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Liegenschaften übertragen und vererben

Jeder Immobilien-Eigentümer muss sich eines Tages mit der Frage auseinandersetzen, wie und zu welchen Teilen das Objekt an Nachkommen und Verwandte übergehen soll.

Text — Jürg Zulliger

 

Bei rund der Hälfte der in der Schweiz vererbten Vermögen handelt es sich um Liegenschaften – jedes Jahr ein Betrag in Milliardenhöhe. Die Verwaltung des Vermögens, die Nachlassplanung und Erbschaften von Liegenschaften gelten allerdings als besonders anspruchsvoll. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Während Barmittel oder Wertschriften relativ einfach teilbar sind, lässt sich dasselbe von einem Einfamilienhaus oder einer Eigentumswohnung nicht sagen. Entweder wird die Immobilie später verkauft und der Erlös geteilt, oder eines der Kinder übernimmt das Familienobjekt und zahlt die anderen aus. Weist das Haus oder die Wohnung auch noch Qualitäten auf, entzündet sich bald einmal ein Streit. Öfters melden dann gleich mehrere Nachkommen oder Familienmitglieder Ansprüche an. Dabei geht es auch ums «liebe Geld». Die Auffassungen, welcher Preis für eine Handänderung innerhalb der Familie fair erscheint, gehen erfahrungsgemäss auseinander.

Jeder Eigentümer einer Immobilie wird sich eines Tages mit der Frage auseinandersetzen, wie und zu welchen Teilen das Objekt an Nachkommen und Verwandte übergehen soll. An den Beginn einer Nachlassplanung gehört die Klärung von familiären Wünschen und Zielen, aber auch ganz einfach das Sammeln von Informationen. Eine Aufstellung respektive ein Inventar aller relevanten Vermögenswerte oder auch eine Liste von allfälligen Schenkungen und Erbvorbezügen erleichtert die Planung. Bei Liegenschaften ist es auch eine Überlegung wert, ob man sie zu Lebzeiten übertragen will (als Erbvorbezug oder Schenkung an Kinder).

GLOSSAR


FÜNF WICHTIGE BEGRIFFE IM ÜBERBLICK

HANDSCHRIFTLICHES TESTAMENT: Ein Testament ist eigenhändig und in ganzer Länge handschriftlich zu verfassen, mit Ort und genauem Datum zu versehen und zu unterzeichnen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, ein Testament unter Mitwirkung von zwei Zeugen von einem Notar öffentlich beurkunden zu lassen (öffentliches Testament).

EHEVERTRAG: Schriftliche Vereinbarung zwischen Ehegatten; muss bei einem Notar beurkundet werden. Ein Ehevertrag macht vor allem dann Sinn, wenn die Gattin möglichst optimal begünstigt werden soll.

ERBVERTRAG: Ist öffentlich zu beurkunden und bedarf der Mitwirkung von zwei Zeugen. Ein Erbvertrag macht es möglich, den Nachlass unter Einbezug aller Betroffenen nach den individuellen Bedürfnissen der Vertragsparteien zu regeln, und zwar unabhängig von den gesetzlichen Pflichtteilsansprüchen und weiteren Bestimmungen.

NUTZNIESSUNG: Das Eigentum am Objekt wird zwar übertragen, dem Nutzniesser steht aber der «volle Genuss» der Sache zu (ZGB Artikel 745). Bildlich gesprochen entspricht dies einem Bauern, der ein Feld bestellt und einen Anspruch auf die reifen Früchte hat. Die Nutzniessung bedarf der öffentlichen Beurkundung und der Eintragung ins Grundbuch.

WOHNRECHT: Dies ist eine spezielle Variante einer Nutzniessung, mit etwas eingeschränkten
Rechten (zum Beispiel keine Drittvermietung oder Erträge). Dafür trägt der Berechtigte auch nicht die vollen Kosten (Nebenkosten ähnlich wie bei einem Mietverhältnis). Bedarf ebenfalls der öffentlichen Beurkundung und muss im Grundbuch eingetragen werden.


