Drei Wohnstile für Drinnen und Draussen
Wie man sich einrichtet, ist individuell und lässt sich selten auf einen bestimmten Stil festnageln. Doch es gibt ein paar Stilrichtungen, an denen man sich orientieren kann – sowohl für die Innenräume wie auch für den Garten.
Text — Tanja Seufert
Sich hübsch einzurichten, ist eine Kunst. Und nicht nur eine Frage des persönlichen Geschmacks, sondern auch des Budgets und der familiären Konstellation. Wie bringt man verschiedene Geschmäcker unter einen Hut – oder besser gesagt, unter ein Dach? Wie lässt sich ein gemeinsamer Stil finden? Und wie kann man verschiedene Richtungen miteinander kombinieren, so dass alle zufrieden sind?
EMOTIONEN STATT BEGRIFFE
Wer in Wohnmagazinen blättert oder sich auf Pinterest durch Pinnwände klickt, dem werden Dutzende von Design-Begriffen um die Ohren geschlagen. Was ist «Retro» und was «Vintage»? Warum ist ein Möbel «nordisch» und ein anderes «kolonial»? Und passt «shabby chic» zu «industrial»? Auch wenn eine Abgrenzung nicht ganz einfach ist ist: Lassen Sie uns all die Design-Richtungen auf drei reduzieren. Drei Wohnstile, die sich nicht nur anhand von bestimmten Materialien oder Farben definieren lassen. Sondern die etwas verkörpern, für etwas stehen – und damit einfacher zu entschlüsseln sind. Denn: Es gibt keine stärkeren Indikatoren als Emotionen. Was wir lieben, gefällt uns – und umgekehrt. Lassen Sie sich inspirieren!
NATURNAH—LANDHAUS—SKANDINAVISCH
«Ich schätze höher das Natürliche als das Gemachte, das Ländliche höher als das Städtische, die Einfachheit höher als den Prunk, die Taten höher als das Wissen, das Herz höher als den Geist.»
Peter Rossegger, (1843 - 1918), österreichischer Volksschriftsteller und Erzähler
UMSETZUNG DRINNEN
- Massivholzmöbel
- Erdige Farben
- Leinenbettwäsche
- Leinenvorhänge
- Sofakissen und Plaids
- Schafffell
- Sisalteppich/
Wollteppich
- Blumen aus dem Garten
- Holzdielen, Parkett
- Familienfotos
- Gemälde, Kunstdrucke
- Holzskulpturen
- Zimmerpflanzen
UMSETZUNG DRAUSSEN
- Nutzgarten
- Obstbaum
- Sitzbank
- Veranda
- Einheimische Pflanzen
- Hecke
- Schwimmteich
- Fischteich
- Bachlauf
- Hot Tub
- Massivholzmöbel
- Natursteinböden
oder -mauern - Lichterkette
- Feuerschale
EMOTIONEN
- Sehnsucht nach Landleben
- Selbstversorgung
- Gemeinschaftssinn
- Familie, Haustiere
- Hyggelig
- Weibliches Prinzip
TYPISCHE MERKMALE
- Holz (vor allem Massivholz, unbehandelt/geölt)
- Erdige Farben, Naturfarben und Weiss
- Einfache Formen, funktionales Design
- Baumwolle, Leinen, Keramik, natürliche Materialien
- Viel Licht
- Pflanzen, Nutzpflanzen
INFO
KLASSISCHE ARCHITEKTURSTILE
Stilrichtungen sind oft nur Trendbegriffe und haben wenig mit Design nach Lehrbuch zu tun. Die «grossen» Architekturstile wie Jugendstil oder Bauhaus prägen die Optik von Gebäuden, Möbeln und Objekten jedoch bis heute. So ist der Minimalismus mitnichten eine Erfindung der heutigen Zeit, sondern begann schon Anfang des 20.Jahrhunderts, sich zu etablieren. In der Moderne – zu denen Bauhaus und Minimalismus gehören – entstanden bis Ende der 1950er-Jahre die wichtigsten Designklassiker, die bis heute in den Stuben zu finden sind.
MODERN—PURISTISCH—INDUSTRIAL
«Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.»
