Selbstversorgung aus dem Garten – Teil 1
Das Nötigste fürs Leben selbst produzieren: Wozu? Und geht das ohne Bauernhof überhaupt? Hier erfahren Sie, was Sie an Lebensmitteln selbst herstellen können
Text — Tanja Seufert
FRÜHER UND HEUTE
Nahrung anbauen, Vieh halten, Fischen und Jagen: Was während Zehntausenden von Jahren Menschheitsgeschichte selbstverständlich war, macht heute nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung. Bis zur Industrialisierung galt, zumindest für die «einfachen» Leute: Wer essen wollte, musste Nahrung produzieren. Oder etwas anderes herstellen, das sich innerhalb der Gemeinschaft verkaufen oder tauschen liess. Die meisten Menschen wohnten auf dem Land und pflegten einen eigenen Nutzgarten; viele hatten Hühner, Kaninchen und andere Kleintiere. Für unsere Grosseltern war es noch Alltag, einen Teil des Vorrats selber zu produzieren.
Gesundes Essen schmeckt aus dem eigenen Garten am besten – das finden auch Kinder.
LANGE LIEFERKETTEN
Heute gibt es solche Strukturen kaum noch – und die meisten Menschen wohnen in Städten oder in der Agglomeration. Wie man Hühner hält oder welche Gemüsesorten im Beet gedeihen, weiss nur noch eine Minderheit. Wir sind abhängig von Supermarkt, Stromnetz und Smartphone – und können nur sehr beschränkt Einfluss darauf nehmen, wo, wie und was produziert wird. Viele der Produkte, die wir kaufen, haben einen langen Weg hinter sich. Die so genannten Lieferketten sind auf eine einwandfreie Infrastruktur angewiesen: ein intaktes Strassen- und Schienennetz, Treibstoff für den Transport und jede Menge Strom, unter anderem für die Kühlung. Im Fall einer Krise, sei es ein mehrtägiger Stromausfall oder Treibstoffknappheit durch ausbleibende Erdöllieferungen, können diese Lieferketten ausfallen.
INFO
ERWEITERTE SELBSTVERSORGUNG
Selbstversorgen heisst auch, die Infrastruktur in der Umgebung zu unterstützen. Der Bäcker, der sein Brot von A bis Z selber macht, oder der Dorfladen, der Produkte aus der Region verkauft: Sie sind viel weniger von langen Lieferketten und importierter Ware abhängig. Das gilt auch für landwirtschaftliche Betriebe, die zum Beispiel das Futter für ihr Vieh selbst produzieren. Diese feinmaschige «Infrastruktur der Selbstversorgung» ist bereits stark zurückgegangen. Wer diese Entwicklung aufhalten möchte, sollte bei lokalen Betrieben einkaufen.
UNABHÄNGIGE SCHWEIZ
Viele Länder könnten sich nicht mehr selbst ernähren. Sie sind auf Importe angewiesen. Die Schweiz bildet hier eine Ausnahme. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz liegt bei rund 60 Prozent, das heisst, nur 40 Prozent der Nahrungsmittel werden importiert. Das würde reichen, um die Bevölkerung rationiert zu ernähren. Das Thema Selbstversorgung ist zutiefst schweizerisch – so wurde der Gegenentwurf zur Volksinitative «Für Ernährungssicherheit» 2017 klar angenommen.
TIPP
VERTIKALER GARTEN
Wenig Platz und eine Mauer oder Trennwand? Dann bietet sich ein vertikaler Garten an. Dieser hat unterschiedliche Bereiche: oben trocken, in der Mitte mässig feucht und unten feucht. Diese «Feuchtgebiete» müssen unterschiedlich bepflanzt werden, ähnlich wie bei sonniger bis schattiger Lage. Die automatische Bewässerung benötigt einen Stromanschluss bzw. ein Solarpanel sowie einen Wassertank oder einen Wasseranschluss. Weitere Informationen: www.pflanzen-wand.ch (Blog) und www.vivit.green (Produkte)
SELBST PRODUZIEREN
Kein Wunder, interessieren sich Herr und Frau Schweizer auch für die private Selbstversorgung. Sie möchten Verantwortung dafür übernehmen, was zuhause auf den Tisch kommt. Sie wollen ihren Kindern zeigen, woher Nahrung kommt. Und sie wünschen sich mehr Unabhängigkeit, um auch für schlechtere Zeiten vorzusorgen. Dazu gehört nicht nur, selbst zu produzieren, sondern auch eine verlässliche Gemeinschaft aufzubauen und die lokale Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Denn private Selbstversorgung hat ihre Grenzen.
Für eine gute Ernte über mehrere Jahre sollte man den Nährstoffbedarf der einzelnen Pflanzen kennen.