GROSSER GESTALTUNGSSPIELRAUM

Zu Lebzeiten sind die Eltern bzw. der Erblasser relativ frei, über das Vermögen und die Liegenschaft zu verfügen. Den Eltern steht es zu, das Objekt nach Belieben zu nutzen oder umzubauen, sie können es auch verschenken, innerhalb oder ausserhalb der Familie vermieten etc. Schenkungen an Kinder respektive Erben wären allerdings später in einem Erbgang ausgleichspflichtig. Doch im Einzelnen kommt es darauf an, was innerhalb der Familie vereinbart wurde, ob ein Erblasser ein Testament aufsetzt und gewisse Teilungsvorschriften vorgibt.

Ein Testament oder auch ein Erbvertrag gelten als wichtige Instrumente für eine individuelle Nachlassplanung (siehe Box). Fachleute empfehlen, irgendwann einen «Familienrat» abzuhalten und wesentliche Fragen zu klären. «Im Idealfall einigt sich die Familie auf einen Erbvertrag, den alle unterzeichnen», erläutert Renato Sauter, Leiter Nachlassplanung beim VZ Vermögenszentrum. Kurz zusammengefasst wäre mit diesem Dokument zu regeln, wie genau und zu welchen Konditionen die Immobilie an die nächste Generation übergehen soll. Der Vertrag muss von allen unterzeichnet und von einem Notar öffentlich beurkundet werden.

INTERVIEW

Lorenz Heim,
VZ Vermögenszentrum

«MEIST FINANZIELLE RESERVEN VORHANDEN»


Wer es sich zum Ziel gesetzt hat, Immobilien bzw. Wohneigentum aus Familienbesitz halten zu können, profitiert aktuell von günstigen Rahmenbedingungen. Zwar geben die Banken nicht Kredite in beliebiger Höhe. Doch eine gewisse Vorsicht sei letztlich auch im Interesse der Immobilieneigentümer, sagt Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum im Interview.

Herr Heim, die aktuellen Verkehrswerte von Häusern und Wohnungen in der Schweiz sind sehr hoch. Wird es zusehends schwieriger, Liegenschaften in der Familie zu halten – ganz einfach, weil zum Beispiel die Kinder nicht ausreichend Kapital flüssig haben, um das Elternhaus zu übernehmen?
LORENZ HEIM: Das lässt sich nicht allgemein behaupten. Denn wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass es sich teils um Objekte handelt, die schon länger in Familienbesitz sind, teils sogar über mehrere Generationen. Wenn das Objekt nicht erst kürzlich gekauft wurde, liegt die Belehnung mit Hypotheken oft gar nicht hoch. Im Gegenteil, die Schulden sind oft gesunken, während der Wert des Objekts stark gestiegen ist. Damit dürften in vielen Familien genügend Reserven bzw. Kapital vorhanden sein. Weiter ist es gar nicht so selten, dass eine Familie mehrere Liegenschaften im Eigentum hält. Falls eine Erhöhung der bestehenden Hypotheken nicht möglich ist, lassen sich mit dem Verkauf von einem Objekt liquide Mittel bereitstellen. Das wäre erforderlich, wenn zum Beispiel ein Teil der Familie oder der Erben aussteigen möchte.

Nehmen wir an, eines der Kinder wünscht, eine Liegenschaft der Eltern zu übernehmen. Sind heute die Anforderungen nicht allzu streng, um dafür überhaupt eine Bankhypothek zu bekommen?
Bei selbst genutzten Immobilien gewähren die Banken 80 Prozent des Schätzwertes als Hypothek, bei Anlageobjekten bzw. vermieteten Wohnungen sind es 75 Prozent. Diese Praxis halte ich nicht für übertrieben streng. Meistens werden Objekte familienintern mit einem Abschlag weitergegeben, der von vielen Banken als Eigenkapital angerechnet wird. Oder die Eltern gewähren den Kindern ein Darlehen, welches allerdings zinslos und nicht rückzahlbar sein muss, damit es von der Bank als Eigenkapital angerechnet wird.

