemütlicher machen, vergrössern kühle Töne diesen optisch. Beide Farbtemperaturen haben also ihre Vor- und Nachteile. Gerade bei kleinen Räumen kann es sich lohnen, diesen mit einer kühlen Farbe ein wenig zu «strecken». Andererseits gibt es Räume, wo Behaglichkeit wichtiger ist, etwa das Schlafzimmer.

TIPP

FARBE INTERAGIERT MIT UMGEBUNG

Ob kräftig oder zart, hell oder dunkel: Die Qual der Farbenwahl ist gross. Wichtig ist, neben dem persönlichen Geschmack, auch die Beleuchtung des Raums. Wo fällt wann Tageslicht hinein? Morgenlicht ist kühler als Abendlicht. Und: Was ist vor dem Fenster zu sehen? Auf Wänden spiegelt sich nicht nur Licht, sondern auch Farbe, was von Auge kaum wahrnehmbar ist. So wirft die Wiese vor dem Fenster einen Grünton an Decke und Wände. Und auch der Bodenbelag – neben den Wänden die grösste Fläche – muss berücksichtigt werden. Ein warmes Eichenparkett oder helle Fliesen, das macht einen riesigen
Unterschied. Möchte man die Material-Farbigkeit des Bodenbelags «brechen» oder verstärken? Eine gewichtige Rolle spielt auch die Möblierung. Ob knallblaues Sofa oder dunkler Nussbaumschrank, die Möbel vor der Wand sollten in Kombination mit der Farbe weder versaufen noch verstören.

WANDFARBE ZUERST TESTEN!

Wer seine Auswahl eingegrenzt hat, sollte Farbmuster bestellen und den Kandidaten auf einem halben Quadratmeter auftragen. Denn wie die Farbe auf das sich verändernde Tageslicht, auf Kunstlicht und auf die Umgebung reagiert, lässt sich in Theorie kaum abschätzen. In Farbmuster und ein wenig Zeit zu investieren, lohnt sich.