Naturgefahren: So schützen Sie Ihr Haus
Welche Gefahren in der Schweiz lauern, unterscheidet sich von Ort zu Ort. Zudem ändern sich die Risiken klimabedingt.
Text — Raphael Hegglin
Gefahr löst Angst aus – und das ist gut so. Denn seit Millionen von Jahren überleben wir nur, weil uns Angst vorwarnt, unsere Sinne schärft und Körperkraft mobilisiert. Natürlicherweise führt Angst zur «Kampf-oder- Flucht-Reaktion» (fight or flight). Angst bereitet unseren Körper also optimal darauf vor, entweder um zu kämpfen oder um zu fliehen. So jedenfalls müsste es evolutionsbiologisch sein. Doch was bei Tieren zu beinahe 100 Prozent funktioniert, versagt bei uns leider nur zu oft. Schuld daran ist vermutlich unser in der Natur einmalig grosses Hirn: Anstatt intuitiv zu reagieren, machen wir uns zu viele Gedanken. Bis uns die Angst lähmt – oder das Gegenteil passiert: Wir verdrängen die Angst. Das Rezept dagegen heisst: klare Gedanken fassen und die Risiken nüchtern einschätzen.
ZWEI FAKTOREN BESTIMMEN RISIKO
Auch vor Naturgefahren kann sich nur schützen, wer die realen Risiken kennt. Doch das ist nicht einfach. Denn wie hoch ein Risiko ist, hängt von zwei Faktoren ab: von der Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis eintrifft, und vom Schaden, den es anrichtet. Risiko = Schadensausmass x Schadenseintrittswahrscheinlichkeit, lautet die Rechnung. Hagelschaden zum Beispiel ist ein sehr wahrscheinliches Ereignis, der dadurch verursachte Schaden ist finanzieller Natur – wie hoch, hängt primär von der Bauweise ab.
Bei schweren Erdbeben verhält es sich genau umgekehrt: Sie sind hierzulande extrem selten. Experten rechnen damit, dass es etwa alle 50 bis 150 Jahre zu einem mit Magnitude 6 kommt. Ein solches richtet grosse Schäden an Gebäuden an und kann nicht erbebensicher gebaute Häuser zum Einstürzen bringen. Die Folgen schwerer Erdbeben können katastrophal sein. Würde sich das historische Beben von 1356 mit Magnitude 6.6 bei Basel heute wiederholen, wären nebst Sachschäden um 50-100 Milliarden Franken auch viele Verletzte und Tote zu befürchten.
TIPP
Die kostenlose App «wetteralarm.ch» warnt vor Gewittern, Hagel, Starkregen, Hochwasser, Stürmen, Schnee, Frost und Glätte. Die durch die Kantonalen Gebäudeversicherungen betriebene und vom Bund unterstützte App ist sowohl für Android wie auch für iOS erhältlich.
Die Informationsplattform www.schutz-vor-naturgefahren.ch verschafft einen guten Überblick über mögliche Gefahren und bietet mit dem Naturgefahren-Check ein Instrument, das Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer einfach selbst bedienen können. Wertvoll sind zudem die Checkliste zum Download und Planungshilfen wie das Hagelregister.
GEBÄUDE HALTEN LANGE
Geht es um Naturkatstrophen wie schwere Erdbeben, dann muss ganz genau gerechnet werden. Insbesondere der Faktor Zeit ist dabei schwer greifbar und wird von Laien oft unterschätzt. Dazu ein Zahlenbeispiel: Eine als 300-jähriges Ereignis definierte Naturkatastrophe tritt innerhalb von einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 1/300 (0.3 Prozent) ein. Ernst nehmen muss man eine solche Gefahr trotzdem: Gebäude haben eine typische Lebensdauer von 50 Jahren und mehr. Über einen Zeitraum von 50 Jahren steigt somit die Wahrscheinlichkeit, dass ein 300-jährliches Ereignis mindestens einmal eintritt, auf 15 Prozent. Dies entspricht etwa der Wahrscheinlichkeit, mit einem einzigen Wurf eine 6 zu würfeln. Die Möglichkeit, dass es zu einem schweren Erdbeben kommt, wird damit real.