Nehmen wir an, ein Familienmitglied wünscht das Objekt zu übernehmen und will die anderen auszahlen. Wie würden Sie den fairen Wert bestimmen, der Grundlage für die Teilung ist?
Es ist üblich, zwei oder vielleicht sogar drei unabhängige Schätzungsgutachten in Auftrag zu geben. Wenn sich die Familie auf ein solches Verfahren und auf Schätzer einigen kann, vereinfacht dies vieles. Dann nimmt man meist den Mittelwert der Schätzungen und zahlt die anderen, die das Objekt nicht übernehmen, entsprechend ihrem Anteil aus.

In der Branche ist zu hören, dass Familien die Liegenschaften teils öffentlich ausschreiben und ein Bieterverfahren unter allen Kaufinteressenten durchführen – dies um zu testen, wo der tatsächliche Marktwert liegen könnte. Was halten Sie davon?
Das halte ich für unseriös. Im Markt und bei den Interessenten dürfte es böses Blut geben und einige Leute vor den Kopf stossen. Die Ausschreibung ohne wahre Verkaufsabsicht wird auch bei einem Makler sehr schlecht ankommen. Denn dieser lebt ja von der Verkaufsprovision. Der Höchstpreis in einem öffentlichen Bieterverfahren sagt übrigens auch nicht viel aus, wie hoch der Wert wirklich liegen könnte. Denn es steht nirgends geschrieben, dass sich das Haus oder die Wohnung später noch einmal zum gleichen Preis verkaufen liesse.

Interview: Jürg Zulliger


IM KERN DREI VARIANTEN

Wenn es die Familie in Betracht zieht, die Immobilie schon zu Lebzeiten an die Kinder zu übertragen, sind folgende drei Varianten denkbar:

  • Die vollständig entgeltliche Übertragung einer Liegenschaft, zum Beispiel an den Sohn oder die
  • Tochter, die den gesamten Preis bezahlen.
  • Eine gemischte Schenkung: Dieser Begriff gilt für Fälle, in denen ein Teil als Schenkung übertragen wird und ein Teil gegen Entgelt (bspw. Übernahme der Hypothek oder Bezahlung eines Betrags).
  • Eine reine Schenkung: Hierbei erbringt der Beschenkte keine Gegenleistung. Empfehlung: Bei gemischten Schenkungen und insbesondere im Zusammenhang mit Liegenschaften sind steuerliche Aspekte zu beachten. Je nach konkreten Umständen fallen Grundstückgewinnsteuern an.
     

Im Gegenzug wünschen sich die Eltern meist gewisse Privilegien, insbesondere die Absicherung ihrer Wohnsituation. Das Gesetz sieht dazu die Instrumente Nutzniessung oder Wohnrecht am Objekt vor (siehe Glossar). Wenn nichts anderes bestimmt ist, verleiht eine Nutzniessung dem Berechtigten den «vollen Genuss des Gegenstands» (ZGB Artikel 745). Oder etwas vereinfacht gesagt: Das Eigentum geht zwar an die Kinder über, der Nutzniesser kann das Objekt aber weiter nach seinem Willen nutzen und umgestalten; im alltäglichen Gebrauch der Sache ändert sich mit der Nutzniessung eigentlich nichts. Dafür hat der Nutzniesser auch für die Kosten und den Unterhalt aufzukommen. «Eine Nutzniessung kommt in der Praxis oft vor. De facto handelt es sich dabei um eine gemischte Schenkung. Denn die Eltern erhalten mit der Nutzniessung eine Gegenleistung», erläutert Renato Sauter vom VZ.

 

EINVERNEHMLICHE LÖSUNGEN

Fazit: In der Praxis bewährt es sich, wenn alle Beteiligten miteinbezogen sind und ihre Sichtweise und ihre Interessen einbringen. Das trägt entscheidend zu einvernehmlichen Lösungen bei. Aufgrund der juristischen Komplexität wird es sich meist lohnen, sich fachlich beraten zu lassen. Dieser Prozess ist zwar aufwendig. Es beugt aber späteren Unklarheiten und Konflikten in der Familie vor.