Antoine de Saint-Exupéry, (1843 - 1918), Schriftsteller, aus «Terre des Hommes», 1939
UMSETZUNG DRINNEN
- Glastisch
- Zu Möbeln umfunktionierte Werkstatteinrichtung
- Lagergestelle
- Plexiglas-Stühle
- Stahl-Möbel
- Glattleder-Sofa
- Hochglanzmöbel
- Chromstahl-Sideboard
- Technik sichtbar
- Unterhaltungselektronik wird zelebriert (Apple Design)
- Industrial-Chic-Möbel
- Fliessestrich, Gussboden
- Grosse Fenster
- Wenige, grosse Zimmerpflanzen
- Fotografien, Plakatkunst
UMSETZUNG DRAUSSEN
- Lounge
- Lounge aus Paletten
- Pool, Whirlpool
- Designbrunnen
- Steingarten/
Zengarten - Bambus
- Grill
EMOTIONEN
- Klarheit
- Fokus, Konzentration, Zen
- Ordnung, Struktur
- Coolness
- Männliches Prinzip
TYPISCHE MERKMALE
- Glatte, kühle Materialien wie Glas und Metall
- Naturmaterialien: Massivholz und Leder
- Sichtbeton
- Sichtbare Rohre/Leitungen
- Klare, einfache Formen
- Reduziertes Design
- Schwarz, Weiss, Metallfarben
- Wenige, dafür hochwertige Dinge
- Fabrik-Charakter
- Freie Fläche
DIE EXPERTIN
Carole Müller,
Architektin und Inhaberin - qbus-architekten.ch
SO GESTALTET MAN DEN ÜBERGANG ZWISCHEN DRINNEN UND DRAUSSEN
Indem man das Raumkonzept nach aussen trägt, fliessen Innen- und Aussenräume ineinander. Durch die zusammenhängende Optik ergibt sich ein grosszügigeres Raumerlebnis.
Der wichtigste Faktor ist dabei der Bodenbelag. Ist im Wohnzimmer zum Beispiel ein Parkett verlegt, kann man draussen ein Holzdeck aus dem gleichen oder einem ähnlichen Holz bauen. Auch Brüstungen und Aussenmauern, die vom Innenraum aus sichtbar sind, sollten einen ähnlichen Stil bzw. Farben aufweisen.
Dasselbe gilt für die Möblierung. Innen hochwertiges Mobiliar und draussen billige Plastikstühle ist ein Stilbruch, den ich nicht empfehle. Grundsätzlich sollte man aus seinem Haus und Garten keine Baumusterzentrale machen – besser ist es, bei zwei, drei Hauptelementen zu bleiben und Farben sowie Materialien zu wiederholen, statt ein buntes Gemisch hinzustellen. Gezielte Kontraste können jedoch schön wirken. Inbesondere Altbauten und alte Gärten können mit Design-Möbeln oder ganz modernen Elementen ergänzt werden. Der neue Teil hebt sich so klar ablesbar vom alten Teil ab.
VINTAGE—SHABBY—EXOTISCH
«Warum ich rückwärtsgegangen bin? sagte Pippi, Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man möchte?»
Astrid Lindgren, (1907 – 2002), Schriftsteller, aus «Pippi Langstrumpf»
UMSETZUNG DRINNEN
- Holzlamellen
- Tapeten
- Perserteppich
- Chesterfield-Sofa
- Bibliothek, Bücherregale
- Vitrinen mit Lieblingsstücken
- Kronleuchter
- Sitzkissen
- Üppige Zimmerpflanzen (Bananenbaum)
UMSETZUNG DRAUSSEN
- Pavillon
- Verzierte Terrakotta-Töpfe
- Hängetöpfe
- Mediterrane Pflanzen
- Üppige Blüher
- Beerenstauden, Obstbäume
- Kochstelle, Pizzaofen
- Marrokanische Leuchten
- Windlichter
- Bambusmatte,
- Holztrennwand
EMOTIONEN
- Fernweh
- Nostalgie
- Unkonventionalität
- Unabhängigkeit
- Selbstentfaltung
TYPISCHE MERKMALE
- Einer bestimmten Region nachempfunden (z.B. Frankreich, Südostasien, USA)
- Dunkles oder lasiertes Holz
- Abblätternde Farben
- Antiquitäten
- Backstein, sichtbares Mauerwerk
- Üppig, unordentlich
- Dinge mit emotionalem Wert, Sammlerstücke
- Naturmaterialien
- Florale Muster
- Bohemian Chic
TIPPS
STILMIX
Die meisten Häuser und Wohnungen hierzulande bieten eine neutrale Kulisse für Einrichtungsstile aller Art. Doch wer zum Beispiel eine Jugendstil-Wohnung sein Eigen nennt oder in einem sehr modernen Haus wohnt, sollte auf die bestehende Architektur Rücksicht nehmen. Das heisst nicht unbedingt, dass man sich in einem Rustico rustikal einrichten muss – Kontraste können reizvoll wirken. Nie verkehrt sind reduzierte Möbel und Designklassiker (im Bild: Esstisch und -stühle von Knoll, 1966), sie passen zu jedem Baustil (ausser vielleicht, Sie wohnen in einem Schloss aus der Renaissance). Und: Man lasse sich nicht zu sehr von den schönen Interior-Design-Bildern blenden. Häufig werden sie vor einzigartiger Kulisse – etwa in einem venezianischen Palazzo oder in einem New Yorker Penthouse – fotografiert.
MOODBOARD
Viele Designer und Architekten verwenden zur Visualisierung ihrer Ideen Moodboards. Sie helfen, stimmige Teile zu einem grossen Ganzen zusammenzubringen. Moodboards können physisch – etwa mit einer grossen Magnetwand – oder auch digital erstellt werden, Letzteres zum Beispiel mit der kostenlosen Software Adobe Spark. Wer einfach nach etwas Inspiration sucht, wird auf Pinterest oder Instagram (Hashtags wie #homeinspiration oder #homedesign abonnieren) fündig.