NACHGEFRAGT
Benno Staub,
Fachperson Elementarschaden-
Prävention, Vereinigung Kantonaler
Feuerversicherungen VKF
«HAUSBESITZER SOLLTEN DIE SITUATION AN IHREM ORT KENNEN»
Welche Schäden verursachen Naturgefahren hierzulande an Wohnbauten?
Hagel, Sturm und Überschwemmungen machen ca. 95 Prozent der Gebäudeschäden aus – anteilsmässig fallen sie alle ähnlich aus. Im langjährigen Durchschnitt verursachen Hagel, Sturm und Überschwemmungen jährliche Gebäudeschäden von ca. 275 Mio. Franken.
Wie wird sich der Klimawandel künftig darauf auswirken?
Wir gehen davon aus, dass heftige Regenfälle und damit Überflutungen sowie Stürme zunehmen werden. Denn wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die sich irgendwann niederschlägt. Wärmere Luft bedeutet zudem mehr Energie in der Atmosphäre – und damit stärkere Stürme. Was den Hagel betrifft, sind Zukunftsprognosen weniger klar.
Wie können sich Hausbesitzer vor Naturgefahren schützen?
Es ist wichtig, dass sie sich zum Thema informieren und die Situation an ihrem Ort kennen. Beratung bieten u.a. die Kantonalen Gebäudeversicherungen – oft unterstützen Schutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden auch finanziell. Bei einer Sanierung oder einem Neubau sollte man die Naturgefahren von Anfang an in der Planung berücksichtigen. So gelingen wirksame und ästhetisch schöne Lösungen ohne oder mit geringen Mehrkosten. Nachträgliche Planungsanpassungen kommen eigentlich immer teurer.
RISIKEN BEZIFFERN
Auch selten vorkommende Naturgefahren dürfen also nicht unterschätzt werden – insbesondere, wenn sie schwerwiegende Folgen haben können. Genau dies wurde in der Schweiz aber teilweise getan. So sind heute viele Altbauten nicht ausreichend gegen Erdbeben geschützt. Und: In den Baunormen war die Erdbebengefährdung bis 1989 nicht einmal erwähnt! Bei über 90 Prozent der Schweizer Gebäude ist daher nicht klar, ob sie erdbebensicher sind. Hinzu kommt: Durch den Klimawandel hat die Gefahr von Naturkatastrophen zugenommen. Für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer empfiehlt sich daher eine individuelle Risikoanalyse ihrer Liegenschaft. Denn oft reichen einfache Massnahmen, um ein Haus vor Gefahren wie Hagel, einem Sturm oder Starkregen zu schützen. Andere Massnahmen – insbesondere der Erbebenschutz – sind bei Altbauten hingegen nur aufwendig realisierbar. Idealer Zeitpunkt dafür ist meist eine Gebäudesanierung.
DIE REALEN NATURGEFAHREN IN DER SCHWEIZ UND WIE SIE SICH LOKAL UNTERSCHEIDEN:
STURM
Da die Orkane in den letzten Jahrzehnten häufiger und stärker geworden sind, haben auch die Schäden an Gebäuden zugenommen. Orkane können ganze Dächer abdecken oder – wenn nicht fachgerecht gebaut – sogar wegreissen. Zudem kann es bei defekten Dächern zu Folgeschäden kommen, wenn Wasser ins Haus eindringt. Nicht so gravierend, dafür zahlreich sind Schäden an Sonnen- und Rafflamellenstoren. Sie halten einem Sturm kaum stand und sollten bei Anzeichen auf ein Unwetter sofort hochgezogen werden.
BLITZ
Ein- und kleinere Mehrfamilienhäuser sind nicht der Blitzschutzpflicht unterstellt. Dabei würde ein einfacher Blitzableiter genügen, um Brände zu verhindern. Anders sieht es bei elektronischen Geräten aus: Schlägt ein Blitz in ein Gebäude oder in eine Stromleitung ein, kann es zur Überspannung kommen. Computer, Steuerungen und andere elektronische Geräte können dadurch zerstört werden. Gegen Überspannung hilft nur ein innerer Blitzschutz oder, die Geräte während des Gewitters physisch vom Netz zu trennen.