GEMÜSE UND KRÄUTER PFLANZEN
Mit einem Bauernhof liesse sich eine Familie problemlos ernähren. Doch wer nur einen Garten sein Eigen nennt und einem Beruf nachgeht, ist von echter Selbstversorgung weit entfernt. Dazu fehlen Platz und Zeit. Doch man kann zumindest einen Teil der Lebensmittel selbst produzieren. Was gedeiht in einem kleinen Nutzgarten? Unkomplizierte Pflanzen sind zum Beispiel Kräuter, Salat, Zucchini, Radieschen, Randen, Knoblauch, Lauch und Bohnen. Gärtnern muss nicht schwierig sein – es genügt, ein paar Grundsätze zu kennen.
CHECKLISTE
BESTE BEETFREUNDE
Diese Pflanzen helfen Ihrem Gemüse gegen spezifische Krankheiten und Schädlinge:
- BASILIKUM zwischen Tomaten, Gurken und Kohl gepflanzt
- BOHNENKRAUT zwischen Bohnen
- BRENNESSEL für alle Pflanzen, gegen Blattläuse
- DILL zwischen Karotten, Randen und Kohl
- KNOBLAUCH zwischen Erdbeeren
- RINGELBLUMEN bei Kartoffeln und Kohl
- TAGETES zwischen Tomaten, Kohl, Kartoffeln und Erdbeeren
- ZWIEBELN zwischen Erdbeeren und Karrotten
- ROSMARIN zwischen Kohl und Karrotten
Welche Nutzpflanzen passen zueinander? Eine Mischkulturtabelle lässt sich zum Beispiel hier downloaden.
EIN WENIG KNOW-HOW BRAUCHT’S
Für eine reiche Ernte und langfristigen Erfolg ist Planung von Vorteil. So nutzt man das Beet zum Beispiel im Frühjahr für Salat und ab Mai für Tomaten. Mit einer geschickten Reihenfolge lässt sich die – meist beschränkte – Anbaufläche optimal nutzen. Um auch in den folgenden Jahren eine gute Ernte zu erzielen, sollte man die sogenannte Fruchtfolge beachten: Während die einen Pflanzen einen Boden mit vielen Nährstoffen benötigen (Starkzehrer), brauchen andere weniger (Mittelzehrer) bis sehr wenig Dünger (Schwachzehrer). Deshalb sollte man, wenn man einen Starkzehrer pflanzt, an dieser Stelle im zweiten Jahr einen Mittel- und im dritten Jahr einen Schwachzehrer pflanzen. Eine Mischkultur ist dabei empfehlenswert. Das Beet ist damit unter anderem besser vor Schädlingen geschützt. Im Nutzgarten dürfen natürlich Früchte nicht fehlen. Beerensträucher liefern monatelang vitaminreiche Früchte und müssen nicht jedes Jahr kultiviert werden. Ein Obstbaum im Garten ist nicht nur schön, sondern beansprucht, in Relation zur Ernte, nur wenig Bodenfläche. Auch Kiwis, Melonen oder Zitronen sind den Versuch wert.
CHECKLISTE
WELCHE PFLANZE BRAUCHT WIE VIELE NÄHRSTOFFE
- BEISPIEL FÜR STARKZEHRER: Auberginen, Gurken, Kartoffeln, Kohl, Kürbis, Lauch, Tomaten, Zucchini
- BEISPIELE FÜR MITTELZEHRER: Erdbeeren, Fenchel, Karotten, Peperoni, Salat, Spinat, Zwiebeln
- BEISPIELE FÜR SCHWACHZEHRER: Buschbohnen, Erbsen, Feldsalat, Kräuter, Radieschen
EIGENE HÜHNER
Keine Lust auf Gemüse und Obst? Selbstversorgung geht auch anders. Manche gehen lieber fischen oder halten Hühner für frische Eier. Kleintierhaltung erfordert allerdings Fachwissen und Zeit: Hühner benötigen mindestens 10 Quadratmeter Grünfläche pro Tier, hinzu kommt ein artgerechter Hühnerstall und nicht zuletzt ein Zaun, damit das Federvieh nicht ausbüxt oder vom Fuchs geholt wird. Wichtig ist die Zustimmung der Nachbarn, denn nicht alle Menschen mögen das Gackern (und Krähen, falls ein Hahn dabei ist). Auch wer von den Nachbarn das OK hat, sollte diesen ab und zu frische Eier schenken – so bleibt die Kirche im Dorf und der Hühnerstall im Garten.
WEITERE INFORMATIONEN
Weitere Informationen zum Pflanzen im Garten finden Sie hier: www.wurzelwerk.net
Weitere Informationen zur Hühnerhaltung finden Sie hier: www.huehner-hof.com