HAGEL
Hagelschäden haben in den letzten Jahren zugenommen. Dies liegt hauptsächlich an vermehrt eingesetzten, mechanisch wenig widerstandsfähigen Baumaterialien der Gebäudehülle. Zudem gab es eine Häufung besonders ausgedehnter Hagelgewitter. Besonders gefährdet durch Hagel sind Lamellen- und Sonnenstoren, aber auch Fassaden und Dachmaterialien. Heute sollten nur noch hagelgeprüfte Materialien verbaut werden. Der Hagelwiderstand von Baustoffen ist im Hagelregister aufgelistet: www.hagelregister.ch. Zum Schutz der Storen eignet sich das kostenlose Hagelwarnsignal «Hagelschutz – einfach automatisch» (www.vkg.ch/hagelschutz).
HOCHWASSER
Die kantonale Gefahrenkarte gibt Aufschluss darüber, welche Gebiete hochwassergefährdet sind und welche nicht. Massnahmen zum Schutz ganzer Areale und Quartiere werden auf kommunaler und kantonaler Ebene organisiert, zudem bestehen je nach Gefahrenstufe Auflagen für Bautätigkeiten. Trotzdem ist es für Hausbesitzer in gefährdeten Regionen ratsam, auch eigene bauliche Massanahmen zu treffen. www.bafu.admin.ch/gefahrenkarten
STARKREGEN
Starke Regenfälle verursachen in der ganzen Schweiz regelmässig Überschwemmungen. Dringt das Wasser über Öffnungen wie Türen, Lichtschächte oder Fenster in ein Haus ein, kann hoher Sachschaden
entstehen. Ebenfalls kommt es vor, dass die Kanalisation überlastet ist und Wasser durchs Abwasserrohr ins Haus gedrückt wird. Wichtig ist daher, dass Starkregen ums Haus schnell abfliessen kann. Dazu ist regelmässiger Gebäudeunterhalt unverzichtbar: Dachrinnen, Bodeneinläufe und Fallrohre müssen regelmässig inspiziert und gereinigt werden. www.bafu.admin.ch/oberflaechenabfluss
STARKREGEN
Ein Murgang ist eine Mischung aus Hochwasser und Rutschung und wird daher auch als Schlammlawine bezeichnet. Murgänge kommen in der Nähe von Wildbächen vor und wirken wegen mitgeführter Gesteinsblöcke und Baumstämme mit grosser Wucht. Weil in der Regel kaum Vorwarnzeit besteht, müssen gefährdete Gebäude und Dörfer permanent – durch bauliche Massnahmen – geschützt
sein. Für die Planung von Schutzmassnahmen ist die Zusammenarbeit mit Fachpersonen der Gemeinde unverzichtbar. Für einen spielerischen Einblick zum Thema: Im Lernspiel «MurGame» kann man
die Wirkung verschiedener Schutzmassnahmen selbst testen (www.murgame.ch).
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ERDBEBEN
Gemäss SIA-Norm 261 müssen Neubauten heute erdbebensicher gebaut sein. Je nach Region geht die Norm von anderen Erdbebenstärken aus; eingeteilt wird in die Zonen 1 bis 3b. Die erdbebengefährdeten
Regionen Wallis und Basel befinden sich in den Zonen 3a und 3b, das Schweizer Mittelland ist mehrheitlich der Zone 1 zugeordnet. Die baulichen Massnahmen zum Erdbebenschutz hängen primär von der Gebäudefunktion- und Nutzung (Bauwerksklassen I-III) und vom Bodengrund ab. Altbauten erdbebensicher zu machen, kann sehr aufwendig sein. Bauliche Massnahmen empfehlen sich daher vor allem im Rahmen einer umfangreichen Gebäudesanierung. Infos: www.seismo.ethz.ch
RADON
Radon ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Gas. Es entströmt dem Boden und kann in Gebäude eindringen. Dies geschieht durch undichte Stellen im Fundament oder in Kellern mit Naturboden. Radon ist laut der Krebsliga Schweiz hierzulande nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Bei mittlerem und hohem Radonrisiko sollte eine Fachperson prüfen, welche Vorsorgemassnahmen allenfalls erforderlich sind. Die Schweizer Radonkarte gibt Aufschluss, wie hoch die lokale Belastung ist: www.bag.admin.ch
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